Übersichtsarbeiten - OUP 12/2017

Bildgebung: Was wirklich nötig ist*

Rainer Braunschweig1, Andreas H.H. Tiemann2

Zusammenfassung: Gelenkinfekte stellen grundsätzlich einen klinischen Notfall dar. Die Bildgebung ist daher in der Akutdiagnostik wesentlich. Sie liefert art- und differenzialdiagnostische Hinweise, objektiviert den Befall unterschiedlicher Gelenk-Kompartimente und stellt damit wesentliche operationstaktische Indikationskriterien und -überlegungen zur Verfügung.

Während der Therapie dokumentiert die Bildgebung den Sanierungsverlauf bzw. das morphologische „Schadens“-bild nach Gelenkinfekt.

Zum Einsatz kommt grundsätzlich die Projektionsradiographie (Röntgen) in 2 Ebenen, um den ossären Status quo zu erheben. Eine akute Infektion kann, teilweise mit beweisender Bedeutung, nur mittels Kernspintomografie hinsichtlich aller Fragestellungen umfassend eingeordnet werden. Es stehen standardisierte Untersuchungsprotokolle zur Verfügung.

Wesentlich ist die klinische Fragestellung an die Bildgebung. Die Befunde sollten interdisziplinär (Klinik, Labor, Verlauf) bewertet und differenzialdiagnostisch eingeordnet werden.

Fakultativ können Ultraschall (Verlaufsbeurteilungen von Kompartmentergüssen) und die PET-CT (Implantatlagen und ggf. zur Ausbreitungsdiagnostik bei multiplen Gelenkbefunden bzw. unklarem Fokus/Fieber) hinzugezogen werden.

Die Computertomografie kann ossäre Destruktionen (Rezidive, Verlaufsuntersuchung) überlagerungsfrei darstellen und stellt zudem eine wesentliche diagnostische und therapeutische Brücke mittels bildgebend gestützten Kompartmentpunktionen zur operativen Therapie dar.

Schlüsselwörter: Gelenkinfekte, Bildgebung, Diagnostik,
morphologisches Schadensbild, interdisziplinäre Evaluation,
ossärer Status quo

Zitierweise
Braunschweig R, Tiemann AHH: Bildgebung: Was wirklich nötig ist.
OUP 2017; 12: 602–607 DOI 10.3238/oup.2017.0602–0607

Summary: Joint infections are basically a clinical emergency. Therefore, imaging is essential in acute diagnosis. It provides differential diagnostic references, objectivizes the involvement of different joint compartments, and thus provides important criteria and considerations for the best surgical treatment. During the course of the therapy, the imaging documents the repair process or the morphological „damage“ after joint infections. Basically, projection radiography (X-ray) is used in two planes to elevate the osseous status quo. An acute infection can be comprehensively classified, in part with a proving importance, only by means of magnetic tomography with regard to all questions. Standardized examination protocols are available. Essential is the clinical question of imaging. The findings should be evaluated interdisciplinarily (clinic, laboratory, course) and classified in a differential diagnosis.

Optionally, ultrasound (follow-up assessments of compartmental effusions) and PET-CT (implant positioning and, if necessary, for propagation diagnosis in multiple joint findings or unclear focus/fever) can be added. Computed tomography can represent osseous destruction (recurrence, follow-up examination) without any superposition, and is also an essential diagnostic and therapeutic bridge by means of image-assisted compartment punctures for operative therapy.

Keywords: joint infections, imaging, diagnostics, morphologic damage, interdisciplinary evaluation, osseous status quo.

