Übersichtsarbeiten - OUP 09/2019

Prädiktoren für das Outcome einer Osteotomie

Stefan Hinterwimmer

Zusammenfassung:

„Welche Parameter sprechen für einen therapeutischen Erfolg?“ ist eine häufig gestellte Frage im Zusammenhang mit jeglichem operativem Eingriff, so auch mit einer kniegelenknahen Osteotomie. Positive Prognosefaktoren für den langfristigen Erfolg einer kniegelenknahen Osteotomie, in diesem Fall vor allem für die valgisierende hohe Tibiaosteotomie HTO sind:

der konstitutionelle tibiale Varuswinkel TBVA > 3–5°,

die Kniegelenkbeweglichkeit > 100° Flexion,

das männliche Geschlecht und

der BMI < 30.

Unklar ist, ob der Arthrosegrad des betroffenen (medialen) Kompartiments eine besondere Rolle spielt. Unerheblich sind das Ausmaß der Achsenfehlstellung, das Geschlecht oder psychopathologische Komorbiditäten.

Schlüsselwörter:
Osteotomie, Knie, Langzeitresultat, Prädiktor

Zitierweise:

Hinterwimmer S: Prädiktoren für das Outcome einer Osteotomie. OUP 2019; 8: 470–474

DOI 10.3238/oup.2019.0470–0474

Summary: „Which parameters are in favour of a therapeutical success?“ is a common question to consider in combination with every surgical procedure. Positive outcome predictors for long-term success of an osteotomy around the knee, especially for a valgus osteotomy at the tibia are:
a tibial bone varus angle TBVA > 3–5°,
knee joint range of motion > 100° flexion,
male sex,
a BMI < 30.
It is unclear whether the degree of degeneration of the affected (medial) compartment is of special relevance. The severity of malalignment and the patient’s sex and psychopathological comorbidities are insignificant.

Keywords: osteotomy, knee, follow-up, outcome predictor

Citation: Hinterwimmer S: Predictors for the outcome of osteotomies. OUP 2019; 8: 470–474
DOI 10.3238/oup.2019.0470–0474

OrthoPlus München

Einleitung

„Welche Parameter sprechen in diesem speziellen Fall für oder gegen einen therapeutischen Erfolg mit der zur Debatte stehenden Maßnahme?“. Im Folgenden sollen die wichtigsten, über die Erfolgsaussichten einer kniegelenknahen Osteotomie entscheidenden Faktoren einzeln beleuchtet werden, fokussiert auf den Einsatz bei der Gonarthrose. In allen einzelnen Unterpunkten wird versucht, die entsprechende Literatur chronologisch zu ordnen, und damit auch einen Überblick über die Entwicklungen der genannten Faktoren über die Zeit zu geben.

In einer Literaturanalyse aus dem Jahr 2014 [6] wurden insgesamt 21 Level-1– und Level-2-Studien bzgl. der Ergebnisse einer valgisierenden hohen Tibiaosteotomie HTO bei medialer Gonarthrose analysiert. Zusammenfassend zeigte sich durch diesen Eingriff:

Reduktion von Schmerzen,

Verbesserung funktioneller Knie-Scores.

Eine weitere systematische Literaturanalyse beschreibt, wie lange mit einer valgisierenden HTO eine endoprothetische Versorgung hinausgezögert bzw. ganz vermieden werden kann. In 69 Studien mit mehr als 4500 Kniegelenken, welche mittels isolierter HTO oder HTO plus Knorpeltherapie versorgt wurden, konnten Überlebensraten von 92 % nach 5 Jahren, von 85 % nach 10 Jahren, von 77 % nach 15 Jahren und von immerhin noch 72 % nach 20 Jahren nachgewiesen werden [14].

Auf Basis dieser beiden Arbeiten kann man einem Patienten in Aussicht stellen, dass mit einer valgisierenden HTO auch noch nach 15–20 Jahren die Wahrscheinlichkeit hoch ist, keine Prothese zu benötigen.

