Übersichtsarbeiten - OUP 05/2019

Medikamentöse Therapie entzündlich rheumatischer Erkrankungen

Uwe Schwokowski

Zusammenfassung:

Die medikamentöse Therapie entzündlich rheumatischer Erkrankungen hat sich in den letzten
20 Jahren rasant entwickelt. Neue Therapiestrategien in Kombination mit einer großen Anzahl
innovativer Medikamente haben die Möglichkeiten der Versorgung der Patienten drastisch
verbessert. Rheuma ist kein unabänderliches Schicksal mehr; Zuversicht bei Arzt und Patient.
Das Behandlungsziel Remission bzw. niedrige Krankheitsaktivität ist keine Utopie, sondern häufig Realität. Neben den bekannten Medikamenten in der Frühbehandlung wie NSAR, Glukokortikoide und konventionelle DMARDs, haben die Biologika und aktuell auch die JAK-Inhibitoren einen großen Anteil an dieser äußerst positiven Entwicklung.

Schlüsselwörter:
entzündlich rheumatische Erkrankungen, medikamentöse Therapie, innovative Therapieoptionen

Zitierweise:
Schwokowski U: Medikamentöse Therapie entzündlich rheumatischer Erkrankungen.
OUP 2019; 8: 252–260
DOI 10.3238/oup.2019.0252–0260

Summary: The drug therapy of inflammatory rheumatic diseases has developed rapidly in the last 20 years. New therapeutic strategies combined with a large number of innovative drugs have dramatically improved the patients care options. Rheumatism is no longer an unalterable fate; confidence in the doctor and patient. The treatment goal remission or low disease activity is no utopia, but often reality. In addition to the well-known drugs in the early treatment, such as NSAIDs, glucocorticoids and conventional DMARDs, the biologicals and currently also the JAK-inhibitors have a large share in this positive development.

Keywords: inflamatory rheumatic diseases, medical therapy, innovative therapie options

Citation: Schwokowski U: Drug therapy of inflammatory rheumatic diseases. OUP 2019; 8: OUP 2019; 8: 252–260 DOI 10.3238/oup.2019.0252–0260

Facharzt für Orthopädie, Schwerpunkt Rheumatologie, Lübeck, Leiter des Referats Orthopädische Rheumatologie im BVOU Berlin

Entzündlich rheumatische Erkrankungen sind nach aktualisierten Daten häufiger als bisher angenommen. Mehr als 2 % der deutschen Bevölkerung sind betroffen, die Erkrankungshäufigkeit allein der Rheumatoiden Arthritis betrug 2014 etwa 1,2 % [1].

Eine frühe Diagnostik entzündlich rheumatischer Erkrankungen in Verbindung mit einer frühen entsprechenden Therapieeinleitung im window of opportunity kann die Krankheitsaktivität unterbrechen und zu einer Remission führen. Hier sind der Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie und der orthopädische Rheumatologe gefordert, frühzeitig die Weichen für eine entsprechende Therapie zu stellen. Bei dem bekannten Versorgungsdefizit in der Rheumatologie in Deutschland und den langen Wartezeiten bei internistischen Rheumatologen ist es zwingend erforderlich, dass der Orthopäde in seiner täglichen Praxis nicht nur in der Frühdiagnostik aktiv ist, sondern auch in der Lage ist, eine frühzeitige Therapie einzuleiten.

„Turbulente Zeiten in der Rheumatologie“. Die Lebenserwartung von Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen war 1997 gegenüber Gesunden um ca. 10 Jahre verkürzt, etwa die Hälfte der Patienten war vollinvalidisiert und häufige Gelenkoperationen einschließlich endoprothetischer Versorgung waren die Regel. Das Therapieziel heute lautet, dass der Rheumapatient nichts mehr von seiner Erkrankung spürt, seine volle Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität behält und rheumachirurgische Eingriffe vermieden werden. Der Funktionsstatus und die Lebenserwartung nähern sich den Zahlen der Normalbevölkerung [2].

Wie lässt sich der dramatische Wandel in nur 20 Jahren erklären? Einerseits durch Fortschritte bei der Aufklärung der Pathogenese, andererseits wurde auch die Früherkennung bei der Rheumatoiden Arthritis (RA), Psoriasis-Arthritis (PsA) und der axialen Spondyloarthritis (axSpA) deutlich verbessert. Neue ausgezeichnete Leitlinien beschleunigen nicht nur die Diagnostik, sondern sind auch äußerst hilfreich bei den therapeutischen Optionen: hit hard and early und treat to target sind die Empfehlungen für das Erreichen des Behandlungsziels Remission [2].

