Informationen aus der Gesellschaft - OUP 04/2012

Interview
mit Univ.-Prof. Dr. med. Martin Krismer,
Kongresspräsident der 60. Jahrestagung der VSOU

Sehr geehrter Herr Prof. Krismer, Sie laden unter dem Motto „Klarheit“ zur 60. Jahrestagung ein. Warum haben Sie dieses Motto gewählt?

Prof. Krismer: Klarheit bedeutet zu wissen, worum es geht: Klare Entscheidungen sind solche, die auf soliden Grundlagen basieren und mit gutem Urteilsvermögen getroffen wurden. Solche Entscheidungen wünschen sich die Patienten von uns Ärzten und solche Entscheidungen wünschen wir uns als Orthopäden und Unfallchirurgen.

Jungen Ärzten dienen das fachliche Basiswissen, Klassifikationssysteme und die gelebte Praxis der Ausbildungsabteilungen dazu in den meisten Standardsituationen klare Entscheidungen zu treffen.

In zwei ganz typischen Situationen sind diese klaren Entscheidungen oft seltener. In der konservativen Orthopädie sind manche Bereiche nicht ausreichend wissenschaftlich durchleuchtet. Hier sind auch die Universitätskliniken in ihrer Schwerpunktsetzung gefordert. Bei seltenen und komplexen Situationen in der stationären und operativen Chirurgie ist die Evidenzlage oft dürftig.

Unterschiedliche Angebote des Kongresses reichen vom Assistentenprogramm für Standardsituationen über Symposien für konservative Therapie bis zu Falldiskussionen für komplexe Fälle. Es wurde dementsprechend für die Bedürfnisse unterschiedlicher Besucher ein abwechslungsreiches Programm gestaltet.

 

Welche Themen stehen 2012 im Mittelpunkt der Veranstaltung?

Prof. Krismer: Der Wirbelsäulenschmerz ist ein Thema, welches mich schon zweieinhalb Jahrzehnte beschäftigt. Es wird im Kongress eine Übersicht über die organischen Schmerzursachen und ihre Behandlungsmöglichkeiten geboten. Bei den meisten Menschen mit Wirbelsäulenschmerzen zeigen die bildgebenden Verfahren keine Veränderungen, welche besonders häufig mit Schmerzen assoziiert sind. Diese Menschen mit Schmerzen an der Wirbelsäule können nur konservativ behandelt werden. Bei chronischen Schmerzen spielen die Eigenverantwortlichkeit der betroffenen Menschen für die eigene Gesundheit, ein Training zur Erhöhung der Ausdauer und psychologische Maßnahmen eine wichtige Rolle.

Das Kniegelenk ist jenes Gelenk, welches Orthopäden und Unfallchirurgen wohl am meisten beschäftigt. Hier wird eine breite Palette von Symposien und auch freien Vorträgen geboten, welche sich mit neuen Aspekten beschäftigen, vom Trauma bis zum Gelenksinfekt.

Infektionen stellen eine große Herausforderung in Orthopädie und Unfallchirurgie dar. Sie können das angestrebte Operationsergebnis nicht nur zunichte machen, sondern in katastrophalen Fällen zu Amputation, Gelenkversteifung oder sogar zum Tod führen. Trotz der Fortschritte in Prävention, Antibiotikatherapie und chirurgischen Maßnahmen sind Infektionen nicht besiegt, sondern aktueller denn je und stellen eine große Herausforderung für die Zukunft unseres Faches dar.

Für das vierte Hauptthema „Sicherheit“ wurden zwei Symposien gewählt. In einem Symposium wird diskutiert, was zu tun ist, wenn ein Fehler eingetreten ist, im anderen geht es darum, diese Fehler zu vermeiden.

 

Wo sehen Sie die Besonderheiten beim Baden-Badener Kongress?

Prof. Krismer: Eine Vielzahl an Symposien, gestaltet durch anerkannte Experten, prägt die Jahrestagung der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen. Zahlreiche Kurse, Symposien und Sitzungen bieten vor allem auch für Kollegen aus dem niedergelassenen Bereich eine im deutschen Sprachraum enorme Fülle an Informationen. In den letzten Jahren ist das Assistentenprogramm dazugekommen, welches abgestimmt ist auf die Bedürfnisse unserer jungen Kolleginnen und Kollegen. Durch Operationskurse, spezielle Symposien und Seminare während der gesamten Kongressdauer ist dieses Programm einzigartig.

Gibt es Neuerungen und Innovationen in der Orthopädie und Unfallchirurgie?

Prof. Krismer: Klinische Neuerungen vollziehen sich langsam und ihre Bewertung erfolgt über Jahre hin. Viele sensationelle Innovationen haben sich zu Eintagsfliegen entwickelt. Daher nehme ich davon Abstand, einzelne klinische Entwicklungen hervorzuheben.

Im Bereich der Stammzellenforschung ergeben sich immer wieder interessante Aspekte, die auch in einem eigenen Symposium präsentiert werden, und vielleicht einmal Eingang in die klinische Routine finden werden. Bei Gelenkinfektionen gibt es neue Antibiotika und in der Osteoporosetherapie neue Medikamente, die vor wenigen Jahren noch nicht zur Verfügung standen.

Mehr von standespolitischer Bedeutung – aber ebenfalls ganz neu – ist der Versorgungsatlas „Orthopädische Eingriffe“ in Deutschland.

 

Was erwartet den Teilnehmer im Vergleich zu den Vorjahren an Neuerungen im Kongress-Programm?

Prof. Krismer: Die wesentlichste Neuerung ist ein durchgehendes Assistentenprogramm an allen dreieinhalb Tagen während der gesamten Kongressdauer. Im übrigen ist die altbewährte Struktur des Programms in der Tradition der früheren VSOU-Kongresse fortgesetzt worden.

 

Im Hinblick auf die Umbenennung der VSO in VSOU laden Sie vermehrt auch unfallchirurgische Kolleginnen und Kollegen ein. Was wird speziell für niedergelassene Unfallchirurgen geboten?

Prof. Krismer: In acht Sitzungen des Hauptprogramms werden traumatologische Themen mit Vorträgen von führenden Vertretern der Traumatologie in Deutschland behandelt. Aber auch die Hauptthemen „Sicherheit“ und „Infektionen“ sprechen naturgemäß Interessensgebiete sowohl des niedergelassenen als auch des im stationären Bereich tätigen Traumatologen an.

Was war für Sie der Anlass, die Motivation, die Jahrestagung in der Funktion als Kongresspräsident zu begleiten? Welche persönlichen Ziele haben Sie sich für diese Jahrestagung gesetzt bzw. welches ist Ihr ganz persönliches Lieblingsthema auf der 60. Jahrestagung?

Prof. Krismer: Ich habe 1993, also vor ca. 20 Jahren, meinen ersten Vortrag in Baden-Baden gehalten. Seither habe ich in den meisten Jahren diesen Kongress besucht, meist aktiv als Vorsitzender oder Referent. Die zeitlichen Restriktionen, die man in einer Führungsposition hat, erlauben nicht die ungezielte Teilnahme an Kongressen, sondern erfordern immer eine starke Selektion. In diesem Sinn war meine Entscheidung in den letzten zehn Jahren den Kongress der VSOU als Fixpunkt in meinen jährlichen Kongresskalender einzuplanen, eine Vorentscheidung und starke Zustimmung zu Struktur und Qualität des Kongresses.

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