Übersichtsarbeiten - OUP 01/2024

Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) in der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST)

Es gibt verschiedene Anlagemöglichkeiten (z.B. lokal um den Schmerz, im Verlauf der Schmerzausstrahlung, an Akupunkturpunkten) und unterschiedliche Programmvarianten, die eingestellt werden können [5, 7].

Grundsätzlich wird zwischen dem konventionellen TENS mit hoher Frequenz und niedriger Stromstärke, welche zu einer selektiven Aktivierung von Aß-Fasern führt und es zu einer segmentalen Wirkung kommt, dem Acupuncure Like TENS mit niedriger Frequenz und hoher Stromstärke als single puls oder burst AL TENS und dem intensive TENS mit hoher Frequenz und hoher Stromstärke und Aktivierung von hochschwelligen kutanen A?-Afferenzen mit peripherer, segmentaler und extrasegmentaler Wirkung, unterschieden [1–5, 7–8, 10, 12].

Als weitere Therapieform soll die HAN-Stimulation erwähnt werden, da diese bei unserer Studie Anwendung fand: Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus hoch- und niederfrequenter Stimulation, bei welcher alle 3 Sekunden abwechselnd Frequenzen von 2 und 100 Hz abgegeben werden. Somit kommt es zu einer Aktivierung aller beteiligten Opioidrezeptoren (?, ?, ?) und zur Freisetzung von Beta-Endorphin und Enkephalin bei niedrigfrequenter Stimulation und Dynorphin bei hochfrequenter Stimulation. Durch die wechselnde Stimulationsfrequenz soll der Gewöhnungseffekt reduziert werden [2, 6–8, 10, 12].

Klinische Studien zum
Thema TENS

Es existieren zahlreiche Studien zum Thema TENS in der Therapie chronischer Schmerzen. Die Ergebnisse und somit auch die Empfehlungen für die Nutzung von TENS variieren allerdings stark. Einige Beispiele dazu:

Erste Systemische Reviews in den 1990er Jahren brachten allesamt keine eindeutigen Therapieergebnisse.

Im Jahr 2007 wurden in einer wissenschaftlichen Arbeit von Johnson und Martinson 30 randomisiert-kontrollierte Studien mit über 1000 Patientinnen und Patienten mit chronischen muskuloskelettalen Erkrankungen bewertet. Man kam zu der Erkenntnis, dass die Schmerzreduktion durch TENS höher war, als die durch Placeboanwendung [7].

In einem Artikel von Novak und Nemeth, ebenfalls aus dem Jahr 2007, wurde dieses Ergebnis jedoch in Zweifel gezogen. Sie wiesen daraufhin, dass verschiedene pathophysiologische Mechanismen, z.B. rheumatoide Arthritis, Osteoarthritis, chronische LWS-Schmerzen, ankylosierende Spondylitis zusammengefasst wurden und das Problem sei, dass TENS für einige Erkrankungen wirksamer sei als für andere [9].

In einer Übersichtsarbeit von 8 Chochrane-Reviews zum Thema TENS bei chronischen Schmerzen, in welcher 51 randomisiert-kontrollierte Studien aufgearbeitet wurden, zeigten sich ebenfalls keine eindeutigen Ergebnisse [7].

Eine große Metaanalyse von 29 randomisiert-kontrollierten Studien zu verschiedenen muskuloskelettalen Erkrankungen zeigte wiederum eine signifikante Reduktion des Schmerzes während der TENS-Anwendung [13].

Eine weitere interessante wissenschaftliche Arbeit von Gschiel, Kager und Kollegen aus dem Jahr 2009 beobachtete 40 Patientinnen und Patienten mit Gonarthrose und kam zu dem Ergebnis, dass TENS während der Therapiephase zu einer Schmerzreduktion führte, jedoch die analgetische Wirkung nach Beendigung der Therapie nicht bestehen blieb [6].

Dementiert wurde dies wiederum in einer Studie von Reichenbach und Kollegen aus dem Jahr 2021, welche zu dem Ergebnis kam, dass jeglicher Effekt, der mit TENS bei Kniearthrose in einem klinischen Setting beobachtet wurde, auf einen Placeboeffekt und/oder auf den natürlichen Verlauf der Arthrose zurückzuführen sei [11].

Wie diese wissenschaftlichen Arbeiten aufzeigen, variieren die Ergebnisse der einzelnen Studien und Untersuchungen stark und sind durch zahlreiche Limitationen beeinflusst.

Unsere Studie zum Thema TENS in der IMST

Methoden

Angewandt wurde bei allen Patientinnen und Patienten das gleiche TENS-Gerät mit demselben Programm (HAN-Stimulation). Die Laufzeit pro Anwendung betrug 30 Minuten. In einem Zeitraum von 4 Monaten wurden 64 Patientinnen und Patienten der IMST mittels eines in unserer Abteilung erstellten Fragebogen zum Thema „Nutzung des TENS-Gerätes“ befragt. Bei der Verteilung der Fragebögen wurde keine Auswahl getroffen, sondern alle Patientinnen und Patienten erhielten bei der Einweisung in das TENS-Gerät im Rahmen der stationären Aufnahme zur 10-tägigen IMST einen Fragebogen mit der Bitte, diesen zu bearbeiten.

Zuerst wurden den Patientinnen und Patienten Informationen zum Thema TENS, dessen Geschichte, zur Wirkweise der transkutanen elektrischen Nervenstimulation und zur Anwendung des TENS-Gerätes gegeben (Abb. 1–4). Nach der einleitenden Erklärung mussten einige Fragen zum Thema „bisherige Nutzung eines TENS-Gerätes“ beantwortet werden:

Wurde in der Vergangenheit bereits ein TENS-Gerät genutzt? (ja/nein)

Wenn ja, in welcher Region wurde dieses angelegt? (freies Feld ohne Auswahlmöglichkeiten

Einschätzung der Wirksamkeit (sehr gut – gut – teils/teils – weniger gut – schlecht/keine Verbesserung)

In einer Tabelle sollten an den 10 Tagen der laufenden IMST je bis zu 4 Anwendungen und deren Behandlungsergebnisse eingetragen werden. Pro Anwendung waren 2 Schmerzskalen (NRS von 0–10) skizziert, wobei in die obere Skala die Schmerzstärke vor der Behandlung und in die untere Skala die Schmerzstärke nach der Behandlung eingetragen wurden. In der Kopfzeile musste die Körperregion angegeben werden, an der das TENS Gerät angelegt wurde (freies Feld ohne Auswahlmöglichkeiten). Zuletzt waren abschließende Fragen zu beantworten:

Wie wird die Wirksamkeit eingeschätzt? (sehr gut – gut – teils/teils – weniger gut – schlecht/keine Verbesserung)

Wie lange hat die Wirkung angehalten? (gar nicht – mehrere Minuten – mehrere Stunden – länger)

Ist eine Fortsetzung der Therapie zuhause geplant? (ja/nein)

Ergebnisse

Überblick

Von den 64 befragten Patientinnen und Patienten waren 48 weiblich und 16 männlich (Abb. 5). Diese Zahlen entsprechen auch in etwa der Geschlechterverteilung unserer Patientinnen und Patienten in der IMST bei mittelfristiger Betrachtung der Belegung. Die Altersverteilung präsentierte sich wie folgt (Abb. 6):

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