Übersichtsarbeiten - OUP 05/2021

Die lumbale Spinalkanalstenose – Überblick

Florian Völlner, Achim Benditz

Zusammenfassung:
Die lumbale Spinalkanalstenose stellt ein häufiges Krankheitsbild im Alter dar und wird aufgrund der sich verändernden Altersstruktur einerseits und des zunehmenden Anspruchs der Patienten an die Mobilität andererseits an Bedeutung zunehmen. Leitsymptom ist die Verkürzung der Gehstrecke mit einer Claudicatio spinalis. Ursache ist eine Einengung des Spinalkanals, meist durch degenerative Veränderungen. Goldstandard zur Diagnostik ist die Kernspintomographie. Therapeutisch sollte zunächst ein konservativer, am besten multimodaler Therapieansatz, unternommen werden. Stärkere Schmerzen mit ausgeprägter Claudicatio spinalis-Symptomatik und/oder erfolgloser konservativer Therapie sollten operativ therapiert werden. Ziel aller angewandten Operationsverfahren ist die Dekompression des Spinalkanals, ohne dabei die Stabilität des Bewegungssegments zu gefährden. Eine zusätzlich vorliegende Instabilität im Bewegungssegment kann eine Fusion notwendig machen.

Schlüsselwörter:
Lumbale Spinalkanalstenose, Lumboischialgie, Claudicatio spinalis, Endoskopische Dekompression, Mikrodekompression, Spondylodese

Zitierweise:
Völlner F, Benditz A: Die lumbale Spinalkanalstenose - Überblick.
OUP 2021; 10: 203–206
DOI 10.3238/oup.2021.0203–0206

Summary: Lumbar spinal stenosis is common in old age and will become more important due to the changing age structure on the one hand and the increasing demands of patients on mobility on the other. The main symptom is the shortening of the walking distance with spinal claudication. The cause is a narrowing of the spinal canal, usually due to degenerative changes. Magnetic resonance imaging is the gold standard for diagnostics. Basically, the treatment should be started with a conservative, best multimodal approach. Increased pain with neurogenic claudication symptoms and unsuccessful conservative treatment should be treated surgically. Goal of all surgical procedures is to decompress the spinal canal without compromising the stability of the motion segment. This can also make an additional fusion necessary.

Keywords: Lumbar spinal stenosis, Sciatica, Neurogenic claudication, Full endoscopic decompression, Microdecompression, Spinal Fusion

Citation: Völlner F, Benditz A: Lumbar spinal stenosis - overview.
OUP 2021; 10: 203–206. DOI 10.3238/oup.2021.0203–0206

Florian Völlner, Achim Benditz: Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Asklepios Fachkrankenhaus Bad Abbach

Definition und Ätiologie

Die lumbale Spinalkanalstenose ist definiert als Einengung des Spinalkanals mit Bedrängung der neuronalen Strukturen. Ätiologisch werden primäre Stenosen wie z.B. ein konstitutionell eng angelegter Spinalkanal, die Achondroplasie oder kongenitale Formations- und Segmentationsstörungen, von den sekundären Stenosen infolge von degenerativen Veränderungen, einer epiduralen Lipomatose, Deformitäten, aber Folgen eines Traumas, Infektion oder postoperativen Vernarbungen unterschieden. Die häufigste Entität stellt jedoch die degenerative Spinalkanalstenose dar.

Epidemiologie

Die degenerative lumbale Spinalkanalstenose stellt ein häufiges Krankheitsbild im Alter dar. Die Inzidenz beträgt etwa 5/100.000 Einwohner [4]. Verlässliche Zahlen für Deutschland existieren jedoch nicht. Aufgrund der sich verändernden Altersstruktur, aber auch durch den zunehmenden Anspruch der Patienten an die Mobilität wird die Spinalkanalstenose an Bedeutung zunehmen.

Anatomie und Pathogenese

Anatomisch unterscheidet man zwischen einer zentralen, einer lateralen im Rezessus gelegenen und der foraminalen Stenose, die auch zu einer unterschiedlichen Klinik führen. Während zentrale Stenosen die gesamte Cauda equina einengen und damit diffuse Beinbeschwerden hervorrufen, bedrängen Rezessus- oder Neuroforamenstenosen zumeist nur eine Nervenwurzel. Klinisch zeigen Patienten daher eine radikuläre Symptomatik (Abb. 1).

Pathogenetisch liegen bei der häufigsten Form der Spinalkanalstenose - der degenerativen Spinalkanalstenose - Alterungsprozesse an der Bandscheibe zugrunde. Sie führen zu molekularen Veränderungen der extrazellulären Matrix und Schwächung des Anulus fibrosis. Die dadurch bedingte Höhenminderung der Bandscheibe führt direkt zur Protrusion oder „bulging“ und somit zu einer Einengung des Spinalkanals von ventral. Indirekt führt diese zugleich zu einer vermehrten Belastung der Facettengelenke und Fältelung des Ligamentum flavum. Die Zunahme dieser mechanischen Belastung führt wiederum zur Hypertrophie der Gelenkkapsel und knöchernen Anbauten an den Facettengelenken. Dies bedingt wiederum eine Einengung des Spinalkanals [5].

Pathophysiologisch haben alle diese Veränderungen die Kompression der nervalen Strukturen sowie der intraspinalen Gefäße im Bereich der Cauda equina gemeinsam. Die Folgen der Nervenkompression sind noch nicht endgültig geklärt. Bekannt ist die Entstehung einer Radikulitis, welche entlang der Nervenwurzel eine Veränderung von Neurotransmittern bewirkt [2]. Außerdem wird diskutiert, dass zum einen eine arterielle Minderdurchblutung für die Entstehung der typischen Beinschmerzen bei Belastung (Claudicatio spinalis) verantwortlich ist und zum anderen der venöse Stau zur Zunahme der Stenose und einer sekundären Minderperfusion führt [1].

Klassifikation

Neben der anatomischen Lokalisation (Unterscheidung zwischen einer zentralen, einer rezessalen und foraminalen Stenosen (Abb. 1) hat sich klinisch die Klassifikation nach Schizas et al bewährt (Abb. 2) [3]. Sie teilt die Stenose anhand der Lage der Nervenwurzeln im Duralsack, der Kompression des Duralsackes selbst und anhand der epiduralen Fettes ein. Sie ermöglicht eine Einschätzung auf das Ansprechen etwaiger konservativer Maßnahmen.

Anamnese und Klinik

Das spezifische klinische Symptom der Spinalkanlstenose ist die Claudicatio spinalis. Patienten berichten von einer variablen Verkürzung der Gehstrecke mit belastungsabhängigen Beinschmerzen, einer Müdigkeit, Schwere oder Schwäche, sowie von Parästhesien in den Beinen. Vor allem das Gehen und Stehen ist beschwerlich, Sitzen und Liegen wird dagegen als angenehm empfunden. Das Schieben eines Einkaufswagens, Fahrradfahren und Bergaufgehen wird aufgrund der vermehrten Kyphosierung der Lendenwirbelsäule als entlastend beschrieben, das Bergabgehen und vermehrte Lordosierung als schmerzverstärkend.

Die wichtigste Differenzialdiagnose stellt die Claudicatio intermittens dar. Sie beschreibt einen Symptomkomplex aufgrund einer Minderperfusion der Beinmuskulatur. Klinisch präsentieren Sie die Patientengruppen ähnlich, jedoch sind bei der Claudicatio intermittens die Beinbeschwerden durch die Oberkörpervorlage, d.h. durch eine Entlordosierung nicht beeinflussbar und führt zu trophischen Störungen der Haut.

Körperliche Untersuchung

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