Originalarbeiten - OUP 06/2012

Knotenlose und flächige Refixation von Rotatorenmanschettendefekten
mittels maßgeschneiderter Speedbridge-Technik
Knotless and laminar repair of rotator cuff lesions with
the tailored Speedbridge-Technique

I.J. Banke1, A.B. Imhoff1

Zusammenfassung: Für die erfolgreiche Rekonstruktion von Rotatorenmanschettenläsionen ist die richtige Balance zwischen suffizienter Primärstabilität und Respektierung der durch Verletzung und/oder Degeneration oft schon vorbestehend beeinträchtigter Biologie der Sehnenheilung entscheidend. Die neueren Bridging-Techniken scheinen hier einen möglichen Vorteil zu bieten. Die Innovation der Speedbridge-Technik besteht in der knotenlosen und flächigen Refixation des gerissenen Sehnenmaterials. Ihre verschiedenen Applikationsmöglichkeiten – wie die bekannte, knotenlos gekreuzte Doppelreihenkonfiguration mit 4 Ankern oder die knotenlose V- oder W- (sog. „Kassiopeia“) oder sogar VW-Konfiguration – ermöglichen eine weitestgehend maßgeschneiderte Adressierung der jeweiligen Rupturform. Zielsetzung der Speedbridge-Technik ist eine die jeweilige Rupturform respektierende und das Heilungspotenzial der Sehne möglichst wenig kompromittierende Naht von Rotatorenmanschettendefekten bei gleichzeitig hoher Anwenderfreundlichkeit in der Praxis.

Schlüsselwörter: Rotatorenmanschettenläsion, Supraspinatussehnenruptur, Subscapularissehnenruptur, Doppelreihenrekonstruktion, Speedbridge-Technik, knotenlos

Abstract: The optimal balance between sufficient initial fixation strength to last long enough for tendon healing and protection of the degenerative or traumatic compromised healing biology is essential for successful rotator cuff repair. The novel bridging techniques may be advantageous in rotator cuff repair. The Speedbridge-technique provides knotless and laminar repair of the torn tendon(s). Due to its various possible configurations such as the V- or W- (so called “cassiopeia“) or even VW-configuration besides the known knotless and crossed double row with 4 anchors, different types of cuff tear can be adequately addressed. The goal of the Speedbridge-technique is a tailored and tissue respecting, user-friendly rotator cuff repair.

Keywords: rotator cuff tear, supraspinatus tendon tear, subscapularis tendon tear, double row, Speedbridge-Technique, knotless

Einleitung

Sowohl die offene als auch die arthroskopische Versorgung von Rotatorenmanschettenrupturen gehört mittlerweile, bei einer Vielzahl an etablierten Techniken, zu den Standardoperationen im Schulterbereich. Der Anteil an Patienten mit Reruptur oder ausgebliebener Heilung der Rotatorenmanschette ist jedoch noch immer unbefriedigend hoch, trotz Verbesserung von Diagnostik, Operationstechnik sowie postoperativer Nachbehandlung [1, 2, 3].

Eine Reruptur kann mehrere Ursachen haben. In der frühen postoperativen Phase lässt sie sich entweder auf ein direktes Versagen der Naht (Fadenbruch, Knoteninsuffizienz, Anker- oder Fadendislokation) oder ein Durchschneiden der Naht durch die refixierte Sehne zurückführen. In dieser Phase erfolgt die Lastübertragung noch zum größten Teil über das Nahtkonstrukt selbst. Eine Reruptur in der fortgeschrittenen oder späten postoperativen Phase lässt meist auf eine gestörte Biologie der Sehnenheilung schließen. Faktoren wie u.a. eine zu starke Vorschädigung von Sehne und Knochen, eine gestörte oder sogar abgeschnittene Blutversorgung, ein reduzierter Allgemeinzustand, Nikotinabusus oder Cortisoneinnahme mögen hier eine mehr oder weniger große Rolle spielen [4, 5].

