Informationen aus der Gesellschaft - OUP 04/2019

Im OP zu Hause
67. Jahrestagung der VSOU e.V.

Trotz aller Faszination für ihr Fachgebiet wollen junge Ärzte auch ein Privatleben haben. Der Arztberuf ist auch heutzutage noch ein Traumjob. Aber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für die jungen Ärztinnen und Ärzte enorm wichtig. Dabei sind die Ansprüche an die eigenen Qualitäten und an eine fundierte Ausbildung hoch. Was will die neue Ärztegeneration – und was bietet sie? Darüber sprachen wir mit Annika Hättich, Assistenzärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für Unfall-, Hand und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und seit 2013 engagiert in den Nachwuchssektionen des Fachgebietes Orthopädie und Unfallchirurgie (O&U).

VSOU: Hallo Frau Hättich, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Gespräch nehmen. Warum fiel Ihre Wahl auf das Fachgebiet der Orthopädie und Unfallchirurgie?

Hättich: Das ist eine sehr gute Frage! Nachdem ich in der Vorklinik noch davon überzeugt war, in der Inneren Medizin oder Neurologie zu landen, wurde mir in meiner ersten Famulatur in der Allgemeinchirurgie klar, dass es doch ein chirurgisches Fach sein muss. Im OP habe ich mich direkt „zu Hause“ gefühlt. In weiteren Famulaturen habe ich in verschiedene chirurgische Fachdisziplinen hineingeschnuppert und mich letztendlich für O&U entschieden. Meiner Meinung nach bieten sich hier die meisten Möglichkeiten: Sei es in der Klinik oder Niederlassung, operativ oder konservativ – es gibt für jeden eine Nische.

VSOU: Vermissen Sie etwas in Ihrer Ausbildung?

Hättich: Ich denke, ich spreche für viele meiner Kollegen, wenn ich sage, dass wir in unserer Weiterbildung zum Facharzt gerne mehr operieren würden. Je nach Klinikum begrenzen sich die OP-Tage auf 3–4 im Monat. Dass diese Zahl kein Kolibri ist, konnten wir in einer Umfrage des Jungen Forums darlegen. Auf der anderen Seite lernen wir häufig nicht, was dazugehört und was man alles wissen muss, wenn man sich doch für den Weg aus der Klinik in die Praxis entscheidet. Um hier etwas Licht ins Dunkel zu bringen, sind wir vom Jungen Forum dabei, für die Kollegen einige Tipps und Tools bereitzustellen.

VSOU: Was sind die Kernthemen der Youngsters in O&U?

Hättich: Ich bin sehr zufrieden, wie sich die Aktivität der Youngsters in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich persönlich bin vor 6 Jahren als Ärztin direkt in das Junge Forum O&U eingestiegen. Die Youngsters stellen unsere studentische Vertretung da. Sie engagieren sich um eine Förderung, die bereits in der Studienzeit beginnt, organisieren z.B. praktische Fortbildungen nur für Studenten oder auch den Tag der Vorklinik in Baden-Baden oder den Tag der Studierenden auf dem DKOU in Berlin. Insgesamt geht es bei den Youngsters um den besten Einstieg in das Fachgebiet der Orthopädie und Unfallchirurgie.

VSOU: Wie wichtig sind Ihnen individualisierte Arbeitszeitmodelle, Freizeitausgleich und Familienplanung? Und gibt es hier in dieser Hinsicht Unterschiede zwischen Männern und Frauen?

Hättich: Diese Fragen können ein ganzes Interview sprengen. In den letzten Jahren hatten wir häufig die Diskussion über die sogenannten Ansprüche der Generation Y. Ich bin der Meinung, dass die 3 von Ihnen angesprochenen Punkte natürlich sehr wichtig in jedem Beruf sind – und dass uns viele Branchen in allen Punkten um einiges voraus sind. Im Jungen Forum gibt es extra eine Sektion „Familie und Beruf“, und u.a. mit der Aktion „Operieren in der Schwangerschaft“ sind wir schon einige Schritte vorangekommen. Luft nach oben gibt es jedoch noch allemal. Als Frau in O&U (in vielen Abteilungen immer noch in der Minderheit) ist meine persönliche Ansicht, dass es durchaus „einfachere“ Fachrichtungen zum Praktizieren gibt. Auch wenn individuelle Arbeitszeitmodelle existieren, ist der Berufsalltag als Chirurgin und Mutter eine Herausforderung, die ich mir aktuell nicht vorstellen kann. Es gibt aber auch durchaus Beispiele in meinem Freundes- und Kollegenkreis, die diese Aufgabe hervorragend meistern.

VSOU: Was schätzen Sie am Besuch der VSOU-Frühjahrstagung bzw. an den Bestrebungen der Gesellschaft? Was sollte sich in der Nachwuchsarbeit weiter verbessern, welche Wünsche haben Sie hier?

Hättich: Ich komme nun zum 4. Mal nach Baden-Baden und freue mich immer sehr auf die Jahrestagung der VSOU. Es ist jedes Mal ein sehr familiäres Treffen mit spannenden wissenschaftlichen Vorträgen, guten Diskussionsrunden und seit einigen Jahren auch eine erfrischende Mischung zwischen angehenden Ärzten und erfahrenen Chirurgen. Durch den Tag der Vorklinik konnten wir bereits einige Studenten für unser Fach gewinnen. Der Wunsch, alle für unser Fach begeistern zu können, steht an erster Stelle. In diesem Jahr wünsche ich mir persönlich eine rege Teilnahme und spannende Fragen an unserer Podiumsdiskussion zum Thema „Arztgesundheit“, die ich mit Herrn Dr. Schüttrumpf moderieren darf.

VSOU: Was versuchen Sie in Ihrem Beruf anders zu machen als die alten Hasen? Wo liegen die Unterschiede zwischen Ihrer Generation und vorherigen?

Hättich: Wir müssen nicht alles anders machen – aber einiges an die äußeren Umstände anpassen. Das Bild des „Halbgotts in Weiß“, der 48 h ohne Schlaf in der Klinik verbringt, ist heute, denke ich, nicht mehr das oberste Ziel. Unsere Generation weiß mittlerweile, dass es für alle Beteiligten nicht gut und erstrebenswert ist, 48 h in der Klinik zu sein. Dafür wollen wir die geringere Zeit, die man in der Klinik verbringt, mit sinnvollen Dingen füllen und möglichst viel Weiterbildung erfahren – für das persönliche Weiterkommen, aber auch natürlich für eine gute Qualität der Patientenversorgung.

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