Übersichtsarbeiten - OUP 01/2022

Anwendungsmöglichkeiten des biodegradierbaren Spacers (Reg Joint® Fa. Scaffdex) in der Fußchirurgie bei Erwachsenen und Jugendlichen

Diskutiert wird eine mechanische Überlastung durch Spreizfuß, Metatarsale-1-Minusindex oder Insuffizienz des 1. Strahls. Hierdurch kommt es zu einer Kompromittierung der Durchblutungssituation der Epiphyse [13].

Die operativen Maßnahmen richten sich vor allem nach der Stadieneinteilung. Smillie führte 1957 erstmals 4 radiologische Stadien ein [11]. Die nachfolgenden Beispiele beziehen sich vorrangig auf das Endstadium der Erkrankung, dem Stadium 4 nach Smillie, der sekundären Arthrose.

Nach initialer konservativer Therapie haben sich verschiedene operative Therapieansätze etabliert wie z.B. die extendierende (dorsal wedge) Osteotomie, Osteophytenresektion oder Köpfchenresektion [12]. Bei stärkerer Zerstörung fehlen jedoch Therapiekonzepte, sollte die extendierende Osteotomie nicht mehr möglich oder insuffizient sein.

In Anlehnung an die Behandlung destruierter Metatarsaleköpfchen beim Rheumatiker erfolgte zusätzlich zur etablierten ersatzlosen Köpfchenresektion nach Tillmann zum Erhalt der Gelenkspalthöhe eine Reg Joint® Implantation.

Fallbeispiel 2

52-jährige Patientin mit schmerzhafter sekundärer Arthrose Stadium 4 bei M. Köhler. AOFAS Score Prä-OP 47 (Abb. 6–9).

In einem aktuellen systematischen Review fanden Alhadhoud, M.A. et al. [1] heraus, dass sich bezüglich der Studienlage in Bezug auf operative Behandlungsmöglichkeiten beim M. Köhler 2 lediglich Studien mit Grad C Empfehlungen finden lassen. Interessant wären hier sicherlich weiterführende Studien, die die extendierende Osteotomie mit der Reg Joint®-Implantation vergleichen. Aufgrund der relativ geringen Inzidenz der Erkrankung ist dies vermutlich ein schwieriges Unterfangen.

Denkbar ist darüber hinaus auch die Implantation bei arthrotisch veränderten Gelenken der TMT 4 und 5 aufgrund der biomechanisch vermehrten Beweglichkeit. Dies wird aus den Reihen der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover im Diakovere Annastift beschrieben [9].

Anwendungsbeispiel
Coalitio calcaneonavicularis

Die Coalitio calcaneonavicularis stellt mit ca. 53 % die häufigste Variante der sog. isolierten tarsalen Coalitionen dar [4]. Es gibt knöcherne, unvollständig knöcherne, knorpelige und bindegewebige Formen. Über die Indikation zur chirurgischen Resektion bei symptomatischer Coalitio calcaneonavicularis besteht in der Literatur weitgehende Einigkeit. Mit der Röntgen-Schrägaufnahme des Fußes gelingt der Nachweis einer knöchernen oder partiell knöchernen Coalitio calcaneonavicularis. Mittels CT- oder MRT-Untersuchung werden partiell knöcherne, knorpelige oder bindegewebige Brückenbildungen dargestellt.

Traditionell erfolgt der operative Zugang über eine dorsolaterale Inzision auf Höhe des Sinus tarsi bzw. leicht ventral versetzt auf Höhe der Coalitio, entsprechend einem Ollier-Zugang [5, 10]. Nach Präparation auf den Musculus extensor digitorum brevis wird dieser L-förmig an seinem Ansatz abgelöst. Einige Autoren empfehlen ein Ablösen dieses Muskels mit anhaftendem Fettgewebe aus dem Sinus tarsi [10] bzw. eine separate Fettgewebsentnahme aus dem Sinus tarsi, was jedoch von einigen Fußchirurgen aufgrund von Schädigung propriozeptiver Strukturen im Sinus tarsi kritisch gesehen wird. Nach vollständiger Resektion der Coalitio calcaneonavicularis wird empfohlen, den Resektionsspalt mit einem Interponat zumindest teilweise aufzufüllen, um der Gefahr einer erneuten knöchernen Überbauung vorzubeugen [2, 5, 10]. Hierfür werden in der Literatur die Möglichkeiten zur Verwendung des mobilisierten M. extensor digitorum brevis [5], ggf. mit anhaftendem Fettgewebe aus dem Sinus tarsi [10] oder die Interposition des dorsomedialen Anteils des hälftig geteilten M.extensor digitorum brevis [2] beschrieben.

