Informationen aus der Gesellschaft - OUP 03/2014

Interview mit Prof. Dr. med. Andrea Meurer, Frankfurt a.M.
Kongresspräsidentin der 62. Jahrestagung der VSOU

Sehr geehrte Frau Prof. Meurer, Sie sind nach über 60 Jahren die erste Präsidentin, die für die Jahrestagung der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen verantwortlich ist. War die Wahl einer Frau überfällig?

Prof. Meurer: Der Besuch des Kongresses in Baden-Baden ist für mich seit über 20 Jahren fester Bestandteil meiner Jahres-Planung. Hier habe ich meinen ersten Vortrag gehalten, habe zahlreiche Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen knüpfen und mich wissenschaftlich entwickeln dürfen. Es ist mir deshalb eine besondere Ehre, nun die 62. Jahrestagung der VSOU selbst ausrichten zu dürfen. Die erste Frau in der Reihe der Tagungspräsidenten zu sein, erfüllt mich selbstverständlich mit Freude. Es trägt dem Umstand Rechnung, dass wir eine zunehmende Feminisierung der Medizin beobachten dürfen. Bereits heute sind 70 Prozent der Studienbeginner weiblich. Insbesondere die chirurgischen Fächer sind aufgefordert, durch flexiblere Arbeitszeitmodelle den jungen Kolleginnen die Möglichkeit zu geben, berufliches Fortkommen und private Familienplanung miteinander kombinieren zu können. Es ist mir deshalb eine besondere Freude, dass es gelungen ist, herausragende Frauen der Medizin und Wirtschaft zu einer Podiumsdiskussion über „Karriere-Strategien für Frauen“ nach Baden-Baden einladen zu können. Diese wird moderiert von Sabine Rückert, Stellvertretende Chefredakteurin DIE ZEIT, was die gesellschaftspolitische Bedeutung dieses Themas unterstreicht.

Für die diesjährige Tagung haben Sie ein facettenreiches Programm zusammengestellt. Welche wissenschaftlichen Schwerpunkte haben Sie dabei gewählt bzw. was werden aus Ihrer Sicht die fachlichen Highlights sein?

Prof. Meurer: Eines der wesentlichen Grundbedürfnisse des Menschen ist Sicherheit, insbesondere auch im Kontakt mit der Medizin. Die Sicherheit, dass der behandelnde Arzt bestmöglich ausgebildet ist, dass das angewandte Diagnostik- und Therapieverfahren etabliert ist und bei geringem Risiko langfristigen Erfolg sichert, dass die verwendeten Implantate und Materialien geprüft und sicher sind. Die immer wiederkehrenden Pressemitteilungen um versagende Implantate, Krankenhausinfektionen u.v.m. führen zur Verunsicherung der Patienten und zu einem getrübten Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt. Eines der Hauptthemen widmet sich thematisch diesem Brennpunkt mit der Analyse der bestehenden Qualitätsinitiativen, der mittel- und langfristigen Behandlungsergebnisse von Therapieverfahren, aber auch der Diskussion unserer bestehenden Weiterbildungsordnung.

Die in den Medien aufgeworfene Frage, ob bei uns zu viel operiert wird oder nicht, wird meines Erachtens zurzeit vorschnell bejaht. Dennoch sollten wir uns einer intensiven Diskussion stellen und so freue ich mich, dass eine weitere Podiumsdiskussion zum Titel „Wirbelsäule – operieren wir zuviel?“ in Baden-Baden stattfinden wird, moderiert durch Frau Zylka-Menhorn, Chefredaktion Deutsches Ärzteblatt. Hierzu haben sich namhafte Vertreter der konservativen und operativen Wirbelsäulentherapie sowie des AOK-Bundesverbands als Diskutanten bereit erklärt. In diesem Zusammenhang freut es mich besonders, dass sich die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft, unter der Leitung von Herrn Prof. Josten aus Leipzig, bereit erklärt hat, am 1. Mai ein Satelliten-Symposium Wirbelsäule in Baden-Baden auszurichten.

