Editorial - OUP 01/2024

Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in unserem Heft geben wir diesmal einen Überblick über die Region Becken, ISG und Steißbein. Häufig werden Erkrankungen in diesem Bereich eher stiefmütterlich behandelt und müssen individuell angegangen werden, was im Alltag einen nicht kalkulierbaren Zeitfaktor mit sich bringt. Daher freue ich mich, Ihnen in dieser Ausgabe einen Überblick über alltagsrelevante Themen geben zu dürfen.

Koehl et al. berichten über Erkrankungen der Symphyse. Im normalen Zustand besteht beim Erwachsenen eine geringe Beweglichkeit der Symphyse mit einer Rotation von 3° und einer physiologischen Weite von 2–6 mm. Die Inzidenz der schwangerschaftsassoziierten Symphyseninstabilität ist deutlich häufiger als man denkt und beträgt bis zu 1:300. Die Osteitis pubis (Symphysitis) kommt insb. bei Athletinnen/Athleten mit Schuss-, schnellen Akzelerations- und Dezelerationsbewegungen sowie Richtungswechseln der Bewegung vor. Beide Krankheitsbilder sollten zunächst intensiv konservativ, auch mittels Ruhigstellung mit einem Becken- bzw. Symphysenkompressionsgurt behandelt werden. Bei ausbleibendem Erfolg ist auch eine Operation möglich.

Auch die sehr seltenen ischiofemoralen Verletzungen werden in ihrer Bedeutung unterschätzt, worüber uns Rueth et al. informieren. Hierzu gehören der Apophysenabriss bzw. Fraktur des Trochanter minors und des Tuber ischiadicums, Ruptur bzw. Verletzung des Musculus quadratus femoris und Ruptur bzw. Verletzung der Iliopsoassehne. In der Regel erfolgt die konservative Therapie, wobei in Einzelfällen ebenfalls die operative Versorgung erwogen werden muss.

Obwohl die Iliosakralgelenke (ISG) in bis zu 30 % der Fälle Ursache für tieflumbale Rückenschmerzen sind, werden diese oftmals in differenzialdiagnostischen Überlegungen vernachlässigt. Schuh et al. geben einen Überblick über die komplexe Anatomie und das vielfältige Schmerzbild, damit diese zukünftig nicht mehr zu einer Fehlinterpretation einer symptomatischen ISG-Affektion mit im Verlauf frustranen Therapieversuchen führen.

Eine besondere Freude ist es, dass die Arbeitsgruppe „Osteoporotische Frakturen“ (AG OF) der Sektion Wirbelsäule der DGOU das Projekt OF-Pelvis ins Leben gerufen hat und die Ergebnisse in dieser Ausgabe präsentiert. Schnake et al. teilen die Frakturen in 5 Kategorien ein. Von OFP 1–OFP 5 steigen die Verletzungsschwere und der Instabilitätsgrad an. OFP 1 entspricht dem alleinigem Ödemnachweis im Sakrum oder Beckenring ohne Frakturnachweis in der Computertomografie. Der höchste Schweregrad, eine transiliosakrale oder iliakale Fraktur, entspricht der Kategorie OFP 5. Die OF-Pelvis ist ein reliables Instrument zur Klassifikation von osteoporotischen Sakrum- und Beckenringfrakturen, welches auch für nicht auf die Behandlung solcher Frakturen spezialisierten Ärztinnen und Ärzte aufgrund seiner Zuverlässigkeit und Einfachheit eine Hilfe im klinischen Alltag sein kann. Der 2. Artikel aus der AG stellt den OF-Pelvis-Score vor, eine einfach anzuwendende Entscheidungshilfe für die Indikationsstellung zur konservativen oder operativen Versorgung von osteoporotischen Beckenringfrakturen.

Als CME-Fortbildung darf ich Ihnen auf meiner Mission, Deutschland „steißbeinfähig“ zu machen, einen Überblick über die Coccygodynie geben. Obwohl die Coccygodynie schon 1859 erstmalig beschrieben wurde, bleibt sie bis heute ein kontrovers diskutiertes Krankheitsbild. Typisch für Patientinnen und Patienten mit Steißbeinbeschwerden ist ein langer Leidensweg mit vielen Voruntersuchungen ohne wirkliche Diagnose. Der tief sitzende Schmerz direkt über der Steißbeinspitze, meist nur beim Sitzen oder Lagewechsel, kann als Leitsymptom gesehen werden.

Dieses Heft zeigt einmal mehr, dass auch die kleinen Dinge einen großen Stellenwert haben. Ich hoffe, dass für jede/n Leserin/Leser etwas Interessantes dabei ist und bedanke mich herzlich bei allen Autorinnen und Autoren für die großartigen Beiträge.

Mit freundlichen und kollegialen Grüßen

 

Ihr

Prof. Dr. med. Achim Benditz, MHBA

Prof. Dr. med. Achim Benditz, MHBA

KU Klinikum Fichtelgebirge

Prof. Dr. med. Lars Victor
Baron von Engelhardt

Landesklinikum Horn, Österreich

Hauptschriftleiter OUP

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