Übersichtsarbeiten - OUP 05/2014

Die Rehabilitation nach Beugesehnenverletzungen der Hand

M. Langer1

Zusammenfassung: Die postoperative Weiterbehandlung ist für die Ergebnisse der Beugesehnenchirurgie von zentraler Bedeutung. Zahlreiche Details der speziellen handtherapeutischen Behandlung, der Sehnenheilung und der Biomechanik der Beugesehnen müssen bekannt sein, um Misserfolge zu vermeiden und die Greiffunktionen der ganzen Hand möglichst gut wiederherzustellen.

Schlüsselwörter: Nachbehandlung, Weiterbehandlung, Beugesehnen, Biomechanik

Zitierweise

Langer M. Die Rehabilitation nach Beugesehnenverletzungen der Hand.
OUP 2014; 5: 220–224. DOI 10.3238/oup.2014.0220–0224

Abstract: The post-operative treatment in flexor tendon surgery of the hand has a central importance. A large amount of details of special hand-therapeutic treatment, tendon healing and biomechanical aspects of flexor tendon must be known to avoid adhesions or tendon ruptures and restore hand function as good as possible.

Keywords: rehabilitation, flexor tendon surgery, splints, biomechanics

Citation

Langer M. Rehabilitation of flexor tendon injuries.
OUP 2014; 5: 220–224. DOI 10.3238/oup.2014.0220–0224

„Wer zum Messer greift, um eine orthopädische Operation auszuführen, der übernimmt damit die moralische Verpflichtung, die Nachbehandlung in exakter Weise durchzuführen. Wer dieser speziellen Forderung aus Mangel an Begabung, an Neigung, an Zeit nicht gerecht werden kann, wem die dazu nötigen Einrichtungen fehlen, der lasse korrekterweise die Hand vom Messer.“ (Oskar Vulpius, Adolf Stoffel: Vorwort zu „Orthopädische Operationslehre“ [1]).

Der vom Begründer der modernen Handchirurgie Sterling Bunnell (1882– 1957) vor fast 100 Jahren geprägte Begriff des „Niemandslands“ im Zusammenhang mit der Beugesehnenchirurgie [2] ist weithin bekannt. Gemeint ist mit „Niemandsland“ oder „no-man´s land“ ein Bereich an den Fingern und der distalen Hohlhand (vom A1- bis zum A4- Ringband), in der Niemand versuchen sollte eine durchtrennte Beugesehne zu nähen. Zur damaligen Zeit waren die Ergebnisse von Beugesehnennähten in dieser Zone extrem schlecht, sodass es absolut richtig war, vor dieser Operation zu warnen.

Sterling Bunnell schrieb, dass es besser sei, die Beugesehne später zu transplantieren, als die durchtrennte Beugesehne primär zu nähen. Wie eine Studie aus dem Jahre 1955 aus Skandinavien von Hauge [3] bestätigte, hatten 98,9 % der Patienten mit Beugesehnennähten im Niemandsland schlechte Ergebnisse. Grund für die schlechten Ergebnisse waren die Verklebungen der Sehnen im engen osteofibrösen Kanal der Finger, der durch den Knochen der Fingerglieder und die Ringbänder gebildet wird. Die Sehnen mussten zwangsläufig verkleben, da die Sehnennaht grundsätzlich im Gipsverband ruhiggestellt wurde. Trotz Verwendung von äußerst stabilen Nähten (sogar Stahlnähten) kam es bei aktiven Bewegungen der Beugesehnen fast immer zu Rupturen an der Nahtstelle. Es war einer der größten Quantensprünge in der Medizingeschichte in der Chirurgie des Bewegungsapparats, als nur 12 Jahre später im Jahre 1967 Harold Kleinert (1921–2013) sein Verfahren der Nachbehandlung von Beugesehnennähten im Niemandsland mit 87 % guten und sehr guten Ergebnissen veröffentlichte [4]. Das Revolutionäre an der Nachbehandlung von Kleinert war einfach nur das passive Gleiten der Beugesehnen durch eine aktive Streckung der Finger durch die unverletzten Strecksehnen und eine passive Beugung der Finger durch Gummizügel. Die Hand befindet sich dabei in einer gebeugten Stellung zur Entlastung der Beugesehnennähte.

Das Konzept der Nachbehandlung von Beugesehnenverletzungen von Kleinert ist bei allen Weiterentwicklungen und Neuentwicklungen im Wesentlichen gleich geblieben. Viele Versuche einer aktiven Nachbehandlung mit stabileren Nahttechniken (4-Strang, 6-Strang) und besseren Nahtmaterialien wurden abgebrochen, weil die Rate der Rerupturen zu stark anstieg. Ohne Zweifel ist die aktive Nachbehandlung immer noch das Ziel. Die Sehnen haben bei einer aktiven Flexion den größten Bewegungsumfang und damit die geringste Verklebungsgefahr. Bei weitem ist aber nicht jeder Patient für eine aktive Nachbehandlung geeignet, und auch bei intelligenten, kooperativen Patienten kann bei einer aktiven Beugung die Sehnennaht eher reißen, als bei einer rein passiven Bewegung. Da die Dauer einer normalen Nachbehandlung nach einer einfachen unkomplizierten Beugesehnennaht etwa 12 Wochen bis zur annähernden Vollbelastung beträgt, stellt eine Ruptur der Nahtstelle für den Patienten eine mittlere Katastrophe dar, da sich nicht nur die Dauer bis zur Vollbelastung verdoppelt oder sogar noch weiter verlängert, sondern sich auch die Ergebnisse des Revisionseingriffs deutlich verschlechtern.

Heute sind zahlreiche Details und Tricks der operativen Versorgung, aber auch der Nachbehandlung bekannt, die bei der Behandlung von Beugesehnenverletzungen beachtet werden sollten. Im Folgenden sollen die wichtigsten Punkte der Nach- und Weiterbehandlung unabhängig vom Nachbehandlungsregime herausgestellt werden:

1. Genaue Information des Patienten

Dies ist einer der wichtigsten Punkte überhaupt. Den überwiegenden Anteil der Übungen muss der Patient ohne Handtherapeuten oder Arzt durchführen. Der Patient muss daher genau darüber informiert werden, welche Bewegungen er aktiv und welche Bewegungen er passiv machen darf oder muss. Er muss über die Lagerung der Hand genauso informiert werden wie über die Kräfte bei der aktiven Bewegung und vor allem über das Bewegungsausmaß bei den passiven Übungen und die Häufigkeit der Übungen. Diese Punkte werden weiter unten detailliert erläutert.

2. Art der Schiene

Für die generell streckseitig angebrachten Schienen können verschiedene Materialien verwendet werden. Es sollten nicht zu schwere, aber trotzdem stabile Materialien verwendet werden. Hierfür eignen sich Gips, Kunststoffharz-Polyester-Schienen (Cast-Schienen), thermoplastische Schienen oder vorgefertigte einstellbare Kleinert-Schienen mit eingebauten einstellbaren Federzügen (OPED VACOhandflex). Die vorgefertigten Schienen können wesentlich schneller angelegt oder für Wundkontrollen oder spezielle handtherapeutische Übungen vorübergehend abgebaut werden.

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