Ein weiteres Highlight des Kongresses: Unter dem Titel „Sicherheit in Cockpit und OP“ demonstrieren Mitarbeiter der Lufthansa, wie sich Methoden und Konzepte aus der Luftfahrt auf die Medizin und vor allen Dingen den Operationsbereich übertragen lassen.

In Zeiten des demografischen Wandels und des verschärften ökonomischen Drucks auf Kliniken und Praxen ist ein weiterer Brennpunkt die Diskussion um den Problem-Patienten „Der ältere Mensch, die septischen Eingriffe, die komplexen Wechsel-Operationen.“

Welche Neuerungen im Programm können die Teilnehmer im Vergleich zu den Vorjahren erwarten?

Prof. Meurer: Ich freue mich sehr, dass sich die ASG-Fellows bereit erklärt haben, das OP-Assistentenprogramm als ASG-Akademie zu gestalten. Hierdurch ist es möglich, ein breitgefächertes Kursprogramm an den 3 Kongresstagen anbieten zu können mit der Möglichkeit, je nach Ausbildungsstand und persönlichem Weiterbildungsbedürfnis, modular Kurse zu belegen. Des Weiteren werden wir in diesem Jahr Abstand nehmen von der herkömmlichen Art der Posterausstellung. Stattdessen werden über den Kongress verteilt E-Poster auf entsprechenden Bildschirmen zu sehen sein. Dies soll den Posterbeiträgen ein stärkeres Gewicht und breitere Aufmerksamkeit sichern. Ausgewählte Posterbeiträge werden in Kurzreferaten vorgestellt.

Ihr Herzblut steckt in der Kinderorthopädie. Welche aktuellen Entwicklungen sind für die 62. Jahrestagung relevant?

Prof. Meurer: Die Kinderorthopädie und Kindertraumatologie stellen eines der Hauptthemen des Kongresses dar. Neben den klassischen Themen, wie beispielsweise den kindlichen Hüftgelenkerkrankungen, werden wir einen ganzen Tag lang über Infantile Cerebralparese sprechen, ausgerichtet vom Arbeitskreis „ICP“ der Vereinigung für Kinderorthopädie. Weiterhin wurde in der VKO ein Arbeitskreis „Wachsende Wirbelsäule“ gegründet unter der Leitung von Prof. Carol Hasler. Ich freue mich, dass sich dieser Arbeitskreis im Rahmen einer wissenschaftlichen Sitzung präsentieren wird. Im Rahmen des OP-Trainingsprogramms für Assistenten/innen werden erstmalig auch kinderorthopädische Inhalte, wie intertrochantäre Osteotomien, Beckenosteotomien, Botulinumtoxin u.a. Thema sein.

Man spricht überall über Nachwuchsförderung. Wie wollen Sie im Rahmen des VSOU-Kongresses den Nachwuchs für das Fach Orthopädie und Unfallchirurgie begeistern?

Prof. Meurer: Durch Zusammenschluss der Fächer Orthopädie und Unfallchirurgie ist ein gemeinsames Fach von unglaublicher Breite des Spektrums entstanden. Konservative wie operative Therapieverfahren, junge und alte Patienten, Sportler und syndromal Erkrankte sowie zahlreiche verschiedene Organsysteme spannen einen breiten Bogen der Möglichkeiten. Meines Erachtens besteht die beste Werbung für junge Kolleginnen und Kollegen darin, diesen gesamten Spannungsbogen des Fachs aufzugreifen und dazustellen. Die familiäre Atmosphäre des Kongresses in Baden-Baden bietet den jungen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, in eher geschützter Atmosphäre Erfahrungen als Referenten wissenschaftlicher Vorträge zu sammeln. Dies wird traditionell von der VSOU unterstützt durch einen Nachwuchsförderpreis, dessen Honorierung beachtlich ist. Das spezielle OP-Trainingsprogramm für Assistenten/innen wurde besetzt mit einer hochrangigen Faculty und einer großen Variabilität der möglichen Kurse, sodass jeder nach Neigung und Ausbildungsstand auswählen kann.

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