Die Erhöhung von Primärstabilität und Ausreißkraft der Rotatorenmanschettennahtkonstrukte stand in den letzten Jahren klar im Vordergrund des wissenschaftlichen und industriellen Interesses, wie die Vielzahl an biomechanischen Arbeiten und industriellen Innovationen belegt. Die Folge war eine sprunghafte Optimierung von Naht- und Ankermaterialen sowie Fixationstechniken. Von der Einzelreihenrekonstruktion sind hohe Versagensraten mit Reruptur oder ausgebliebener Heilung größerer Defekte bekannt [2, 3]. Eine anatomische Footprintrekonstruktion ist in der Regel nicht möglich [6]. Geknotete Doppelreihenrekonstruktionen führen zu einer mehr flächigen und damit anatomischeren Footprintrekonstruktion durch Vergrößerung der Kontaktfläche zwischen Sehne und Knochen [7]. Zudem zeigen sie, sowohl spannungsfrei als auch unter Spannung appliziert, eine höhere Primärstabilität und Versagenslast als die Einzelreihenrekonstruktionen [8, 9]. Burkhart et al. untersuchte eine weiterentwickelte, knotenlose Doppelreihenrekonstruktion an 7 humanen Kadaverschulterpaaren mit dem Ergebnis einer ebenso zufriedenstellenden Primärstabilität wie bei der herkömmliche Doppelreihenrekonstruktion [10]. Eine weitere Erhöhung der Primärstabilität lässt sich, wie von den neueren Bridging-Techniken bekannt, durch Verstärkung der medialen Reihe mittels zusätzlichen Sehnenperforationen und/oder Knoten, erreichen [11, 12]. Diese Steigerung der mechanischen Stabilität geht jedoch zwangsläufig mit einer Erhöhung der Anzahl der Sehnenperforationen und des Nahtmaterialvolumens in und auf der geschädigten Sehne einher, in Kombination mit einem verstärkten Gewebestress [13, 14]. Inwieweit dies zu einer Kompromittierung der Biologie der Sehnenheilung führt, ist noch weitestgehend Gegenstand künftiger Studien. Christoforetti et al. konnten in einer intraoperativen Fallserie (n = 18) mittels Laser-Doppler-Sonde eine signifikante Reduktion des intratendinösen Blutflusses von 45% nach Anbringen der lateralen Reihe der SutureBridge (medial 4 Sehnenperforationen mit 2 Knoten) zeigen [13].

Die ursprüngliche Speedbridge-Technik (Arthrex, Inc.) beruht auf einer vollständig knotenlosen Doppelreihenrekonstruktion [11, 12]. Hervorzuheben sind die insgesamt nur 2 Sehnenperforationen und eine den Druck möglicherweise besser verteilende, flächige Fadenbandrefixierung des gerissenen Sehnenmaterials. Der aus der Schonung der Blutversorgung und Reduzierung des Gewebetraumas resultierende erhoffte Vorteil auf die Sehnenheilung mag dabei klinisch relevanter sein als die von Pauly et al. [12] und Anderl et al. [11] gezeigte, niedrigere biomechanisch Primärstabilität verglichen mit den medial geknoteten Bridging-Techniken. Das schlussendliche Versagen der knotenfreien Speedbridge in 10 Rinderschultern [11] als auch 9 Schweineschultern [12] beruhte auf einem Durchschneiden der medialen Reihe durch die Sehne.

Der aus biomechanischen Arbeiten bekannte Vorteil medial geknoteter Doppelreihentechniken spiegelt sich in klinischen Nachuntersuchungen nicht grundsätzlich wider. Gegenüber der arthroskopischen Einzelreihenrekonstruktion zeigen die neueren, medial geknoteten Techniken mit erhöhter Primärstabilität (mit Ausnahme bei größeren Rupturen und Massenrupturen (≥ 3cm) als gute Indikation für die knotenlose Speedbridge-Technik) bisher keinen signifikanten Einfluss auf das funktionelle Outcome [14]. Verantwortlich mögen dabei eine zu starke Umverteilung der Kraftübertragung auf die mediale Reihe sowie eine gestörte Blutversorgung und Gewebeheilung sein. Einige systematische Übersichtsarbeiten mit meist kernspintomographischer Nachuntersuchung zeigen jedoch eine geringere Rerupturrate mit der Doppelreihenversorgung bei Rissen > 1 cm [15] als Hinweis auf eine verbesserte Sehnenheilung [14]. Längere Nachuntersuchungszeiträume sollen hier Klärung schaffen [14].

Mögliche Konfigurationen der Speedbridge-Technik

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