Übersichtsarbeiten - OUP 03/2015

Arthroskopisch gestützte Stabilisierung des AC-Gelenks

F. Martetschläger1, 2, S. Braun1, A. B. Imhoff1

Zusammenfassung: Luxationen des Akromioclaviculargelenks (ACG) sind häufige Verletzungen, die zu
einer erheblichen Funktionseinschränkungen des Schultergürtels führen können. In Abhängigkeit von der Schwere der Verletzung ist eine konservative oder operative Therapie angezeigt. Die etablierte Klassifikation nach Rockwood kann dabei als Grundlage zur Therapieentscheidung herangezogen werden. Allerdings muss eine mögliche horizontale
Instabilität gesondert klinisch und radiologisch beurteilt
werden. Die ACG-Stauchung (Rockwood I) und die Banddistorsion (Rockwood II) werden konservativ frühfunktionell behandelt. Bei Rockwood-III-Verletzungen sollte die Therapieentscheidung individuell und patientenbezogen getroffen werden. Die hochgradigen Verletzungen Typ Rockwood IV und V sollten einer zeitnahen (innerhalb von 1–3 Wochen) operativen Stabilisierung zugeführt werden, um hohe Rezidivraten zu vermeiden. Heute können ACG-Verletzungen
minimalinvasiv mit arthroskopisch gestützten Verfahren verlässlich versorgt werden.

Schlüsselwörter: AC-Gelenkverletzung, Akromioklavikulargelenk (ACG), Arthroskopische Stabilisierung ACG

Zitierweise
Martetschläger F, Braun S, Imhoff AB: Arthroskopisch gestützte Stabilisierung des AC-Gelenks.
OUP 2015; 03: 128–131 DOI 10.3238/oup.2015.0128–0131

Summary: Dislocations of the acromioclavicular joint (ACJ) are common shoulder injuries. High grade injuries lead to impairment of shoulder function. Therefore, dependent on severity of the lesion, conservative or operative therapy is indicated. The Rockwood classification can help as a basic tool for grading and decision-making. Additionally, a clinical and radiological evaluation of the horizontal stability needs to be performed. Low-grade injuries type Rockwood I and II are treated conservatively. For type-III-lesions an individual
therapy concept should be discussed with the patient. It is recommended that acute injuries needing surgical reconstruction are stabilized within 1–3 weeks, in order to prevent high re-dislocation rates. Today, ACJ-injuries can reliably be treated minimally invasive by arthroscopically assisted techniques.

Keywords: AC joint injury, acromioclavicular joint (acj), arthroscopic ACJ stabilization

Citation
Martetschläger F, Braun S, Imhoff AB: Arthroscopically assisted AC joint stabilization.
OUP 2015; 03: 128–131 DOI 10.3238/oup.2015.0128–0131

Einleitung

Verletzungen des Akromioclavikulargelenks (AC-Gelenks) sind häufige Verletzungen des Schultergürtels und machen in der klinischen Praxis ca. 12 % aller Schulterverletzungen aus [1]. Bei jungen Sportlern wurde eine Inzidenz von 9,2/1000 beschrieben, wobei Männer signifikant häufiger betroffen waren als Frauen [2]. Die meisten Verletzungen ereignen sich in der 3. Dekade bei Kontaktsportarten wie Fußball, Hockey, Football, Rugby, Rad- oder Skifahren [3–6]. Der häufigste Traumamechanismus ist dabei ein direkter Sturz auf die Schulter bei adduziertem Arm [4, 7]. Unterschiedlich große Kräfte führen zu verschiedenen Schweregraden der AC-Gelenkinstabilität. Die Einteilung der Instabilität erfolgt nach Rockwood et al. [8].

Indikationsstellung
und Therapie

Die Verletzungen Typ I und II nach Rockwood werden im Allgemeinen konservativ behandelt, da mehrere klinische Studien eine erfolgreiche Ausheilung zeigen konnten [9–13]. Die Schulter der Patienten wird dabei für ca. 1–3 Wochen in einem Schlingenverband ruhiggestellt. Daran schließt sich eine frühfunktionelle Therapie an.

