Originalarbeiten - OUP 10/2012

Bildgebende Diagnostik bei Ischialgie – zu früh, zu viel, die Falsche?
Eine Analyse zum Einsatz von Schnittbildverfahren

F.A. Krappel1, H. Müller2, A. Krappel3, B. Seemann4, C. Baumgarten4

Hintergrund: Bildgebende Verfahren spielen eine zunehmende Rolle in der Diagnose und Behandlung von Rückenschmerzen und Ischialgie. Die Qualität der einzelnen Modalitäten wurde in den letzten Jahren herausgearbeitet und in die Leitlinien der Fachgesellschaften eingebunden. Ziel dieser Arbeit war herauszufinden, wieweit diese Leit-
linien umgesetzt werden, wann welche Bildgebung durchgeführt wird und von welchen Faktoren dies abhängt.

Patienten und Methode: Von 100 Patient/innen bis zum
Alter von 40 Jahren, die wegen akuter Rückenschmerzen und Ischialgie zur Klinik überwiesen wurden, wurden die erstellte Bild-gebung, das Alter, das Geschlecht, die Symptome (radikulär versus nicht radikulär), deren Dauer und die Intensität der Schmerzen erfasst.

Ergebnisse: Bei Aufnahme brachten 97 von 100 Patient/
innen bereits eine Röntgenaufnahme der LWS in 2 Ebenen mit. Überraschenderweise war bei signifikant mehr Patient/innen ein CT der LWS als eine MRT durchgeführt worden
(55 versus 29 Patient/innen). Alter, Geschlecht, Symptomatik (radikulär versus nicht radikulär), Dauer und Intensität der Symptome spielten keine signifikante Rolle bei der Entscheidung für CT oder MRT.

Schlussfolgerungen: Zur Diagnostik von akuten ischialgieformen Schmerzen wurde in der Praxis nach dem Röntgen häufiger ein CT als ein MRT der LWS durchgeführt, trotz der in der Literatur dokumentierten klaren Vorteile für das MRT, die sich auch in den Leitlinien widerspiegeln. Nach aktueller Studienlage wird dadurch ein Teil der Bevölkerung im fortpflanzungsfähigen Alter einem unnötigen, erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt. In allen Fällen von hartnäckigen Rückenschmerzen und Ischialgie sollte das MRT nach dem Röntgenbild an zweiter Stelle der Bildgebung stehen.

Schlüsselwörter: Rückenschmerzen, Diagnostik, bildgebende Verfahren, CT, MRT

Background: Imaging plays an increadinf role in the
diagnosis and treatment of back pain and sciatica. The quality of the different imaging modalities had been outlined in recent years and was bound into national guidelines.
Purpose of this study is to evaluate, how these guidelines have been adhered to, when and which modality is being used in practice and which factors determine its use.

Patients and methods: A total of 100 patients up to the age of 40 with acute lumbar and sciatic pain referred to our
hospital for further treatment had been assessed on
admission for: the type of imaging procedure already
performed, age, sex, symptoms (radicular versus non-radicular), duration and intensity of pain (VAS Score).

Results: On admission almost all (97 of 100) patients
presented with an x-ray of the lumbar spine (ap. and lateral). Surprisingly, a CT of the lumbar spine had been performed significantly more often before admission than an MRI scan (55 versus 29 patients). The factors age, sex, symptoms,
duration and intensity of pain did not play a significant role in the decision for CT or MRI.

Conclusion: CT still seems to be used more frequently than MRI on an outpatient prehospital basis for diagnosing acute back pain and sciatica despite the literature showing a clear advantage for MRI, reflected also in the national guidelines. In the light of the current evidence this puts a proportion of the population of childbearing age unnecessarily under the threat of an increased cancer risk. MRI should be the
imaging of choice in all cases of recalcitrant back pain and sciatica.

Keywords: back pain, imaging modalities, CT, MRI

Einleitung

Patienten mit ischialgieformen Rückenschmerzen stellen einen großen Teil der täglichen Arbeit des Orthopäden dar; die diagnostische Abklärung derselben ist daher von besonderem Interesse. Die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) dienen der Sicherung einer qualitativ hochwertigen Versorgung von Patienten, basierend auf der Evidenz der wissenschaftlichen Literatur. Gemäß AWMF-Leitlinienempfehlung führen bei unkomplizierten Kreuzschmerzen zusätzliche bildgebende Verfahren zunächst zu keinem diagnostischen Mehrwert, es wird eine Reevaluation bei Persistenz der Beschwerden bei radikulären Beschwerden über 1–2 Wochen, bei unkompliziertem Kreuzschmerz über 4 Wochen hinaus empfohlen [3, 4].

Die Erfahrung der letzten Jahre in unserer orthopädischen Klinik zeigt, dass bildgebende Verfahren bei vielen Patienten bereits vor der Zuweisung zur Klinik durchgeführt werden. Ziel dieser Arbeit war es, zu überprüfen, welche bildgebenden Verfahren und im Speziellen welches Schnittbildverfahren – ein CT oder ein MRT – durchgeführt werden. Weiterhin sollte überprüft werden, ob die Entscheidung für ein CT oder ein MRT von den Faktoren Alter, Geschlecht, Symptomatik (radikulär versus nicht radikulär), Dauer oder Intensität der Beschwerden abhängig ist.

Patienten und Methode

Ab dem 01.01.2010 wurden alle Patientinnen und Patienten fortlaufend erfasst, die mit akuter Lumbago und
Ischialgie (Dauer weniger als 3 Monate) regulär zur Wirbelsäulensprechstunde der Klinik für Orthopädie überwiesen wurden. Es wurden nur Patienten bis zum Alter von 40 Jahren in die Studie aufgenommen, nach 100 Patienten wurde eine virtuelle Grenze gesetzt und gestoppt. Notfälle und Patienten mit echten neurologischen Ausfällen wurden ausgeschlossen. Erfasst und zur Auswertung herangezogen wurden die Faktoren Alter, Geschlecht, Symptomatik (radikulär – nicht radikulär), die Dauer (Wochen) und die Intensität der Schmerzen (VAS = Visuelle Analog Skala, 0 = kein Schmerz und 10 = maximal vorstellbarer Schmerz), sowie die vorhandene Bildgebung (Röntgen, CT, MRT etc.).

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