Übersichtsarbeiten - OUP 01/2024

Symphysitis und Symphysenlockerung

Skelettszintigrafie

In der Skelettszintigrafie erkennt man eine symphyseale Mehranreicherung von Technetium in der Spätphase, wobei die Intensität der Anreicherung nur schwach mit Dauer und Schwere der Symptome korreliert. Des Weiteren kann anhand der Szintigrafie keinerlei anatomische Zuordnung der betroffenen oder verletzten Strukturen um die Symphysis pubica getroffen werden [1, 12].

Konservative Therapie

Im Allgemeinen ist in einem Zeitraum von 6 Wochen mit einem deutlichen Rückgang der Beschwerden zu rechnen. Die gesamte konservative Therapie bis zur Beschwerdefreiheit der Patientinnen und Patienten kann jedoch bis zu 6 Monate andauern. Primär wird eine konservative Therapie der Osteitis pubis angestrebt [10]. Die konservative Therapie beinhaltet eine analgetisch-antiphlogistische medikamentöse Behandlung (NSAIDS), Sportpause, Einschränkung der Aktivität und Eis, Infiltrationen mit Kortikosteroiden gefolgt von einem Rehabilitationsprogramm.

Die konservative Therapie zielt darauf ab, das muskuläre Ungleichgewicht zu korrigieren. Es besteht in der Regel aus einem progressiven Trainingsprogramm, einschließlich Dehnung und Stärkung der Beckenmuskulatur. In der Regel wird eine physikalische Therapie (Elektrotherapie, Galvanisation) durchgeführt und vor einer Rückkehr zur sportlichen Aktivität ein progressives sportartspezifisches Trainingsprogramm empfohlen. Ergänzend zur physiotherapeutischen Beübung kann eine extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) eingesetzt werden. Ebenso finden lokale Injektionen mit Kortikosteroiden Anwendung [1, 10, 12, 23], Mobilisierung an Gehstützen im Vierpunktgang bzw. die zirkuläre Kompression in Form eines Becken-/Symphysengurts oder einer Kompressionshose [10].

Operative Therapie

Führt eine adäquate konservative Therapie nach mindestens 3 Monaten zu keiner deutlichen Beschwerdebesserung, so sollte, sofern weitere Ursachen des Leistenschmerzes ausgeschlossen worden sind, eine operative Therapie diskutiert werden [23]. Hierfür wurden verschiedene Techniken beschrieben: die (mini-)offene oder endoskopische Kürettage/Teilresektion der Symphyse, die Symphyseodese mit Knochentransplantat oder Wedge-Resektion. Alle genannten Verfahren können mit einem Release oder einem Repair der Adduktorensehnen kombiniert werden [23]. Alle beschriebenen Verfahren zeigten hinsichtlich der jeweils unterschiedlich gewählten Kontrollparameter (Endpunkte) des Therapieerfolges gute bis sehr gute Ergebnisse [12]. Im Fall einer sportassoziierten Symphyseninstabilität kann die rigide Fixation der Symphyse zu einer Überlastung des Iliosakralgelenks führen und wird daher bei sportlich aktiven Patientinnen und Patienten selten angewendet. Stattdessen bietet sich eine Vielzahl weiterer operativer Maßnahmen an: Tenotomie der Adduktoren, Débridement der Symphyse, Proliferationstherapie in Kombination mit einem Lokalanästhetikum und Glucoselösung oder neuere laparoskopische Verfahren. Hierbei wird, laparoskopisch assistiert, extraperitoneal eine Netzplastik hinter bzw. auf die Symphyse gelegt, um den passiven Halteapparat ohne rigide Fixation zu stärken [1, 10, 12].

Schwangerschaftsassoziierte Symphyseninstabilität

Während der Schwangerschaft kommt es zur physiologischen Erweiterung der Symphyse, die nach komplikationsloser Geburt innerhalb kurzer Zeit durch Straffung der gesamten Beckenbodenmuskulatur reversibel ist. Bei fast 10 % aller Schwangeren entwickeln sich Symphysenbeschwerden. Sie zeigen sich meist gegen Mitte der Schwangerschaft zum ersten Mal durch Schmerzen am Schambein.