Das optimale Vorgehen bei Typ-III-Verletzungen wird seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Da es bislang keine prospektiv randomisierten Studien gibt, die einen signifikanten Vorteil für das operative Vorgehen zeigen, ist ein anfänglicher konservativer Therapieversuch zu empfehlen [14–17]. Einige Studien haben jedoch gezeigt, dass eine frühzeitige Versorgung der Typ-3-Verletzungen eventuell zu besseren Ergebnissen führt als die verzögerte (> 3 Monate) operative Versorgung nach fehlgeschlagener konservativer Therapie [18, 19]. Daher ist eine frühzeitige Operation für Patienten mit schwerer körperlicher Arbeit und Überkopfsportler zu erwägen [14, 15, 19]. Typ-IV- bis -VI-Verletzungen werden in der Regel operativ versorgt, um Spätfolgen zu vermeiden [6, 10, 14, 15, 19].

Die arthroskopisch gestützte Versorgung der Instabilität des AC-Gelenks

Heute lassen sich AC-Gelenkinstabilitäten arthroskopisch gestützt versorgen. Typischerweise werden Flaschenzugsysteme mit Fäden und Titanplättchen [20–24] und/oder Sehnentransplantate, zumeist die Sehne des M. gracilis [20, 21, 25] zur Stabilisierung verwendet. Die hohe Stabilität dieser Techniken, die zum Teil die der nativen Bänder übersteigt, konnte in biomechanischen Untersuchungen bereits gezeigt werden [24–26]. Aufgrund zahlreicher möglicher Komplikationen hat sich die Technik in den letzten Jahren häufig verändert [21, 27]. Die von den Autoren bevorzugte Technik wird in der Folge beschrieben [28].

OP-Technik

Lagerung des Patienten

Der Patient wird in Beachchair-Position gelagert. Eine mechanische Armhalterung (Trimano, Arthrex Inc., Naples, FL, USA) vereinfacht die Prozedur. Nach Einleitung der Vollnarkose erfolgt die klinische Untersuchung in Narkose. Im Anschluss wird die Extremität sterilisiert und standardmäßig mit sterilen Tüchern abgedeckt. Die anatomischen Landmarken werden auf die Haut aufgezeichnet.

Portale und Zugänge

Die diagnostische Arthroskopie erfolgt durch das dorsale Standardportal. Ein tiefes anterolaterales Arbeitsportal wird parallel zur Sehne des M. subscapularis durch das Rotatorenintervall angelegt. Das Arthroskop wird in ein zusätzliches laterales Portal dorsal der langen Bizepssehne umgesteckt. Im Falle von intraartikulären Begleitverletzungen können weitere Portale notwendig werden (Abb. 1). In das tiefe anterolaterale Portal wird eine flexible Kanüle eingebracht (Passport Cannula, 8 mm x 4 cm, Arhrex Inc., Naples, FL, USA), um das weitere Vorgehen zu vereinfachen.

Die einzelnen OP-Schritte

Präparation des Processus coracoideus

Der Processus coracoideus kann direkt anterior der Subscapularissehne identifiziert werden. Mit einem elektrothermischen Ablationsgerät (z.B. Opes, Arthrex Inc., Naples, FL) wird das Rotatorenintervall geöffnet und die Unterfläche des Processus coracoideus sorgfältig von Weichgewebe befreit. Die Ansätze des M. pectoralis minor und der Conjoined tendons werden geschont. Dabei sollte eine Präparation medial des Processus coracoideus vermieden werden, um die neurovaskulären Strukturen nicht zu gefährden. Dieser Schritt sollte sehr sorgfältig durchgeführt werden, da eine gute Exposition und Sicht für ein problemloses Bohren und Shutteln der Flaschenzugsysteme unerlässlich ist (Abb. 2).

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