Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017

Knochenverluste in der Schulterendoprothetik, was tun?

Mathias Weber1, Niels Hellmers1

Zusammenfassung: Durch die steigende Anzahl an Primäroperationen in der Schulterendoprothetik kommt es auch zu vermehrten Schulter-Revisionseingriffen. Diese Eingriffe sind häufig aufgrund der knöchernen Defektsituation komplexe, risikoträchtige Operationen. Zur Evaluierung der intraoperativ gegebenen knöchernen Ausgangslage ist eine sorgfältige präoperative Planung mittels CT-Darstellung der Schulter und 3D-Rekonstruktion obligat. Dabei zeigt sich häufig im Bereich des Glenoid eine knöcherne
Defektsituation. Zur Adressierung des Defekts bietet sich die Verwendung eines Transplantats an.

Allogene Transplantate wie Spongiosa-Chips aus einer Knochenbank eignen sich zur Versorgung kleinerer Defekt. Bei komplexer Defektsituation sollten autologe Transplantate wie der Humeruskopf oder Keile aus dem Beckenkamm verwendet werden.

Seit einigen Jahren bieten auch einige Hersteller Patienten-spezifische Implantate (PSI) an. Hierbei können Defekte gezielt und passgenau versorgt werden.

Ist der knöcherne Defekt in der Revision nicht zu rekompensieren, bleibt als operative Rückzugsmöglichkeiten die Verwendung eines Großkopfs oder eines bipolaren Kopfs.

Schlüsselwörter: Schulter, Schulterprothese, Glenoid,
Glenoiddefekt, Glenoidaufbau

Zitierweise
Weber M, Hellmers N: Knochenverluste in der Schulterendoprothetik, was tun?
OUP 2017; 11: 562–568 DOI 10.3238/oup.2017.0562–0568

Summary: The growing number of primary procedures in shoulder arthroplasty leads to an increase in shoulder revision surgery. These procedures are often complex, risky operations due to the condition of defective bones. For the evaluation of the existing bone structure during the procedure, a careful preoperative planning by CT scan of the shoulder with 3D reconstruction is obligatory. There is often a defect situation of the bone in the area of the glenoid. The use of a transplant is suitable for addressing the defect. Allogenic transplants such as cancellous bone chips from a bone bank are suitable for supplying smaller defects. In case of a complex defective situation autologous transplants, like the humeral head or wedges from the iliac crest, should be used. For a number of years, some producers have also offered patients specific implants. In this case, defects can be fixed precisely on an individual basis. If the bone defect is not treatable by the procedures previously illustrated, the use of a large head or bipolar head remain as operative alternatives.

Keywords: shoulder, shoulder arthroplasty, glenoid,
glenoid defect, glenoid reconstruction

Citation
Weber M, Hellmers N: Bone loss in shoulder arthroplasty, what to do? OUP 2017; 11: 562–568 DOI 10.3238/oup.2017.0562–0568

Einleitung

Die endoprothetische Versorgung des Schultergelenks bei arthrotischer Deformierung wurde insbesondere durch Neer Anfang der 1970er mit Etablierung der ersten Schulterprothese vorangebracht [10]. Durch die stetige Weiterentwicklung der Implantate und Komponenten, insbesondere durch die Möglichkeit zur modularen und inversen Versorgung des Schultergelenks, konnte die Indikationsstellung immer weiter gefasst werden. Nachuntersuchungen zeigten gute bis sehr gute Ergebnisse für Parameter wie Kraft, Beweglichkeit und Schmerzreduktion in der endoprothetischen Schultergelenkversorgung [22].

Aufgrund von einer dadurch deutlich steigenden Anzahl an Primärimplantationen haben auch die Revisionseingriffe von anatomischen und inversen Schulterprothesen zugenommen [17]. Revisionsoperationen in der Schulterendoprothetik sind aufgrund von knöchernen Defekten und Verletzungen der Rotatorenmanschette komplexe, risikoträchtige Eingriffe [12].

Ein wesentliches Problem bei der revisionsendoprothetischen Versorgung des Schultergelenks stellt der Verlust der Deltaspannung dar. Bei der Primärimplantation einer inversen Schulterprothese erfolgt eine gewollte Medialisierung des Drehzentrums. Dies bedingt eine Stabilisierung des Schultergelenks durch einen verbesserten Hebelarm des Deltamuskels. Die anatomischen Voraussetzungen in der Revision erzeugen jedoch häufig eine Lateralisierung des Drehzentrums. Neben dem bereits bestehenden Verlust der Rotatorenmanschette wird eine weitere Verschlechterung der Abduktion durch einen ungünstigen mechanischen Hebelarm des Deltamuskels erzeugt [15].

Ein weiterer entscheidender Faktor im Revisionsfall für das postoperative Ergebnis ist die vorhandene Knochenqualität. Doch schaut man sich die einzelnen Kompartimente der Schulter an, ergeben sich unterschiedliche Verteilungsmuster der knöchernen Defekte. So sind sowohl humerale Komponentenlockerung als auch ein humeraler Knochenverlust selten Ursache für Revisionsoperationen [23].

Insgesamt zeigt sich ein Mangel an Daten in der Literatur bezüglich Knochendefekten am proximalen Humerus. Es lässt sich allerdings festhalten, dass der humerale Knochenverlust bei Revisionen nicht im Vordergrund steht.

Der glenoidale Knochenverlust ist jedoch ein deutliches Problem, dass adressiert werden muss, da hier eine knöcherne Defektsituation eine erhebliche negative Beeinflussung der Primärstabilität und der Gelenkmechanik bedingt.

Für den langfristigen Erfolg der implantierten Schulterprothese ist die exakte Positionierung der Komponenten unerlässlich. Aufgrund fehlender intraoperativer Landmarks ist die korrekte Ausrichtung insbesondere der Glenoidkomponente herausfordernd und erklärt die signifikante Anzahl an Lockerungen [24].

Zur besseren Beurteilung der Glenoid-Inklination, Rotation und der Distanz des Glenoid zur Scapula Notch wird die Durchführung eines CT zur präoperativen Planung empfohlen [7].

Die Beurteilung der Größe der glenoidalen Komponente ist für das Langzeitergebnis der ossären Integration entscheidend [3]. Intraoperativ sollte auf eine stabile Fixierung der Prothese im Knochen geachtet werden. Eine exzessive Medialisierung der Gelenklinie medial der Glenoidbasis, sowie ein superiorer Tilt sollten vermieden werden, denn für die Parameter wie Stabilität, Beweglichkeit und Impingement ist die Positionierung des Glenoids entscheidend [5].

Erschwerend kommt es im Bereich des Glenoids bei arthrotischer Destruktion neben einer begrenzten knöchernen Substanz zu einem erhöhten peripheren glenoidalen Kontaktstress mit posteriorer knöcherner Defektbildung. Dies führt zu einer erhöhten glenoidalen Retroversion und posteriorer Dezentralisierung des Humeruskopfs.

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