Informationen aus der Gesellschaft - OUP 06/2014

Die Sicherheit stand klar im Fokus
62. Jahrestagung der VSOU in Baden-Baden

Das wissenschaftliche Programm der 62. VSOU-Jahrestagung bot den Teilnehmern ein abwechslungsreiches Programm. Nicht nur die operativen Verfahren standen dabei im Blickpunkt, auch konservative Therapie-Optionen fanden Berücksichtigung.

Auch inhaltlich zeigte der Kongress die klare Handschrift der Kongresspräsidentin Prof. Dr. Andrea Meurer aus Frankfurt. Der Kongresspräsidentin, das hatte sie bereits in ihrer Ansprache zur Eröffnung am ersten Kongresstag im Kurhaus formuliert, war es besonders wichtig, das Grundbedürfnis der Patienten nach Sicherheit in den Fokus der 3 Kongresstage zu stellen. Neben der Patientensicherheit, bei der es um die Vermeidung von Komplikationen und Infektionen gehe, waren ihr insbesondere ältere Menschen in der Orthopädie und Unfallchirurgie, die Behandlung von Kindern sowie die Revisionschirurgie wichtige Schwerpunkte, die immer wieder in Baden-Baden Beachtung fanden.

Doch nicht nur die Sicherheit der Patienten ist zu gewährleisten, betonte Meurer, sondern auch deren Vertrauen sollte wieder zurück gewonnen werden. Denn gerade das Vertrauensverhältnis Arzt-Patient sieht die Kongresspräsidentin durch die negativen Schlagzeilen in der Vergangenheit schwer belastet. Passend dazu griff die vielbeachtete Podiumsdiskussion am Kongressdonnerstagdas das heikle Thema „Wirbelsäule – operieren wir zu viel?“ auf. Auf Initiative Meurers diskutierten hierbei Operateure, konservativ Tätige und ein AOK-Vertreter.

Zum Einstieg zeigte die Moderatorin Dr. Vera Zylka-Menhorn, Anästhesistin und Ressortleiterin für aktuelle Medizin im Deutschen Ärzteblatt, einen Ausschnitt aus einem TV-Beitrag, der u.a. bereits auf arte gelaufen war. Thesen des Films lauten: Es gibt zu viele Wirbelsäuleneingriffe, manche enden fatal, und die Ärzte stehen unter einem „Mengendruck“. Dankbar für den Beitrag, der das Thema und das Dilemma der Ärzte endlich öffentlich mache, war Prof. Dr. Gabriele Schackert, Neurochirurgie-Direktorin in Dresden. Dieses Dilemma, sagte Schmerztherapeut Dr. Hermann Locher, bestehe aus dem doppelten Druck auf die Behandler: Zum einen durch die Patienten, deren Krankheitsbilder überwiegend multifaktoriell und individuell seien, zum anderen durch die Klinikgeschäftsleitungen.

Multidisziplinär behandeln

Einig war sich die Runde, zu der noch die Operateure Prof. Dr. Marcus Richter, Wiesbaden, Prof. Dr. Christoph Josten, Leipzig, und Prof. Dr. Karl-Stefan Delank, Halle, sowie Prof. Dr. Hans-Raimund Casser vom Schmerzzentrum Mainz und der Leiter der AOK-Abteilung „Stationäre Versorgung“, Jürgen Malzahn, gehörten, dass nur „echte“ Wirbelsäulen-Zentren eine optimale Therapie durchführen könnten. Hier würden Patienten multidisziplinär und in einem Miteinander der beteiligten Disziplinen „auf Augenhöhe“ behandelt.

Vorbei scheint auch der Zwist um die Zuständigkeit für die Wirbelsäule: Die DGNC-Vorsitzende Schackert und DWG-Präsident Josten kündigten ein gemeinsam erarbeitetes Zertifikat für Wirbelsäulen-Zentren an.

