Medien - OUP 02/2012

Orthopädie und Unfallchirurgie
Joachim Grifka, Markus Kuster: Orthopädie und Unfallchirurgie. Für Praxis, Klinik und Facharztprüfung. Springer, Berlin–Heidelberg 2011, 28,4 × 21,4 cm, Hardcover. 1109 S. (inkl. 45 Seiten Stichwortverzeichnis), 1719 Abb., 155 Tab., ISBN 978-3-642-13110-3

Mit Zusammenführung der beiden großen Fachgebiete Orthopädie und Unfallchirurgie zum gemeinsamen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit dem Ziel der Behandlung von akuten und chronischen Erkrankungen und Störungen der Bewegungsorgane wurden die Anforderungen an Ausbildung und faktischen Wissensstand deutlich erweitert. Diesem Umstand wurde in den letzten Jahren durch umfassende Lehrbücher (auch im Sinne der angloamerikanischen Textbooks) durch sämtliche medizinischen Großverlage Rechnung getragen. Für den Springer-Verlag in Heidelberg haben der renommierte deutsche Orthopäde Prof. Dr. Grifka aus Bad Abbach/Regensburg sowie der Unfallchirurg Prof. Dr. Kuster aus St. Gallen zusammen mit ihren Ärzteteams die anspruchsvolle Aufgabe übernommen, dieses neue Fachgebiet auf neuestem, modernstem Wissensstand umfassend in Buchform abzubilden.

Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses schwierige Vorhaben ist den beiden Autoren sehr gut geglückt: Nach allgemeinen Vorbemerkungen und den Grundlagen des therapeutischen Vorgehens (operativ, konservativ) widmen sich weitere Kapitel den Systemerkrankungen (einschließlich des großen Teilgebiets der rheumatoiden Arthritis), der peripheren Traumatologie, den regionalen Erkrankungen (hier körperregionspezifisch besprochen) sowie letztendlich der Kinderorthopädie und Kindertraumatologie. Die einzelnen Kapitel sind didaktisch sehr schön gegliedert; hervorzuheben sind insbesondere auch die hervorragende Bebilderung und die übersichtlichen Tabellen. Diagnostische Feinheiten werden krankheitsspezifisch abgehandelt, unter diesen Voraussetzungen kann durchaus auf ein vorangehendes allgemeines einheitliches Kapitel mit Besprechung klinischer und bildgebender diagnostischer Verfahren verzichtet werden. Das abschließende Begutachtungskapitel gibt wertvolle Hinweise für die unterschiedlichen Gesichtspunkte der Anspruchsvoraussetzungen der einzelnen Kostenträger, wobei allerdings leider auf eine tabellarische Übersicht wichtiger Standardsätze der MdE sowie des GdB verzichtet wird. Die Berufskrankheiten werden zwar aufgelistet, für eine gutachterliche Bewertung sind die gegebenen Informationen jedoch bei Weitem nicht ausreichend.

Im Vorwort wird zunächst darauf hingewiesen, dass das Buch in erster Linie zur Vorbereitung auf die Facharztprüfung (im deutschsprachigen Raum) gedacht ist. Andererseits sind die vermittelten Inhalte jedoch durchaus so umfangreich, dass dieses Buch auch als Standard-Nachschlagewerk taugt. Als langjähriger „Facharztprüfer“ der Ärztekammer fällt mir leider immer wieder auf, dass gerade im Hinblick auf die „klassische konservative Orthopädie“ oft erhebliche Wissenslücken bestehen. Die überwiegende Zahl der Orthopäden und Unfallchirurgen ist schließlich in Praxen niedergelassen, ihr wesentlicher Auftrag liegt in der sog. ambulanten „Grundversorgung“. Diesem Problem wird das hier vorgelegte Werk nur teilweise gerecht: Diagnostische Pfade bei wichtigen klinischen Störungen und Symptomen zur eindeutigen Abklärung und Vermittlung einer ökonomisch adäquaten Behandlung fehlen. Der orthopädischen Schmerztherapie werden insgesamt zehn Seiten gewidmet, wobei die Autoren sich hier lediglich auf die medikamentösen Maßnahmen beschränken. Hinweise auf die große Palette der therapeutischen Lokalanästhesie sind unvollständig. Das Kapitel über die orthetische und Hilfsmittelversorgung ist für das Facharztwissen adäquat. Das wichtige Kapitel der Krankengymnastik und physikalischen Therapie mit Rehabilitation umfasst 31 Seiten. Es fehlen hier Hinweise für ein sachgemäßes Verordnungsverhalten, in der heutigen Zeit ein häufiger Schwachpunkt in der Facharztpraxis. Die Ultraschalltherapie als Methode der Elektrotherapie einzuordnen, ist sicherlich ein (verzeihlicher) Fehler.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Das hier vorgelegte, sehr umfangreiche Werk wird dem Anspruch der Vermittlung des Facharztwissens auf dem „gesamten Gebiet der Orthopädie und Traumatologie“ in übersichtlicher Form sicherlich weitgehend gerecht. Die Erkennung, Abklärung und Behandlung von Erkrankungen der Haltungs- und Bewegungsorgane in einer Synopse ist sicher nur in komprimierter Form möglich. Dennoch eignet sich das hier vorgelegte Buch auch durchaus als Nachschlagewerk für den klinisch und ambulant tätigen Facharzt, da es über den aktuellen Wissensstand bezüglich der einzelnen Krankheitsbilder einen aussagekräftigen aktuellen Überblick gibt. Der Preis ist im Hinblick auf die sehr schöne Bebilderung durchaus angemessen.

 

Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. Jürgen Heisel (Bad Urach)

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