Übersichtsarbeiten - OUP 06/2020

Korrelation von chronischem unspezifischem Rückenschmerz und lumbaler Sarkopenie und Osteopenie
Der neue radiologische lumbale Sarkopenie-Score (LSP-Score)

Roland Roth, Michael Lachhein

Zusammenfassung:

Der chronische Rückenschmerz gehört zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland und ist in seinen Folgen von erheblicher gesundheitsökonomischer Relevanz [1, 2, 6, 9, 12, 22]. Die genauen Ursachen des chronischen lumbalen unspezifischen Rückenschmerzes sind nicht hinreichend bekannt [20, 21, 26]. Die Beurteilung der lumbalen, paravertebralen Rückenmuskulatur findet in der MRT-Diagnostik der Wirbelsäule allenfalls untergeordnete Bedeutung. Dabei kann lumbale Sarkopenie eine zentrale Rolle in der Entstehung des chronischen Rückenschmerzes spielen.

Schlüsselwörter:
Chronischer unspezifischer Rückenschmerz, lumbale Sarkopenie, Osteopenie, Osteoporose, metabolische Risikofaktoren

Zitierweise:

Roth R, Lachhein M: Korrelation von chronischem unspezifischem Rückenschmerz und lumbaler Sarkopenie und Osteopenie: Der neue radiologische lumbale Sarkopenie-Score (LSP-Score).
OUP 2020; 9: 383–386
DOI 10.3238/oup.2019.0383–0386

Summary: In Germany chronic low back pain is one of the most frequent complaints and its consequences
of considerable health and economic relevance. The precise causes of chronic non-specific low back pain are
not sufficiently known and inadequately described in available literature. In MRT-diagnostic of the spine the
assement of the lumbar paravertebral dorsal muscular system is often only of secondary importance. Lumbar sarcopenia may play a vital role in the development of chronic low back pain.

Keywords: chronic non-spezific low back pain, lumbar sarcopenia, osteopenia, osteoporosis, metabolic risk factors

Citation: Roth R, Lachhein M: Correlation of chronic non-specific low back pain and lumbar sarcopenia
and osteopenia: the new radiologic lumbar sarcopenia-score (LSP-Score). OUP 2020; 9: 383–386
DOI 10.3238/oup.2019.0383–0386

Roland Roth: Orthopädische Praxis, Essen

Michael Lachhein: Gemeinschaftspraxis für Radiologie, Essen

Methode

In einer orthopädischen Praxis wurden im Zeitraum von 18 Monaten im Rahmen einer prospektiven Untersuchung alle behandelten Patienten mit chronischem unspezifischem lumbalem Rückenschmerz erfasst, die mittels MRT und Osteodensitometrie (DXA-Messung) untersucht wurden. Ausschlusskriterium waren ein strukturelles osteogenes, peri- oder intraspinales Korrelat entsprechend Wirbelkörperfraktur oder Sinterung, stenosierende Bandscheibenprotrusion oder Bandscheibenvorfall, relevante Facettenarthrose, Spinalkanalstenose, symptomatische Skoliose sowie stattgehabte Wirbelsäulenoperationen, vorausgegangene Immobilität oder Knochenstoffwechselstörungen. Es resultierte ein Kollektiv von 183 Patienten, die die gestellten Kriterien erfüllten.

Die untersuchten Patienten (n = 183) wurden in 3 Altersgruppen unterteilt. Gruppe I (< 30 Jahre, n = 17), Gruppe II (31–60 Jahre, n = 87), Gruppe III (> 61 Jahre, n = 79).

Befragt wurden alle Patienten nach metabolischen Risikofaktoren (Größe, Gewicht, BMI, Rauchen, Diabetes mellitus, Hypertonie, Hyperurikämie, Hyperlipidämie) sowie der Durchführung eigenständiger regelmäßiger sportlicher Aktivität innerhalb oder außerhalb eines Sportvereins.

Zur Bestimmung des neuen LSP-Scores wurde im MRT die transversale Schnittebene L5–S1 dargestellt und der Anteil der bindegewebigen Degeneration (in Prozent) innerhalb der Faszie des Musculus erector spinae als Ausmaß der lumbalen Sarkopenie (Grad I–V) bestimmt. Es ergibt sich folgende LSP-Score Klassifikation.

Diskussion

Mit steigendem Patientenalter zeigte sich eine signifikante Zunahme der lumbalen Sarkopenie. In der Altersgruppe II (31–60 Jahre) lag bei insgesamt 60,92 % der Patienten eine höhergradige Sarkopenie (Grad III und V) vor, in der Gruppe III (> 61 Jahre) sogar bei 96,21 % (Grad III–V). Die lumbale Sarkopenie scheint ursächlich mit chronischem lumbalem Rückenschmerz zu korrelieren, da andere relevante Pathomorphologien der Lendenwirbelsäule ausgeschlossen wurden [24]. Komorbidität kann dabei Adipositas sein. Der BMI der Altersgruppe III war mit 27,07 erhöht (Adiopsitas Grad I WHO). Verschiedene Autoren beschreiben eine sarkopenische Adipositas [3, 11, 17]. Eine regelmäßige eigenständige sportliche Aktivität nimmt in den Altersgruppen (Gruppe I = 88,24 %), (Gruppe II = 63,22 %) und (Gruppe III = 18,99 %) signifikant ab. Sportliche Aktivität korreliert mit allgemeiner Bewegung. Eine zunehmende lumbale Sarkopenie scheint darüber hinaus mit der Abnahme der Knochendichte einher zu gehen. In der Altersgruppe II zeigten bereits 29,11 % der Patienten eine Osteopenie (DVO), in der Altersgruppe III 69,62 % der Patienten. Sarkopenie, Osteopenie, Osteoporose und Adipositas sind offensichtlich korrelierende Faktoren zunehmender körperlicher Inaktivität [8, 23]. Die verschiedenen Gewebe scheinen wahrscheinlich auf neuronaler und histochemischer Ebene eng zu kommunizieren [19, 27].

Der LSP-Score richtet den diagnostischen Blick auf die bisher unzureichend beachtete Beurteilung der lumbalen Rückenmuskulatur und erlaubt eine praxisrelevante Quantifizierung einer vorliegenden körperlichen Inaktivität. Verzichtet wird bewusst auf eine bisher technisch aufwendige 3D-Rekonstruktion und Messung des Muskelvolumens. Ziel ist eine orientierende und technisch unaufwendige Klassifikation des Ausmaßes der Sarkopenie anhand vorliegender MRT-Schnittbildebenen [10, 14, 15, 18]. Es lassen sich praktische Rückschlüsse auf gezieltes stabilisierendes Muskelfunktionstraining im Alltag sowie in der Sport- und Bewegungstherapie im Rahmen eines multimodalen Schmerz-Therapiekonzepts ableiten [4, 5, 7, 13, 25]. Es zeigt sich die Bedeutung, fachübergreifend möglichst alle Risikofaktoren und relevante Komorbiditäten eines Patienten zu erfassen, um therapeutisch und präventiv effektiv entscheiden und handeln zu können [16].

Interessenkonflikte:

keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Roland Roth

Gelenk- und Sportklinik Rhein/Ruhr

Güterstraße 22

45219 Essen-Kettwig

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