Arzt und Recht - OUP 04/2021

Die Fernbehandlung von Privatpatienten
Grundsätzliche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

Heiko Schott

Im Gegensatz zu kassenärztlichen Voraussetzungen der Fernbehandlung im Rahmen der Videosprechstunde (Anlage 31b BMV-Ä) erscheinen die Anforderungen bei Privatversicherten deutlich überschaubarer. Die Telematikinfrastruktur mit Software- und Qualitätssicherungsvoraussetzungen greift grundsätzlich nicht ein bei der Behandlung von Privatpatienten. Dennoch sind verschiedene zwingende Aspekte zu beachten. Dieser Artikel soll einen generellen Überblick über die Implementierung und Organisation der privatärztliche Fernbehandlung gewähren.

Der 121. Deutsche Ärztetag in Erfurt hat eine Neufassung des § 7 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) beschlossen und damit den berufsrechtlichen Weg für die ausschließliche Fernbehandlung von Patientinnen und Patienten geebnet.

Die vom Deutschen Ärztetag beschlossene MBO-Ä gewährleistet, dass trotz landesgesetzlicher Kompetenz ein weitgehend einheitliches ärztliches Berufsrecht besteht. Die MBO-Ä ist in den Ländern aber kein geltendes Recht. Erst durch die Umsetzung in den regionalen Berufsordnungen der Landesärztekammern werden die Regelungen rechtswirksam für die Mitglieder.

§ 7 Abs. 4 MBO-Ä lautet:

„Ärztinnen und Ärzte beraten und behandeln Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.“

Überprüfen Sie daher zunächst die Umsetzung in der für Sie regional geltenden Berufsordnung. In Nordrhein beispielweise wurde die Regelung der MBO-Ä wortgleich übernommen.

Kommunikationsmedien in diesem Sinne sind alle Kommunikationsmittel, die zur ärztlichen Beratung und Behandlung eingesetzt werden können, ohne dass die Ärztin oder der Arzt und die Patientin oder der Patient gleichzeitig körperlich anwesend sind wie z. B. Telefonanrufe, E-Mails, Videotelefonie etc.. Während bspw. die Beratung per E-Mail durch die Bundesärztekammer nach Ziffer 1 analog abrechenbar erscheint, wurde von dort die Beratung via Chat und/oder SMS ausgeschlossen1 . Die folgenden Ausführungen orientieren sich an den o.a. Formulierungen in der MBO-Ä.

I. Datenschutz

Aufgrund des Umstandes, dass die Anwendung der Datenschutzgrundverordnung nicht disponibel ist, ist zwingend darauf zu achten, einen Videodienst zu wählen, der ein in Deutschland zulässiges Tool nach DSGVO darstellt (Sitz des Anbieters, Verschlüsselung etc.).

II. Aufklärung und Einwilligung

Neben dem medizinischen Aspekt ist der Patient über die Datenerhebung und -verarbeitung aufzuklären. Selbstredend muss sodann eine hierauf gerichtete Einwilligung vorliegen.

Zudem ist in § 7 MBO-Ä (s.o.) vorgesehen, dass der Patient über die Besonderheiten der Beratung und Behandlung im Wege der Kommunikationsmedien aufgeklärt wird. Im Unterschied zur herkömmlichen Beratung und Behandlung im unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt sind mögliche Risiken einzukalkulieren, die mit der ausschließlichen Kommunikation von Ärztin/Arzt und Patientin/Patient über Medien verbunden sein können. Gerade mit Blick auf mögliche Haftungsrisiken ist im Rahmen der Einzelfallprüfung die Gefahr eines möglichen Informationsdefizits oder gar Informationsverlusts besonders zu berücksichtigen. An dieser Stelle sei die Gefahr im Hinblick auf Diagnose- und/oder Befunderhebungsfehler ausdrücklich hervorgehoben.

III. Identifikation des Patienten

Bei jeder Fernbehandlung gilt, dass der Arzt die sichere Identifikation des Patienten sicherstellen muss.

Während bei bekannten Patienten durchaus, mit entsprechender Dokumentation, ein Abgleich mit dem im Praxisverwaltungssystem hinterlegten Daten genügen kann, muss die Identität von unbekannten Patienten grundlegend verifiziert werden. Orientierung hierfür bieten die Vorgaben, die für unbekannte gesetzlich versicherte Patienten gelten (Name der Krankenkasse, Versichertennummer, Versichertenart, Name, Vorname, Geburtsdatum des Versicherten, vollständige Adresse).

Ebenfalls in Analogie zu gesetzlich versicherten Patienten, die ihre Gesundheitskarte in einer Videosprechstunde in die Kamera halten, könnten Patienten in einer privaten Videosprechstunde ihren Personalausweis zur Identifikation vorzeigen. Da eine Aufzeichnung der Videosprechstunde von beiden Seiten nicht erlaubt ist, empfiehlt sich in diesem Zusammenhang beispielsweise die Notiz der Personalausweisnummer in der Dokumentation.

IV. Grundsätzliche Einsatzmöglichkeit von
Kommunikationsmedien

Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 MBO-Ä bleibt grundsätzlich definiert, dass Ärztinnen und Ärzte Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt beraten und behandeln. Hierunter ist die gleichzeitige physische Anwesenheit zu verstehen. § 7 Abs. 4 Satz 2 MBO-Ä stellt dann klar, dass die Kommunikationsmedien den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt grundsätzlich ergänzen und nicht ersetzen. Ärztinnen und Ärzte dürfen unterstützend über Kommunikationsmedien ärztlich beraten und behandeln, soweit mindestens einer oder einem an der Behandlung beteiligten Ärztin oder Arzt die Patientin oder der Patient sowie der krankhafte Zustand bzw. die Beschwerden aufgrund einer persönlichen Untersuchung bekannt sind. Auch darf eine in unmittelbarem Arzt-Patienten-Kontakt begonnene Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien fortgesetzt werden.

Hintergrund hierzu ist, dass nach der oben erwähnten Definition Ärztinnen und Ärzten zunächst ermöglicht ist, sich mit Hilfe aller Sinne und unter Einsatz der vor Ort vorhandenen apparativen Ausstattung ein unmittelbares und umfassendes Bild ihrer Patientinnen und Patienten zu verschaffen und lediglich eine Fortsetzung der Beratung, oder Behandlung mittels Kommunikationsmedien erfolgt.

Neu im Sinne der hier gegenständlichen Regelung ist jedoch im Rahmen der Regelung des § 7 Abs. 4 Satz 3 MBO-Ä, dass auch eine ausschließliche Fernbehandlung in Einzelfällen ermöglicht wird. Hier ist der Wortlaut der Vorschrift völlig exakt zu beachten, da der Anwendungsrahmen bewusst eng gesteckt wird. Bereits durch die Erwähnung des „Einzelfalls“ wird bestimmt, dass Praxis- und/oder Geschäftsmodelle unzulässig sein sollen, die auf ausschließliche Beratung und Behandlung mittels Kommunikationsmedien abstellen. Darüber hinaus muss die ausschließliche Beratung und/oder Behandlung über Kommunikationsmedien konkret ärztlich vertretbar sein und von der erforderlichen ärztlichen Sorgfalt getragen werden. Ob eine Behandlung und/oder Beratung im Wege von Kommunikationsmedien ärztlich vertretbar ist, hängt absolut konkret davon ab, ob sich der Behandelnde im Einzelfall einen ausreichenden Eindruck vom Gesundheitszustand des Patienten verschaffen kann und die Erkrankung und die zur Verfügung stehenden Methoden eine Versorgung des Patienten lege artis überhaupt zulassen.

V. Abrechnung

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