Übersichtsarbeiten - OUP 04/2014

Frakturen des Sprunggelenks im Kindes- und Jugendalter

D. Schneidmüller1, M. Böttger1, A. Woltmann1, V. Bühren1

Zusammenfassung: Verletzungen des Sprunggelenks gehören zu den häufigen Verletzungen im klinischen Alltag. Frakturen der distalen Tibia machen dabei einen Anteil von ca. 9 % aller Frakturen der langen Röhrenknochen bei Kindern und Jugendlichen aus.

Unterschieden wird zwischen fugennahen Frakturen bei noch offenen Wachstumsfugen, welche meist nach Salter und Harris oder Aitken klassifiziert werden, und den sog. Übergangsfrakturen, einer speziellen Frakturform bei bereits begonnenem Fugenschluss. Das Korrekturpotenzial am Sprunggelenk ist gering, sodass größere Fehlstellungen nicht belassen werden können. Ebenso sollte eine anatomische Rekonstruktion der Gelenkfläche angestrebt werden, um das Risiko einer posttraumatischen Arthrose zu minimieren. Wachstumsstörungen können nach allen Frakturen auftreten, auch wenn eine ideale Rekonstruktion erreicht wurde. Deren Auftreten ist nicht vorhersehbar oder vermeidbar. Durch eine optimale Therapie können das Risiko reduziert und iatrogene Fugenverletzungen vermieden werden.

Schlüsselwörter: Sprunggelenk, Kinder, Jugendliche, Fraktur

Zitierweise
Schneidmüller D, Böttger M, Woltmann A, Bühren V. Frakturen des Sprunggelenks im Kindes- und Jugendalter.
OUP 2014; 4: 165–169. DOI 10.3238/oup.2014.0165–0169

Abstract: Ankle fractures are seen frequently in clinical routine. 9 % of all long bone fractures in childhood and adolescence are fractures of the distal tibia. There is a differentiation between the fracture with open physis (Salter and Harris I–IV resp. Aitken I–-III ) and the fractures with a closing growth plate – so called transitional fractures.

Due to less spontaneous compensation in this area greater malposition and articular displacement are not tolerable. In epiphyseal fractures the main priority is the anatomical reconstruction of the articular surface. With an optimal conservative and surgical treatment, the risk of specific complications like iatrogenic growth plate injuries, bone growth disorders with varus deviation of the distal tibia and posttraumatic arthrosis can be reduced.

Key words: Ankle, fractures, paediatric, adolescents

Citation
Schneidmüller D, Böttger M, Woltmann A, Bühren V. Ankle fractures in young children and adolescents.
OUP 2014; 4: 165–169. DOI 10.3238/oup.2014.0165–0169

Einleitung

Verletzungen des Sprunggelenks gehören zu den häufigsten Verletzungen bei Kindern- und Jugendlichen im klinischen Alltag [1, 2]. Frakturen der distalen Tibia machen ca. 9 % aller Frakturen der langen Röhrenknochen aus [3]. Man unterscheidet Frakturen bei noch offenen Wachstumsfugen von Verletzungen bei bereits beginnendem Fugenschluss, den sogenannten Übergangsfrakturen mit einem Anteil von ca. 10 % aller Frakturen der distalen Tibia. Diese zeigen aufgrund der biomechanischen Besonderheiten der bereits teilweise verschlossenen Wachstumsfuge ein verändertes Frakturmuster.

Klassifikation

Die Klassifikation der Frakturen der distalen Tibia unterscheidet zwischen Frakturen mit offenen Wachstumsfugen und den sog. Übergangsfrakturen.

Bei noch offenen Fugen ist die Einteilung nach Salter und Harris [4] oder Aitken am weitesten verbreitet. Daran orientiert sich ebenfalls die AO-Kinder-Klassifikation, wobei die distale Tibia dem Code 43t-E entspricht. Wir unterscheiden zwischen Wachstumsfugenlösungen ohne (Salter und Harris I/Aitken 0/43t-E/1) und mit (Salter und Harris II/Aitken I/43t-E/2) Beteiligung der Metaphyse.

Davon prognostisch und therapeutisch abzugrenzen sind die gelenkbeteiligenden epiphysären Frakturen als Verletzungen Salter und Harris III (Aitken II/43t-E/3) oder mit metaphysärer Beteiligung als Salter und Harris IV (Aitken III/ 43t-E/4), s. Abb. 1.

In der Adoleszenz ab einem Alter von ca. 12 Jahren kommt es zu einem langsamen Verschluss der Wachstumsfuge, von medial beginnend, nach lateral-dorsal fortschreitend und zum Schluss verknöchert der ventrolaterale Bereich, s. Abb. 2. Hierdurch kommt es zu einer Veränderung des Frakturverlaufs. Einwirkende Kräfte werden durch den bereits verknöcherten Anteil in das Gelenk abgeleitet. Bei noch weit offenen Fugen liegt die Fraktur meist weit medial im Sinne einer Innenknöchelfraktur (s. Abb. 3). Je weiter der Fugenverschluss fortgeschritten ist, desto weiter lateral verläuft die Frakturlinie bei der Übergangsfraktur. Liegt lediglich die ventrolaterale epiphysäre Fraktur vor, so spricht man von der Twoplane-Fraktur (43t-E/5). Kurz vor Fugenschluss bricht ein ventrolaterales Fragment im Sinne eines knöchernen Syndesmosenausrisses aus, welche als Sonderform der Twoplane-Fraktur auch nach dem Erstbeschreiber als Tilleaux-Fraktur bezeichnet wird (s. Abb. 4). Wirken zusätzliche Torsionskräfte ein, so kann zusätzlich eine dorsale Fraktur entsprechend dem hinteren Volkmann-Dreieck auftreten, die sog, Triplane-Fraktur (43t-E/5). Betrifft diese Fraktur lediglich die Metaphyse, so spricht man von der Triplane-I-Fraktur (s. Abb. 5). Verläuft diese dorsale Fraktur durch Epi- und Metaphyse so spricht man von der Triplane-II-Fraktur (s. Abb. 5, 6).

Isolierte Frakturen der distalen Fibula (43f-M2/3 oder 43f-E1/2) sind selten, meist im Sinne eines knöchernen Bandausrisses zu beobachten. Im überwiegenden Teil lassen Fibulafrakturen als Kombinationsverletzung zu einer Epiphysenlösung der distalen Tibia beobachten. Rein ligamentäre Verletzungen nach Supinationstrauma sind ebenfalls am wachsenden Skelett selten. Sie werden mit zunehmender Skelettreife vermehrt beim Adoleszenten beobachtet.

Diagnostik, Bildgebung

In der Diagnostik steht das konventionelle Röntgenbild in 2 Ebenen im Vordergrund. In manchen Fällen kann eine zusätzliche Schrägaufnahme nach Broden in der Diagnostik von Übergangsfrakturen hilfreich sein. Bei der Frakturentität kann hinsichtlich der genauen Beurteilung der Dislokation und zur Operationsplanung eine dreidimensionale Schnittbildgebung (MRT/CT) sinnvoll sein (s. Abb. 6) [5, 6].

Therapie

Die Indikation zu einer Reposition und ggf. Osteosynthese richtet sich nach dem Dislokationsausmaß und der altersspezifischen Möglichkeit der Spontankorrektur. Hinsichtlich der Toleranzgrenzen existieren keine evidenzbasierten Daten. Die hier angegebenen (s. Tab. 1, 2) Daten entsprechen den Durchschnittwerten aus der Literatur [7, 8, 9, 10].

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