Ein Nachteil dieser Techniken ist, dass die Haltefäden des in den Resektionsspalt eingezogenen Muskels zwecks Fixation medioplantarseitig epikutan ausgeleitet werden müssen und über einem externen Widerlager wie bspw. einer Kompresse, Schaumstoff oder Knopfes verknotet werden. Hierdurch wird eine zweite Wundstelle an der medioplantaren Fußregion geschaffen mit potenziellem Schmerz- und Infektionsrisiko. Weiter besteht hier die Gefahr von Druckstellen oder Nekrosen bei zu festem Verknoten des Nahtmaterials epikutan. Um die Einheilung des interponierten Muskels bzw. Muskel-Fett-Interponats zu gewährleisten und da eine rasche Teil- oder Vollbelastung aufgrund des medioplantaren Knotenwiderlagers nicht möglich ist, wird in der Literatur eine Cast- oder Gipsruhigstellung für 10 Tage [10] bis 4 Wochen postoperativ unter Entlastung empfohlen [2, 5]. Weiterhin wird durch dieses Vorgehen die anatomische Lage und die Funktionsweise des M.extensor digitorum brevis dauerhaft verändert. Aufgrund des anatomisch vorgegebenen Muskelvolumens des M.extensor digitorum brevis ist ggf. nur eine partielle Auffüllung des Resektionsspaltes bei zu kleinem Muskelinterponat möglich, was wiederum die Rezidivgefahr erhöht.

Basierend auf den genannten Nachteilen des Muskelinterponats und unseren guten klinischen Erfahrungen aus der Erwachsenen-Fußchirurgie gelangten wir zu der Überlegung, den biodegradierbaren Spacer Reg Joint® der Firma Scaffdex bei der Coalitioresektion bei Kindern und Jugendlichen als Resektionsinterponat einzusetzen. In der Literatur existieren unseres Wissens nach keine Daten, die bei der Implantation von Polylactid-Spacern bei Kindern und Jugendlichen andere Reaktionen erwarten ließen als bei Erwachsenen. Dennoch erfolgte präoperativ eine explizite Aufklärung über die Implantation eines Reg Joint® als „off label use“.

Unser operatives Vorgehen ist grundlegend identisch zu den in der Literatur beschriebenen OP-Methoden zur Coalitio calcaneonavikularis-Resektion. Auch wir versiegeln die spongiösen Knochenflächen des Calcaneus sowie des Naviculare mit Knochenwachs wie von einigen Autoren beschrieben [2]. Der M.extensor digitorum brevis wird L-förmig inzidiert und nach distal zur Seite gehalten. Nach vollständiger Coalitioresektion wird die Größe des Resektionsspaltes mit einem Probeplatzhalter der Firma Scaffdex bestimmt. Entsprechend wird die Implantatgröße gewählt. Der M.extensor digitorum brevis wird am Ende wieder vollständig an seinem Insertionsbereich vernäht.

Wir überschauen eine kleine Fallserie von 8 Patienten, die im Zeitraum 2018 bis 2020 mittels Reg Joint® nach Coalitio-Resektion versorgt wurden. Das Patientenalter zum OP-Zeitpunkt variiert von 9,5 Jahren bis zum Erwachsenenalter. In 2 Fällen wurde die Coalitio calcaneonavicularis-Resektion mit einer Calcaneusverschiebeosteotomie kombiniert. Die klinischen Ergebnisse sind bislang zufriedenstellend. Abstoßungsreaktionen oder Implantat-assoziierte Wundinfektionen wurden nicht beobachtet. Es traten keine Rezidiv-Coalitionen auf. Postoperativ erfolgte eine Ruhigstellung im Unterschenkel-Cast oder Gipsschale für ca. 1 Woche lediglich als Schmerzprotektion mit Ausnahme der 2 Patienten mit Calcaneusverschiebeosteotomie. Die Beweglichkeit des Fußes wurde postoperativ nicht limitiert. Abhängig von der Schmerzsituation durften die Patienten sobald möglich in die Vollbelastung übergehen.

Fazit

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