Übersichtsarbeiten - OUP 01/2017

Bandrekonstruktion und Meniskusrekonstruktion am Kniegelenk
Was gibt es Neues?What is new?

Alfred Hochrein1, Philipp Niemeyer1,

Zusammenfassung: Trotz zunehmend effizienter Präventionsprogramme sind Band- und Meniskusverletzungen des Kniegelenks weiterhin häufig. Periphere Verletzungen können z.T. erfolgreich konservativ behandelt werden. Schädigungen des zentralen Pfeilers (vorderes/hinteres Kreuzband) und der Menisci hinterlassen jedoch oft relevante Instabilitäten, die mit einer erhöhten Morbidität einhergehen. Daher steht deren Rekonstruktion seit jeher im Fokus chirurgischen Interesses. Entsprechende operative Strategien haben sich zunehmend weiterentwickelt. Einige Konzepte (z.B. synthetischer Kreuzbandersatz) wurden praktisch komplett aufgegeben. Andere Techniken gerieten als primäre
extraanatomische Stabilisierungsmöglichkeit bei Kreuzbandinsuffizienz zunächst in den Hintergrund, werden aber aktuell als mögliche Begleiteingriffe im Rahmen der Kreuzbandrekonstruktion wieder beliebter (anterlolaterales Ligament ALL bzw. anterolateraler Komplex ALC, posterolaterales Eck). Dies ist sicherlich auch der zunehmenden wissenschaftlichen Aufarbeitung postoperativer Rest-Instabilitäten und Re-Rupturen nach Bandrekonstruktionen zuzuschreiben. In diesem Kontext sind auch die leicht zu übersehenden Meniskus-Rampenläsionen zu sehen. Der Banderhalt nach Ruptur insbesondere des vorderen Kreuzbandes (VKB) erfreut sich aktuell, nachdem er aufgrund schlechter klinischer Ergebnisse weitgehend verlassen worden war, erneuter Beliebtheit. Ausführliche Analysen zum intraartikulären Heilungsverhalten und dynamische Augmentationssysteme sind dafür maßgeblich verantwortlich. Einige aktuelle Konzepte sollen hier exemplarisch dargestellt werden.

Schlüsselwörter: Knie, Meniskus, Bandrekonstruktion,
anterolaterales Ligament, Kreuzband

Zitierweise
Hochrein A, Niemeyer P: Bandrekonstruktion und Meniskusrekonstruktion am Kniegelenk – Was gibt es Neues?
OUP 2017; 1: 026–030 DOI 10.3238/oup.2016.0026–0030

Summary: Even though efficient prevention programs have been developed, ligament and meniscus injuries of the knee are still common. Some peripheral injuries can be treated conservatively. Damage to the central structures (anterior/posterior cruciate ligaments) and menisci often results in relevant instability, causing increased morbidity. Thus, their reconstruction has always been of special surgical interest. Respective surgical strategies evolved consecutively. Some concepts (e.g. synthetic cruciate ligament reconstruction) were close to completely abandoned. Other techniques, having lost interest as primary extra-anatomical stabilization methods for cruciate insufficiency, are currently experiencing a revival as concomitant procedures to cruciate ligament reconstruction (anterolateral ligament or anterolateral complex, posterolateral corner). This is certainly due to increasing scientific analysis of recurring instability and re-ruptures following ligament reconstruction. Easily overlooked meniscus ramp lesions can also be seen in this context. Ligament preservation, especially of the anterior cruciate ligament (ACL), is currently becoming more popular again after having been abandoned due to dissatisfying clinical results. Comprehensive analysis of intra-articular healing and dynamic augmentation devices are of great importance here. Some current concepts are to be discussed in the present paper.