Citation
Braunschweig R, Tiemann AHH: Imaging: what is really necessary?
OUP 2017; 12: 602–607 DOI 10.3238/oup.2017.0602–0607

Einleitung

Der klinische Verdacht einer bakteriellen Gelenkinfektion ist grundsätzlich als Notfall einzustufen [11]. Neben der klinischen Untersuchung und den Laborparametern (klinische Chemie, ggf. Mikrobiologie) kommt der Bildgebung ein wesentlicher Beitrag in der Diagnosestellung einerseits und der Auswahl des adäquaten Therapieregimes (Operation vs. konservative Behandlung) andererseits zu [11]. Im Verlauf leistet die Bildgebung einen Beitrag in der Dokumentation der Befundsanierung.

Die Auswahl des geeigneten bildgebenden Verfahrens wird wesentlich durch die klinische Fragestellung bestimmt. Hierzu ist im Akutfall das interkollegiale Gespräch nachdrücklich zu empfehlen. Sowohl hinsichtlich der Untersuchungstechnik (z.B. Röntgen in 2 Ebenen, Kernspintomografie), der einzusetzenden Untersuchungsprotokolle (s. Homepage der AG BVB der Deutschen Röntgengesellschaft) als auch der Befundinterpretation kann die zuweisende Fachdisziplin umfassende Expertisen seitens der bildgebenden Diagnostik erwarten und leitliniengerechte standardisierte Untersuchungsverfahren nutzen (s. AWMF-Registernummer: 131/001: S2k-Leitlinie zur „Osteomyelitis der langen Röhrenknochen des Erwachsenen“/ im Druck ).

Für die fakultativen Verfahren Ultraschall und PET-CT ist dies weniger eindeutig. Die Sonografie wird vorrangig im Befundverlauf eingesetzt und hängt bekanntermaßen sehr vom individuellen Erfahrungsstand des Untersuchers ab [4]. Intraartikuläre Ergüsse bzw. parakompartimentelle Liquidationen sind einfach und treffsicher nachweisbar. Die Artdiagnostik ist hingegen regelhaft nicht zu führen.

Bei Gelenkimplantaten steht mit der PET-CT ein hochsensitives Alternativverfahren zur Verfügung, dass artefaktunabhängig den ossären und Gelenkbinnenraum-Reaktionszustand darstellt. Die Spezifität ist weniger verlässlich [3, 6, 8].

Die Sensitivität zum Nachweis entzündlicher Gelenkveränderungen ist in den Einzelverfahren unterschiedlich, jedoch bei Kombination mindestens zweier Verfahren (Röntgen, MR; ggf. PET-CT) auf über 90 % gesichert [4, 11]. Die Einzelverfahren (MR, PET und PET-CT) erreichen ebenfalls Werte über 90 %. Die Computertomografie liegt je nach Studiendesign und Fallzahlen zwischen 50 und über 80 %.

Die Spezifitäten sind unterschiedlich (regelhaft bei ca. 80–90 %) [6, 11]. Hier ist auf die Verwendung aktueller Untersuchungsprotokolle und die Expertise des Befunders zu setzen. Differenzialdiagnostische Überlegungen (z.B. nicht-bakterielle Synovialitiden) können anhand von bildgebungsassoziierten Einzelkriterien (Synovialkonfiguration; Pigmentierung etc.) [1] geführt und ggf. durch Histopathologie belegt werden [5].

Nachfolgend geben wir einen Überblick über die Untersuchungsmethodik, die Befunddetails und Diagnosekonstellationen. Damit möchten wir eine sowohl für die Akutdiagnostik als auch Verlaufskontrolle pragmatisch handhabbare Untersuchungstechnik in der Bildgebung empfehlen, die klinische Verdachtskriterien stützt oder relativiert und damit die Diagnosestellung sichert. Hieran orientierte Therapiekonzepte können gesichert werden.

Bildgebung bei
Gelenkinfekten

Projektionsradiografie
in 2 Ebenen (Röntgen):

Die Projektionsradiografie in 2 Ebenen steht grundsätzlich am Ausgangspunkt jeder bildgebenden Diagnostik des Bewegungsapparats. Wesentliches Ziel ist die Erhebung des Status quo.

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