Einen entscheidenden Anteil hat aber die Entwicklung und Etablierung hochwirksamer und gut verträglicher Biologika. Ausgehend von den ersten Biologika Infliximab (1999) und Etanercept (2000) verfügen wir über 13 weitere Wirkstoffe einschließlich der Biosimilars und der neuesten Therapieoption mit JAK-Inhibitoren [2]. Weitere Neuzulassungen sind 2018 erfolgt und werden 2019 folgen.

Für die 3 häufigsten entzündlich rheumatischen Erkrankungen, die Rheumatoide Arthritis, die Psoriasis-Arthritis und die axiale Spondyloarthritis haben die entsprechenden deutschen und internationalen Fachgesellschaften Therapieleitlinien erarbeitet, die für den Praxisalltag von besonderer Bedeutung sind.

Die aktualisierte S2e-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) zur „Therapie der Rheumatoiden Arthritis mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten“ von 2018 bezieht sich auf den neuesten Stand der medizinischen Evidenz und wird für die nächsten Jahre vorrangig für die therapeutischen Entscheidungen sein. Das Ziel der Behandlung bleibt das Erreichen einer Remission, oder wenn nicht möglich, zumindest einer möglichst niedrigen Krankheitsaktivität (Abb. 1a–b).

Für die Therapie der PsA sind die 2016 aktualisierten internationalen Empfehlungen der European League against Rheumatism (EULAR) und der Group for Research and Assessment of Psoriasis and Psoriasis Arthritis (GRAPPA) der Standard. Die ASAS-(Assessment of Spondyloarthritis International Society) und EULAR Recommendations for the Management of axial Spondyloarthritis von 2016 sind die aktuelle Grundlage für die Therapie der axSpA.

Der Patient in der orthopädischen Praxis mit entzündlich geschwollenen Gelenken oder einem entzündlichen Rückenschmerz hat primär das Anliegen, vom Schmerz befreit zu werden. Für den Arzt ist sicherlich die Diagnosefindung bedeutsam, aber zunächst steht die Schmerzlinderung und Entzündungsreduktion an erster Stelle. Hierzu stehen ihm insbesondere NSAR/Coxibe oder Glukokortikoide zur Verfügung, für den Schmerz alternativ möglicherweise auch ein Analgetikum (Abb. 2).

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) in der Therapie entzündlich rheumatischer Erkrankungen

In der Therapie rheumatischer Erkrankungen werden seit Jahrzehnten vorzugsweise NSAR verordnet. Hiermit gelingt es, den entzündlichen Schmerz schnell zu reduzieren, den entzündlichen Prozess zu stoppen und die Beweglichkeit zu verbessern. Allerdings kann die rheumatoide Gelenkdestruktion nicht verhindert werden. Die meisten chronisch rheumatisch bedingten Schmerzen haben einen hohen Anteil von allen Schmerzarten: mixed pain (gemischter Schmerz) aus peripher nozizeptiven, peripher neuropathischen und zentralen Schmerzen [3]. Traditionelle NSAR (tNSAR) oder COX-2-selektive NSAR (Coxibe) wirken nicht nur analgetisch, sondern auch antiphlogistisch und können individuell bei Patienten unterschiedlich effektiv sein [4]. Von unerwünschten NSAR-Wirkungen können zahlreiche Organe und Organsysteme betroffen sein, die zwar meist reversibel sind, teilweise aber auch mit schwereren gastrointestinalen oder kardiovaskulären Ereignissen einhergehen können. Mehrere Fall-Kontroll-Studien weisen allerdings darauf hin, dass das kardiovaskuläre Risiko unter NSAR bei RA-Patienten bis zu 50 % geringer ist als bei Behandlung anderer Diagnosen [5]. Patientenbezogene Risikofaktoren für besonders bedrohliche gastrointestinale Nebenwirkungen sind höheres Lebensalter (> 65 Jahre), eine positive Gastrointestinal-Anamnese sowie weitere schwere Grund- oder Begleiterkrankungen. Des Weiteren erhöhen auch Komedikationen das Risiko, wie z.B. eine Glukokortikoid-Therapie, Antikoagulanzien oder Antidepressiva.

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