Übersichtsarbeiten - OUP 01/2024

Symphysitis und Symphysenlockerung

Die Druck-, Zug- und Scherbelastungen sollen für die degenerative Umwandlung des hyalinen Symphysenknorpels hin zu Faserknorpel verantwortlich sein, was zu einem pathologisch erhöhten Druck auf die darunterliegende Knochenlamelle führen und in sklerotischen Umbauten, Geröllzysten und Osteophytenanlagerungen resultieren würde. Zudem führt die pathologische Druckerhöhung zu Mikrofrakturen im Trabekelwerk des Knochens, was sich im MRT oftmals als pubisches Knochenmarködem zeigt [10, 12].

Die Osteitis pubis ist durch folgende Faktoren gekennzeichnet [10]:

  • 1. Ansatztendinopathie der am Os pubis ansetzenden Muskulatur
  • 2. Evtl. bestehende Insuffizienz des hinteren Anteils des Leistenkanals
  • 3. Ausdehnung auf den hinteren Beckenring bei fortschreitender Instabilität mit sichtbarer Erweiterung der Symphyse

Beschwerden

Klinisch imponiert meist ein komplexer Beckenschmerz, der oft den Beckenboden einbezieht. Als führendes klinisches Zeichen wird die schmerzhafte Symphysis pubica (bis zum Ruheschmerz) beschrieben und Instabilitäten der Symphyse, die konsekutiv zu einer Stressreaktion der Symphyse und der angrenzenden Schambeinäste führen können [1, 7, 10, 22]. Darüber hinaus projizieren sich die Beschwerden oftmals in die Leistenregion sowie in die untere Bauch- und Adduktorenmuskulatur. Diffuse testikuläre Beschwerden sowie Hüftschmerzen werden ebenfalls beschrieben [12, 22]. Anamnestisch sollten der Zeitpunkt und die Ursache der Schmerzen erfragt werden. Sporttreibende berichteten üblicherweise über eine Schmerzverstärkung bei Sprintmanövern, bei Bauchmuskelaktivität sowie bei schnellen und abrupten Richtungswechseln [12].

Klinische Untersuchung

Bei der tiefen Palpation lässt sich ein Druckschmerz über der Symphyse auslösen [10, 12]. Zur Detektion bzw. Verstärkung der Symptomatik eignen sich, neben der Palpation der Symphysis pubica und ihrer angrenzenden Strukturen (Adduktorenansätze, unteres Abdomen, Rami ossis pubis) eine orientierende Hüftgelenksuntersuchung, insb. Widerstandtests sowohl für die Hüftabduktion als auch für die Hüftadduktion [1, 12]. Der sog. „adductor squeeze test“ ist positiv, wenn Schmerzen in der Symphysenregion durch aktive Adduktion beider Beine gegen den Widerstand des Untersuchers ausgelöst werden können [10]. Die Innenrotation im Hüftgelenk ist häufig schmerzbedingt eingeschränkt. In der klinischen Untersuchung kann es bei gleichzeitiger Kompression auf die Darmbeinschaufeln zu einem Klicken bzw. spürbaren Schnappen in der Symphyse kommen [1, 10]. Hinweisend für eine vertikale Instabilität sind Schmerzen beim Einbeinstand, der häufig nur schlecht oder gar nicht möglich ist [1, 10].

Funktionelle Untersuchung

Zusätzlich sollte im Rahmen der klinischen Untersuchung die Bewertung der „funktionellen“ Beinachse und der damit verbundenen stabilisierenden „Core-Muskulatur“ erfolgen. Die Insuffizienz der „Core-Muskulatur“ ist dabei die Ursache der funktionellen Beinachsinstabilität mit der Folge von erhöhten Rotationskomponenten in Bereich der Symphyse durch ein vermehrtes Abkippen des Beckens.

Folgen sind Überlastungen an Sehnen, Sehnenansätzen und Kapsel in Bereich der Symphyse. Der Status der „Core-Muskulatur“ hängt vom individuellen Trainingszustand der einzelnen Patientin/des einzelnen Patienten ab. Je nach vorangegangen Belastungen und Überlastungen, Trainings- oder Verletzungspausen kann aber eine solche funktionelle Instabilität auch bei gut Trainierten als Ursache für einen Reizzustand in Bereich der Symphyse in Frage kommen.