Dennoch, welche Parameter entscheiden darüber, dass man mit dem evidenzbasierten Verfahren HTO die genannten hohen Erfolgsraten erreicht? In Anbetracht des bisher gesagten und der zur Verfügung stehenden Literatur wird im Folgenden der weitgefasste Begriff ‚kniegelenknahe Osteotomie’ synonym für die valgisierende HTO verwendet.

Mechanische Parameter

Eine klare Indikation für eine kniegelenknahe Osteotomie ist das Vorliegen einer knöchernen Fehlstellung und der Zustand des medialen und lateralen Gelenkkompartiments [28].

Gelenk-Zustand und
-Geometrie

Manche Studien besagen, dass das Langzeitergebnis (> 10 Jahre) bei einer valgisierenden Osteotomie am besten ist, wenn der Arthrosegrad des medialen Kompartiments zum Zeitpunkt der OP möglichst niedrig ist. Wenn der Arthrosegrad nach Kellgren Lawrence Grad 2 überschreitet, würde dies wiederum ein signifikant erhöhtes Risiko für eine Konversion zur Totalendoprothese innerhalb von 10 Jahren mit sich bringen [8]. Andere Studien wiederum widersprechen dem explizit: Das OP-Ergebnis hängt nicht vom Ausmaß der Arthrose zum Zeitpunkt der OP ab [26].

Unstrittig ist der Einfluss geometrischer Parameter des betroffenen Kniegelenks (aus dem englischen Sprachgebrauch):

  • TBVA = Tibial Bone Varus Angle
  • JLCA = Joint Line Convergence Angle
  • HKA = Hip Knee Ankle Angle

Der konstitutionelle tibiale Varuswinkel TBVA beschreibt den a.-p.-Ebenen-Winkel zwischen der epiphysären Achse und einer Geraden von der Mitte der Interkondylenhöcker zur Mitte einer Linie, die den inneren und äußeren Rand der ehemaligen Tibiametaphyse verbindet. Wenn dieser Winkel 3–5° oder noch besser > 5° beträgt, dann verbessert dies die Prognose einer valgisierenden HTO erheblich [4, 20].

Der Gelenklinienkonvergenzwinkel JLCA beschreibt den Winkel zwischen den Tangenten an die femorale und tibiale Gelenkfläche. Dieser ist normal 1–3° nach lateral geöffnet [28]. Ein erhöhter JLCA entsteht durch medialen Knorpelverschleiß und /oder laterale Bandlaxität. Dies ist für sich kein positiver oder negativer Outcome-Prädiktor, stellt aber zumindest ein Gefahrenmoment in Bezug auf einen negativen post-OP-Prädiktor dar, die Überkorrektur. In Fällen eines erhöhten JLCA muss mit einer Überkorrektur gerechnet werden, wenn man die prä-OP gemessene Fehlstellung, die zum Teil im Gelenk und in den Weichteilen steckt, rein knöchern zu korrigieren versucht [19].

Der Fehlstellungswinkel in der Frontalebene HKA, der Winkel zwischen mechanischer Achse von Femur und Tibia, wird in einem Konsensus-Meeting der International Society of Arthroscopy, Knee Surgery and Orthopaedic Sports Medicine (ISAKOS) mit < 15° als ideal beschrieben [29]. Unterstützt wird dies durch eine Arbeit aus 2011, in der bei Fehlstellungen < 10° kein Einfluß der präoperativen Varusfehlstellung auf das postoperative Outcome feststellt werden konnte [8]. Dies muss durch eine andere Veröffentlichung relativiert werden, die bis zu 25° keine Abhängigkeit des OP-Ergebnisses von dieser doch erheblichen Deformität finden kann [3]. Betont werden muss jedoch, dass in dieser Studie die postoperative Gelenkebene, gemessen im MPTW, unbedingt zwischen 90° und 94° gehalten wird und folglich höhergradige Fehlstellungen unbedingt mit einer femoralen und tibialen Doppelosteotomie behandelt werden [3, 15].

Gelenkbeweglichkeit

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