Informationen aus der Gesellschaft - OUP 07-08/2012

Präventivmedizin
Instrumentenaufbereitung – aus Fehlern lernen und Qualität entwickeln

Präventivmedizin, das Schwerpunktthema beim 15. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e.V. (DGfW), befasste sich nicht nur mit den Fragen, wie postoperative Wundinfektionen durch Mikroorganismen wie MRSA reduziert werden können. Vom 14. bis 16. Juni ging es während des Kongresses im Palais in Kassel auch um Wundheilungsstörungen wie sie z.B. durch Rost-, Silikat- und Staubpartikel bedingt werden und für die Patienten ein Risiko darstellen können. Dazu ein Interview mit Kongresspräsident Prof. Hans-Martin Seipp, Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin, FH Gießen.

 

Frage: Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums werden jährlich 400.000 bis 600.000 Patienten nach Operationen neu infiziert – welche Bedeutung haben dabei Rost-, Silikat- und Staubpartikel?

Seipp: Während nach Operationen Wundinfektionen mit einer Häufigkeit zwischen ca. 1% bis maximal 7% auftreten, finden sich nach 50–100% aller Operationen Granulome und Adhäsionen, die zu Verwachsungen führen. Diese Verwachsungen entwickeln sich insbesondere durch sterile Partikel, welche aus Bauchtüchern, textilbezogenen Instrumenten, Rost und Silikat auf den Instrumenten oder aus der Raumluft resultieren. Verwachsungen können schwere Schmerzsymptomatiken oder gar einen Darmverschluss mit der Notwendigkeit zu Wiederholungsoperationen bedingen.

 

Frage: Welche grundsätzlichen Fehler wurden bei der Instrumentenaufbereitung gemacht?

Seipp: Die Instrumentenaufbereitung ist ein hochkomplexer Prozess, der ein Produkt liefern soll, das keine Risiken für Patienten und Anwender beinhaltet. Dabei werden sowohl die Komplexität dieser Aufgabenstellung als auch die damit verbundenen Risiken ganz erheblich unterschätzt: Es mussten erst über 13 Aufbereitungseinheiten für Sterilgut bayerischer und hessischer Klinken in 2010/11 geschlossen werden, bevor die Öffentlichkeit und die verantwortlichen Betreiber die Strukturprobleme erkannten. Zwar gibt es die gesetzliche Verpflichtung zur „Validierung“ des Aufbereitungsverfahrens. Diese führte jedoch bisher nicht zu einer ausreichenden Prozess-Sicherheit bei der Instrumenten-Reinigung, -Desinfektion und -Sterilisation. Einerseits fehlt eine qualifizierte behördliche Kontrolle und andererseits können Dienstleister – auch ohne ausreichende Kenntnisse und Erfahrung und ohne dass ausreichende verfahrenstechnische Regeln bestehen – ihre „Schein-Validierungen“ anbieten, die zu jeder gewünschten „Bescheinigung“ führen.

Weiterhin wurden in den letzten 10 Jahren viele neue Produkte auf den Markt ge-bracht, welche die Instrumentenaufbereitung eigentlich optimieren sollten. Anhand der Silikat-haltigen Reiniger für Reinigungs- und Desinfektionsautomaten zeigt sich jedoch beispielhaft, welche Risiken diese im Bereich der Prozess- und Ergebnisqualität bedingt haben. Diese schwerwiegenden Mängel waren auch deshalb möglich, weil die mit der Instrumentenaufbereitung verbundenen Risiken bzw. Gefahren weder wissenschaftlich-kritisch noch Hersteller-unabhängig bearbeitet wurden.

 

Frage: Gibt es aktuelle Beispiele für besondere technische Risiken?

Seipp: Bekannt sind zunächst die Silikat-haltigen Reiniger, die zu bräunlichen Belägen auf den Instrumenten führten, sodass die Mitarbeiter nicht mehr unterscheiden können, ob es sich um Silikatablagerungen, Blutreste oder Korrosion handelt.

Weiterhin werden seit Jahren zunehmend Kunststofffolien zur Verpackung der kom-pletten Instrumenten-Sets verwendet. Werden diese mehrfach bzw. mehrlagig um das Instrumentarium oder in Container gegeben, so werden der Dampfdurchtritt und die Kondensatentfernung erheblich gehemmt.

