Medien - OUP 03/2012

Chirurgie der Hand – Der Notfall
Michael Merle, Gilles Dautel, Stefan Rehart (Hrsg.): Chirurgie der Hand – Der Notfall. 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Georg Thieme, Stuttgart 2012, 31 x 23 cm, 388 Seiten, 1000 Abb., ISBN 978–3–13–106572–8, 199,99 €

Handverletzungen sind oft schwerwiegend und können das weitere Leben des Patienten in entscheidender Weise beeinflussen.

Im Gegensatz zu degenerativen oder rheumatischen chronischen Erkrankungen, müssen bei Verletzungen rasch die Weichen für die richtige Versorgung gestellt werden, einschließlich der Entscheidung, den Patient in ein Zentrum notfallmäßig zu verlegen.

Das Buch, das zum ersten Mal 1992 erschienen ist, widmet sich in seiner aktualisierten 2. Auflage in anerkennender Weise der Aufgabe, die komplexen Verletzungsmuster in ihrer Vielseitigkeit darzustellen und dem behandelnden Arzt sofort richtungsweisende Informationen zu geben. Daneben bietet es aber allein durch seinen Umfang die Möglichkeit, sich in ruhigen Stunden umfassend über die Verletzung mit ihrer Diagnostik, Behandlung und Prognose zu informieren.

Die Aspekte der Handverletzungen werden in 18 Kapiteln dargestellt. Im ersten werden die regionalen Anästhesieverfahren der oberen Extremität besprochen. Auch wenn im Regelfall die Leitungsanästhesien durch Anästhesisten durchgeführt werden, so kann es im Notfall durchaus vorkommen, dass auch der Erstbehandler am Unfallort eine Anästhesie durchführen muss, außerdem ist periphere Leitungsanästhesie in der Hand des Operateurs sinnvoll. Äußerst liebevoll werden in den anschaulichen Bildern die Verläufe der Nerven mit ihren gezielten Blockaden dargestellt.

In den Kapiteln 2 bis 4 werden Grundsätze besprochen, die vor operativen Maßnahmen dem Therapeuten klar sein müssen: wie die Mikrozirkulation, die Wirkung von vasoaktiven Medikamenten, der Bedarf an mikrochirurgischen Instrumenten und die Analyse des Verletzungsausmaßes, was die Therapieplanung entscheidend bestimmt.

In den weiteren Kapiteln stehen Schwerpunkte der Verletzungsmuster im Vordergrund. So werden die Anatomie, die Befundung, die Röntgenuntersuchungen und die Therapie im Schweregrad ansteigend zunächst im Sinne von Distorsion, Luxation, Luxationsfrakturen und Frakturen der Mittelhandknochen bis zu den Phalangen diskutiert. Außerordentlich gut gelungen sind die zahlreichen intraoperativen Fotografien von den Metakarpalgelenken, ergänzt mit sehr plastischen Zeichnungen. Auch werden anschauliche Fotografien der verletzten Hände mit ihren postoperativen Orthesen mit den entsprechenden Kommentaren für die Behandlung abgebildet.

Bei den Luxationsfrakturen wird ausführlich auf die Klassifikation und auf Begleitverletzungen eingegangen.

Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit dem Problem der Revaskularisation mit den Möglichkeiten der operativen Rekanalisation.

Ein sehr ausführliches Kapitel widmet sich den Substanzverlusten an Hand und Fingern. Das die beschriebenen Möglichkeiten nicht nur theoretischer Natur sind, beweisen die außerordentlich ausdrucksstarken Fotografien der verletzten Händen mit den intraoperativen verschiedenartigsten Lappenplastiken bis hin zu freien oder gefäßgestielten Lappen.

In zwei eigenen Kapiteln werden die Verletzungen der Beuge- und Strecksehnen abgehandelt. Es wird zunächst die topografische Anatomie besprochen mit den wichtigen Zonen, dann die Physiologie der Sehnenheilung, die subtilen Aspekte der klinischen Untersuchung gefolgt von den Möglichkeiten der Sehnennaht bis hin zu Sehnentransposition oder Sehnentransplantation. Das Kapitel schließt auch wieder mit den Fotos der postoperativen Orthesen ab, die das Prinzip der Nachbehandlung sofort veranschaulichen.

In einem kleineren Abschnitt werden die Aspekte der Amputation besprochen, wieder mit instruktiven Schemazeichnungen.

Ebenfalls sehr liebevoll wird die Möglichkeit der Behandlung von Nagelverletzungen, wieder reichlich bebildert, dargestellt, auch in dem Bewusstsein, dass hier die Kosmetik eine besondere Rolle spielt.

In der Abhandlung der Nervenverletzungen werden wieder ausführlich die Physiologie, die chirurgische Anatomie und auch die Versorgungsmöglichkeiten dargestellt. Kritisch werden die Ergebnisse im Verlauf der Jahre beurteilt.

Das große Gebiet der Finger- und Handreplantation wird in zwei Kapiteln außerordentlich profund dargestellt. Allein deswegen lohnt es sich für die Ärztinnen/Ärzte, die sich diesen schweren Verletzungen annehmen müssen, das Buch in die Hand zu nehmen. Hier spielt insbesondere die Zeit eine entscheidende Rolle. Aus diesem Grund wird auch auf die Beförderung des Amputates hingewiesen. In der Besprechung der Therapiemöglichkeit werden die Anastomoseverfahren der Gefäße genau dargestellt. Als Randkapitel wird die Möglichkeit einer Fingerbank erörtert.

Zum Abschluss wird — auch wieder mit schönen Fotos dokumentiert — auf die Wichtigkeit hingewiesen, die die Verbandstechnik für die verletzte Hand beinhaltet.

Im Zusammenhang mit dem übersichtlich farbig abgehobenen Inhaltsverzeichnis und dem Sachverzeichnis am Ende gelingt es leicht, die Behandlung eines gezielten Problems aufzufinden.

Als einziger Mangel des Buches könnte man anführen, dass das wichtige Gebiet der Handinfektionen nicht mit einem eigenen Kapitel gewürdigt wird, stellen doch insbesondere Phlegmone eine absolute Notfallsituation dar.

Zusammengefasst handelt es sich allein durch die reichhaltige fotografische Dokumentation intraoperativer Befunde und Therapien sowie die liebevoll gestalteten Schemazeichnungen in hervorragender Farbgebung um ein außerordentlich ansprechendes Buch, das man in die Hand nimmt, durchblättert und so schnell nicht wieder hergeben möchte. Es handelt sich um einen sehr wertvollen Band für Ärztinnen/Ärzte, die sich mit der verletzten Hand befassen, unabhängig vom Ausbildungsstand oder der Position, die man in der Versorgungskette inne hat. Man kann den Herausgebern und den beteiligten Autoren nur für dieses schöne Sachbuch gratulieren!

B. Mai, Kassel

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