Informationen aus der Gesellschaft - OUP 03/2020

Endoprothetik „From bad to worse“
Eine Sitzungsplanung für Baden-Baden 2020

Maximilian Rudert, Andrea Meurer

From bad to worse beschreibt einen Vorgang, der in der Endoprothetik ebenso wie in der gesamten Chirurgie
und wahrscheinlich sogar in der gesamten Medizin immer wieder vorkommt. Man fragt sich im Nachhinein
„Wie konnte das nur passieren?“ oder „Hätten wir doch nur eine andere Entscheidung getroffen“.
Manchmal wäre die Entscheidung abzuwarten, ebenfalls eine Alternative.

Maximilian Rudert: Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus, Würzburg

Andrea Meurer: Orthopädische Universitätsklinik Friedrichsheim gGmbH, Frankfurt/Main

Nehmen wir einmal an, es kommt ein Patient mit einer gelockerten Endoprothese in ein kleineres Krankenhaus mit Orthopädisch-Unfallchirurgischer Expertise und einem guten Operateur. Dort wird die Diagnose der Lockerung gestellt und die Empfehlung gegeben, eine Wechseloperation durchführen zu lassen. Soweit so gut. Es handelt sich natürlich nicht um den jüngsten Patienten, die vorher gut sitzende Prothese ist ja schon nach 18 Jahren gelockert (90 % survival rate primärer Hüft TEPs über 15 Jahre [5]. Also könnte es sich hier um einen 75-jährigen Mann mit üblichen Nebenerkrankungen wie KHK und einer leichten diabetogenen Mikroangiopathie mit Dysästhesien an den Füßen handeln. Per se nichts Schlimmes. Die Operation verläuft gut, die Prothese wurde gewechselt, die Operationszeit war aufgrund der geringeren Erfahrung des Operateurs mit Prothesenwechseln ein bisschen länger als sie sein sollte, die Pfanne hat nun ein bisschen mehr Anteversion als sie haben sollte, der Schaft ein bisschen mehr Retroversion…

Es kommt, wie es kommen kann. Der Patient ist postoperativ ein bisschen durchgängig und die Hüfte luxiert in Außenrotation. Die Luxation ist mit 17–52 % eine der häufigsten Revisionsgründe [1, 2]. Sie luxiert ein 2. Mal und daher wird die Entscheidung gefällt: es muss wieder revidiert werden. Ein Inlaywechsel mit ventraler Überhöhung und eine Kopf-Konus-Verlängerung werden eingebracht. Primär ist die Situation stabil. Der Patient wird entlassen und geht nach der Rehabilitationsbehandlung nach Hause. Dort luxiert er im tiefen Sitzen. Die Verwandten schalten sich ein und schicken den Patienten nun in ein anderes Haus, wo schon der Nachbar operiert wurde, und der läuft ohne Probleme ...

So könnte der Anfang einer Patientenhistorie ausgesehen haben, die Rudi Ascherl aus Tirschenreuth in seinem geplanten Vortrag „Luxation bei Hüft-TEP und kein Ende in Sicht“ vorgestellt haben könnte. Die Revisionszahlen steigen mit der Zahl der primären Versorgung an. Eine aktuelle Hochrechnung aus den USA beschreibt eine Zunahme der Hüft-TEP Revisionen bis 2030 von +70 % und eine Zunahme der KTP-Revisionen sogar von +182 % [4]

Natürlich ist das nur eine polemische Beschreibung einer Revisionsgeschichte gewesen. Aber, wie jeder weiß, es kann noch schlimmer kommen. Häufen sich die Revisionseingriffe, ist eine Infektion nicht immer vermeidbar. Das Infektionsrisiko einer aseptischen Hüft-TEP-Revision wird mit bis zu 29 % beschrieben [3]. So schnell kann es zur septischen Revision werden. Und wir alle kennen die damit einhergehende Problematik. Wird sie nicht frühzeitig entdeckt, drohen weitere Revisionen mit Wechseloperationen der Implantate, gefolgt von zunehmendem Knochenverlust. Knochenverlust führt zu immer größeren Prothesen. Am Kniegelenk führen größere Knochendefekte in der Regel auch zum Verlust der Stabilität und machen dadurch bisweilen den Umstieg auf Megaprothesen notwendig. Das hätte der Beitrag von Maximilian Rudert aus Würzburg mit dem Titel „From hinge to mega – the really bad knee“ beleuchtet. Größere Prothesen erhöhen wieder das Infektionsrisiko: und was kommt danach? Der Vortrag über die Infizierte Megaprothese – die Megakatastrophe von Tanja Kostuj aus Lemgo hätte darüber Auskunft gegeben. Ein definitiv desaströses Problem, bei dem oft nur noch die Amputation der Extremität übrig bleibt.

Aber schon im Rahmen der Primärendoprothetik gibt es Situationen, die relativ regelmäßig zu schwierigen Situationen führen können. Ein gern unterschätztes Thema ist die hohe Hüftluxation des Erwachsenen, die wir durch eine Zunahme der Migration wieder häufiger beobachten. Sie muss nicht oft operiert werden, aber wenn: „Die hohe Hüftluxation geht mir auf die Nerven“ von Stefan Budde aus Hannover hätte dazu etwas sagen können. Ebenfalls ein wiederkehrendes Problem ist anscheinend die Endoprothetik des oberen Sprunggelenkes beim Rheumatiker. Mit Stefan Rehart aus Frankfurt wäre die Runde „From bad to worse“ der klinischen Fälle komplett gewesen. Wir bedauern die Stornierung der Veranstaltung im Allgemeinen wie auch im Speziellen. Aber es wird wieder eine Zeit geben, in der wir diese spannenden Themen neu beleuchten können. Bis dahin!

Literatur

1. Gwam CU, Mistry JB, Mohamed NS, Thomas M, Bigart KC, Mont MA, Delanois RE: Current Epidemiology of Revision Total Hip Arthroplasty in the United States: National Inpatient Sample 2009 to 2013. The Journal of arthroplasty 2017, 32(7):2088–2092

2. Goldman AH, Sierra RJ, Trousdale RT, Lewallen DG, Berry DJ, Abdel MP: The Lawrence D. Dorr Surgical Techniques & Technologies Award: Why Are Contemporary Revision Total Hip Arthroplasties Failing? An Analysis of 2500 Cases. The Journal of arthroplasty 2019, 34(7S):S11-S16

3. Khatod M, Cafri G, Inacio MC, Schepps AL, Paxton EW, Bini SA: Revision total hip arthroplasty: factors associated with re-revision surgery. The Journal of bone and joint surgery American volume 2015, 97(5):359–366

SEITE: 1 | 2