Ebenso zu erwähnen sind Verteilerbänke für MIC-Instrumentarien, welche es ermöglichen sollen, dass gleichzeitig viele englumige Instrumententeile im RDG (Reinigungs-Desinfektions-Gerät) durchspült werden. Diese können einerseits zu so massiven Druckverlusten führen, dass keine ausreichende Durchströmung mehr mit Reinigungslösung in den MIC-Teilen stattfindet. Insbesondere jedoch werden solche Systeme auch aus Rotguss mit verchromten Oberflächen angeboten: Diese setzten dann Chrom-Nickel-Partikel während der Spülung und Desinfektion frei, die in der Reinigungsmaschine verteilt und auf andere Instrumente aufgebracht werden. Hier-aus leitet sich besonders für allergische Patienten ein Risiko ab, das es zwingend zu vermeiden gilt.

Abschließend sei noch auf die fehlerhafte Verpackung von Messprothesen in Einweg-Nierenschalen hingewiesen: Bevor Brustimplantate intraoperativ endgültig einge-bracht werden, kommen zunächst Messprothesen zur Anwendung, die mehrfach re-sterilisiert werden können. Diese Messprothesen werden z.T. fehlerhaft in Einweg-Nierenschalen verpackt sterilisiert. Damit können Kleber und Weichmacher aus den Papp-Nierenschalen auf der Oberfläche der Mess-prothesen fixiert werden und gelangen dann im Rahmen der nächsten Anwendung in die Brustwunde. Papp-Nierenschalen sind sehr kostengünstig zur einmaligen Verwendung z.B. zur Aufnahme von Erbrochenen, jedoch zur Sterilisation gemeinsam mit Medizinprodukten nicht geeignet.

 

Frage: Woran können sich Kliniken orientieren, um das Risiko für das Personal und die Patienten gering zu halten?

Seipp: Kliniken und Zentren des ambulanten Operierens müssen selbst Kompetenzen zur Instrumentenaufbereitung aufbauen, um mit qualifiziertem Personal das erforderliche Wissen verfügbar zu haben. Dies wird jedoch einige Jahre in Anspruch nehmen. Bis dahin sollten sich die Einrichtungen regional unter Einbeziehung der Aufsichtsbehörden zusammenschließen. So können sie eine eigene Qualität entwickeln, Prüfsysteme gemeinsam nutzen, gewonnene Erfahrungen mit am Markt befindlichen Anbietern, Geräten und Produkten sowie von „Validierungsdienstleistern“ austauschen und damit Risiken frühzeitig erkennen.

Frage: Wie lässt sich Qualitätsmanagement im Bereich der Instrumentenaufbereitung durchzusetzen und welche Aufgabe sieht die DGfW dabei?

Seipp: Zunächst bedarf es einer Qualifizierung der Mitarbeiter in Kliniken und Aufsichtsbehörden sowie klarer rechtlicher Regeln zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Seitens der Behörden ist der Regelungsbedarf jetzt erkannt und es werden Alternativen gesucht. Dabei muss zukünftig neben der Prävention von Infektionen insbesondere auch das erhebliche Risikopotenzial aus toxischen Stoffen, Allergenen und Partikeln berücksichtigt werden.

Als Fachgesellschaft mit dem Ziel der Prävention von Wundheilungsstörungen wird die DGfW in den kommenden Jahren ein Netzwerk von Wissenschaftlern aller inte
ressierten Hochschulen aufbauen und versuchen, Forschungsprojekte zu initiieren, mit deren Ergebnissen die Instrumentenaufbereitung strukturiert überwacht und bewertet werden kann. Die DGfW schafft die wissenschaftlichen Voraussetzungen für messbare und evaluierbare Prozesse. Die Instrumentenaufbereitung muss im Sinne einer „Stiftung Warentest“ unabhängig bewertet werden. Dazu bedarf es einer sehr engen Zusammenarbeit mit den verschiedenen klinischen Anwendern in allen operativ-tätigen Fächern, den Wissenschaftlern, den Aufsichtsbehörden und der Politik.

Hintergrund

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