Immerhin sei jetzt auch die konservative Schmerztherapie stärker in der Medizinerausbildung verankert, betonte Casser: „Ab dem kommenden Wintersemester ist die Schmerztherapie Pflichtveranstaltung.“ Er forderte zudem ein etabliertes und honoriertes Screening im Hausarztbereich.

Malzahn kündigte an, die AOK werde das neue Wirbelsäulen-Register unterstützen. Er forderte aber auch mehr Mut der Ärzte, sich gegen Zielvorgaben zu wehren. Die Operateure, so der Tenor der Runde, wollen zwar selbstbestimmt handeln. Doch der Weg dorthin scheint unklar. Immerhin regte Richter an, sich qualitative Ziele (zum Beispiel die Reduzierung von Komplikationen) zu setzen und sich diesen dann auch zu stellen.

Sicherheit in der Luftfahrt, Sicherheit in der Medizin

Nicht nur für die Kongresspräsidentin spielt das Thema Sicherheit eine bedeutende Rolle. Gerade in der Luftfahrt ist die Sicherheit in allen Bereichen absolut relevant. Doch lassen sich Methoden und Sicherheitskonzepte aus der Luftfahrt in die Medizin übertragen? Diese Frage versuchten die Experten in einer Special Lecture am Kongressfreitag zu beantworten.

Drei erfahrene Piloten zeigten dabei, dass es Gemeinsamkeiten zwischen den Bereichen Luftfahrt und Medizin gibt. Gerade was die Ansprüche an die ausführenden Personen anbetrifft. Fehler können in beiden Bereichen Menschenleben kosten und hohe Kosten verursachen. „Dabei sind 70 Prozent der Fehler vermeidbar“, sagte Kai-Jörg Sommer, Pilot und Berater.

Im Schnitt komme es alle 2 Millionen Flüge zu einem Unfall, erklärte Sommer. Die modernen Airlines haben ihr Sicherheitsziel aber noch um den Faktor 100 erhöht. Dieses Ziel lasse sich nur mit Maßnahmen jenseits von Checklisten und Standardverfahren realisieren. Wichtig sei, das Sicherheitsziel aktiv formulieren, proaktiv Maßnahmen dafür planen und umsetzen. Bei der Lufthansa ist ein Bereich für dieses moderne Sicherheitsmanagement die Sicherheitsförderung durch „lebenslange Prüfungen“, wie es Wolfgang Raebiger, Flugbetriebsleiter, erläuterte.

Ein weiterer Aspekt ist das Sammeln notwendiger Informationen. Wie Michael Busch von der Flugsicherheit bei Lufthansa Cargo zeigte, werden Daten nicht nur bei Flugunfalluntersuchungen gesammelt, sondern auch Routine-Daten ausgewertet. Laut Sommer gebe es noch offene Baustellen in der Medizin, z.B. die fehlende Vergleichsmöglichkeit von Critical Incident Reporting Systems (CIRS, Berichtssysteme über kritische Vorkommnisse), einen notwendigen Kulturwandel bei Fehlern, Aufnahme der Patientensicherheit in die Weiterbildung usw.) bevor das Sicherheitsniveau in Richtung der Luftfahrt ansteigen kann.

Karriere-Frauen –
auch in der Medizin?

Selbstverständlich kamen auch Frauenthemen beim ersten von einer Frau geleiteten VSOU-Kongress nicht zu kurz. Im Job erfolgreiche Frauen stellten sich in einer weiteren Podiumsdiskussion im Auditorium dem Thema Karriere.

Sie sind Bankvorstand (Eva Wunsch-Weber), Leiterin eines Physik-Instituts (Prof. Dr. Maria Roser Valenti), Chirurgie-Chefärztin (Prof. Dr. Natascha Nüssler) oder Uniklinikvorstand (Bettina Irmscher und Ines Manegold) – beruflich also sehr erfolgreich. Hat man von Anfang an diese Ziele? Wird man dazu familiär geprägt? Gibt es männliches oder weibliches Führungsverhalten? Was bedeutet eine Quote? Diese Fragen stellte die Moderatorin, die stellvertretende „ZEIT“-Chefredakteurin Sabine Rückert.

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