Keywords: knee, meniscus, ligament reconstruction,
anterolateral ligament, cruciate ligament

Citation
Hochrein A, Niemeyer P: Ligament and meniscus reconstruction. What is new?
OUP 2017; 1: 026–030 DOI 10.3238/oup.2016.0026–0030

Einleitung

Band- und Meniskusverletzungen am Kniegelenk sind weiterhin häufig, auch nachdem erfolgreiche Präventionsprogramme für den Profi- und Breitensport entwickelt worden sind. Die Behandlungsstrategien haben sich allerdings im Laufe der Jahre verändert. Die ersten Konzepte operativer Bandrekonstruktionen wurden bereits im 19. Jahrhundert beschrieben. Da nicht-anatomische Rekonstruktionsverfahren der zentralen Pfeiler [1] nicht den gewünschten Erfolg brachten, wand man sich zunächst wieder peripheren Stabilisierungen zu. Auch diese Techniken waren extra-anatomisch, daher biomechanisch nicht optimal. Unter der Vorstellung, die intakte Anatomie und Biomechanik wiederherzustellen, wuchs das Interesse an der primären Wiederherstellung der Kontinuität der Ligamente im Sinne von Nähten z.B. des vorderen Kreuzbands. Leider zeigten auch diese Nähte nicht die erwarteten Ergebnisse [2]. So arbeitete man zunehmend an anatomischen Rekonstruktionsverfahren, insbesondere der zentralen Pfeiler des Kniegelenks (vorderes und hinteres Kreuzband).

Diese Techniken wurden sukzessive weiterentwickelt, wobei synthetische Bandplastiken weitgehend scheiterten, sodass sich hinzukommende Verfahren am Goldstandard der vorderen und hinteren Kreuzbandplastiken mit autologen Sehnentransplantaten messen müssen.

Die trotz optimierter Rekonstruktionen auftretenden Rest-Instabilitäten, Re-Rupturen [3], unzufriedenen Patienten und Arthroseentwicklungen [4] ließen das Interesse an (möglicherweise übersehenen) Begleitverletzungen und -pathologien wachsen. Hierunter sind vor allem Verletzungen des posterolateralen Kapsel-Band-Apparats in Zusammenhang mit hinteren Kreuzband-Verletzungen [5], des postero-medialen Kapsel-Band-Apparats und der menisko-kapsulären Aufhängung insbesondere des Innenmeniskus (sog. Rampenläsionen) [6] sowie des anterolateralen Ligaments bzw. anterolateralen Komplexes (ALL bzw. ALC) in Zusammenhang mit vorderen Kreuzband-Verletzungen [7] zu nennen. Obschon Versorgungswürdigkeit und Versorgungsstrategien hier teilweise heftig diskutiert werden [8, 9, 10], besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass höhergradige Meniskuswurzelläsionen und Achsfehlstellungen im Rahmen von Bandrekonstruktionen zu adressieren sind, um die Ergebnisse und Prognose zu sichern.

Da jedoch selbst die beste Band-Plastik keine restitutio ad integrum darstellt, wurde parallel weiter an Möglichkeiten der Naht oder Refixation des vorderen Kreuzbands gearbeitet. Unter der Vorstellung, dass intraartikuläre Heilungsprozesse aufgrund des Gelenkmilieus anders ablaufen als extraartikuläre, kam man zu dem Schluss, das vordere Kreuzband (VKB) brauche eine Leitstruktur und womöglich eine dynamische Protektion, um nach einer Naht heilen zu können. Auf dieser Basis wurden Konzepte zur intraartukilären „Schienung“ (sog. „ligament bracing“) [11] und zur Heilungsunterstützung mittels biologisch augmentierter Scaffolds entwickelt [12].

Im Folgenden werden exemplarisch aktuelle Strategien der Band- und Meniskusrekonstruktion am Kniegelenk vorgestellt. Einige sind momentan Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Untersuchung und Diskussion.

Vorderes Kreuzband

Das vordere Kreuzband (VKB) nimmt einen großen Stellenwert in Bezug auf die Stabilität des Kniegelenks ein und ist daher seit jeher im Fokus orthopädisch-chirurgischen Interesses. In Abhängigkeit vom Beugegrad stabilisiert es das Kniegelenk gegen Rotationsbewegungen, Translationsbewegungen und Valgusstress. Analog dazu sind die Verletzungsmechanismen. Die VKB-Insuffizienz geht mit einer nicht unerheblichen Morbidität einher: Betroffene Patienten beklagen meist Einschränkungen der Sportfähigkeit und im Alltag, die Instabilität kann zu Meniskus- und Knorpelläsionen führen, die im Verlauf in eine Gonarthrose münden können.

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