Eine seltene Komplikation ist die schmerzhafte Symphysensprengung durch eine irreversible Überdehnung des unteren Geburtskanals beim Durchtritt des Neugeborenen. Sie ist definiert als ein traumatisches Auseinanderreißen der Schambeinfuge unter dem Geburtsvorgang, einhergehend mit einer traumatischen Zerreißung der ligamentären Strukturen. Die Angaben zur Inzidenz schwanken weltweit innerhalb eines Jahres zwischen 1:300 und 1:30.000 [4, 10, 14, 18]. Übergroße Feten, ein kleiner Beckenausgang, eine Wehenfolge in kurzen Abständen, eine Epiduralanästhesie und ein vorausgegangenes Beckentrauma mit Symphysenbeteiligung sind als prädisponierende Faktoren beschrieben [13]. Bleibt der symphyseale Halteapparat während des Geburtsvorgangs intakt, kann sich die physiologische Symphysenerweiterung durch Straffung der Beckenbodenmuskulatur innerhalb von 6 Monaten vollständig zurückbilden. Persistieren die Beschwerden über einen längeren Zeitraum, spricht man von einer postpartalen Symphyseninstabilität.

Sonografische Untersuchungen haben gezeigt, dass die mittlere Symphysenspaltweite bei nichtschwangeren Frauen bei 4,07 mm liegt. Im Laufe der Schwangerschaft erhöht sich der mittlere Abstand auf 6,3 mm, wobei in Extremfällen auch Abstände bis 16 mm beschrieben werden. Bei derartigen „symptomatischen Symphysenlockerungen“ treten regelhaft Schmerzsymptome auf. Eine Instabilität des Beckenrings liegt jedoch in der Regel nicht vor. Ein konkreter „Cut-off“-Wert, ab wann eine totale Sprengung der Symphyse mit Bandinstabilität vorliegt, kann allein anhand der gemessenen Weite nicht definiert werden [14].

Pathogenese

Obwohl die genaue Pathogenese der postpartalen Symphyseninstabilität noch nicht vollständig geklärt ist, scheinen insb. eine endokrine Fehlregulation (u.a. der Hormone Progesteron und Relaxin) und eine damit einhergehende Laxizität des symphysealen Bandapparats wesentliche Ursachen darzustellen. Ebenso werden andere metabolische, enzymatische, traumatische und degenerative Faktoren als mögliche Ursachen der postpartalen Symphysenerweiterung diskutiert (Tab. 1) [10].

Die klinische Untersuchung entspricht im Wesentlichen der o.g. Untersuchung bei der Symphysitis. Während und nach der Schwangerschaft lässt sich die Weite der Symphyse statisch wie dynamisch reproduzierbar im Ultraschall nachweisen. In unklaren Einzelfällen kann ein MRT indiziert sein. Bei der sehr seltenen Symphysensprengung kann postpartum eine Beckenübersichtsaufnahme bzw. MRT durchgeführt werden [4, 10].

Therapie

Konservative Therapie

Die konservative Therapie der schwangerschaftsassoziierten Symphyseninstabilität beinhaltet Bettruhe in spezieller Wechsellagerung zur Dekubitusprophylaxe und stellt den Eckpfeiler der konservativen Therapie dar. Diese kann im Verlauf mit moderater Physiotherapie ergänzt werden (kombinierter Beckenbodenaufbau [10, 14, 18]). Zusätzlich kann ein unterstützender Becken-/Symphysengurt getragen werden. Zur analgetischen Therapie steht Paracetamol zur Verfügung. Postpartal ist während der Stillzeit die Gabe von Paracetamol sicher und kurzzeitig auch die Einnahme von Ibuprofen möglich [10]. Sollte eine starke Einschränkung der Mobilität bestehen, können Unterarmgehstützen, ein Gehwagen oder ein Rollstuhl verwendet werden. Im Allgemeinen ist in einem Zeitraum von 6 Wochen mit einem deutlichen Rückgang der Beschwerden zu rechnen. Mittels konservativer Therapie konnte in Einzelfällen auch bei ausgeprägten Symphysenspaltweiten (> 90 mm) eine spontane Reduktion des Spalts beobachtet werden. Dennoch ist der Genesungsverlauf langwierig, und persistierende Beschwerden werden häufig berichtet [14]. Die gesamte konservative Therapie bis zur Beschwerdefreiheit der Patientinnen kann jedoch bis zu 6 Monate andauern.

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