Das Zusammenspiel dieser „Core-Muskulatur“ kann durch einfache Tests im Einbeinstand und im Liegen bereits ohne Einsatz komplizierter Apparatur abgeschätzt werden. Durch unterstützende video- und druckplattengestützte Untersuchungen sowie Kraftmessungen am Isokineten kann ein muskuläres „Core-Defizit“ mit der Folge des „medialen Beinachskollapses“ zusätzlich genauer dargestellt und analysiert werden.

Als Risikofaktor ist zudem eine Varusbeinachse anzusehen. Hierbei hat der beim „O-Bein“ nach medial verschobene Kraftvektor zur Folge, dass es im Vergleich zu einer ausgeglichenen Beinachse höherer Kraftwerte der Glutealmuskulatur bedarf, damit einem Valgusdrift entgegengewirkt wird.

Differenzialdiagnosen

Differenzialdiagnostisch kommen sowohl Leistenpathologien wie bspw. Leistenhernien, beginnende Instabilitäten der Leistenkanalhinterwand (sog. „Sportlerleisten“), Verletzungen der präpubischen Aponeurose, als auch Myogelosen, Zerrungen, Sehnenreizungen oder Avulsionsverletzungen der umgebenden Muskulatur in Frage [12, 22]. Weiterhin können intraartikuläre Hüftpathologien, wie etwa das femoroacetabuläre Impingement-Syndrom, Orchi- und Prostatiden oder aber auch eine Urolithiasis durch ähnliche Symptomatik das Vorliegen einer Osteitis pubis vortäuschen. Zudem ist an eine tiefe Beinvenenthrombose, eitrige Symphysitis/ Osteomyelitis zu denken bzw. an Osteolysen im Rahmen eines malignen Prozesses [1, 5, 6, 10, 12, 16, 21]

Bildgebung

In der konventionellen Röntgendiagnostik werden vor allem Sklerosen, Konturirregularitäten als auch Erosionen gefunden (Abb. 1). Im Gegensatz zu den klassischen radiologischen Arthrosezeichen kann sich der Symphysenspalt in Abhängigkeit vom Krankheitsverlauf bei der Osteitis pubis verbreitert darstellen [10, 12]. Instabilitäten lassen sich mittels der sog. Flamingo-Aufnahme des vorderen Beckenrings detektieren. Dazu wird eine Röntgenaufnahme des Beckens im a.p.-Strahlengang durchgeführt, wobei die Patientin/der Patient auf einem Bein steht und das kontralaterale Knie beugt. Hinweisend auf eine anteriore Instabilität des Beckenrings sind in diesen Belastungsaufnahmen eine Stufenbildung am Symphysenspalt, d.h. eine vertikale Verschiebung an der Symphyse um mehr als 2 mm [1, 10, 12, 22].

Sonografie

Die Sonografie ist eine sichere, einfache und kostengünstige Methode zum Nachweis einer Symphysenerweiterung. Durch die Sonografie ist eine strahlungsfreie Kontrolluntersuchung möglich; daher eignet sie sich auch gut zur Verlaufsdokumentation. Während der dynamischen Sonografie können kombinierte Abduktions-/Außenrotationsbewegungen der Beine eine Symphysenbewegung zeigen [1, 10,12, 14].

Kernspintomografie

Die Kernspintomografie erweist sich in der Diagnostik der Osteitis pubis als nützlich, um zusätzlich symphyseale Gelenkergüsse und pubische Knochenmarködeme darzustellen (Abb. 2). Die Auswertung der Literatur zeigte, dass solche Ödeme ein Hinweis auf ein Früh- bzw. Akutstadium der Erkrankung sein können, wohingegen subchondrale Sklerose, subchondrale Resorptionszonen, Knochenirregularitäten sowie osteophytäre Anlagerungen typische Befunde chronischer Stadien sind [1, 10, 12, 22].

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