Übersichtsarbeiten - OUP 09/2014

Rheumatoide Arthritis – für den Langzeitverlauf kritische diagnostische und therapeutische Entscheidungen

A. Schnabel1

Zusammenfassung: Neben der Einführung wirksamerer Immunsuppressiva sind vor allem die Einhaltung strikter Zeitziele bei der Diagnostik und der effektivere Einsatz der Immunsuppressiva maßgeblich an der Verbesserung der Langzeitprognose der Rheumatoiden Arthritis beteiligt. Das klinische Bild zusammen mit dem Nachweis von Anti-CCP, bei Bedarf ergänzt durch die Gelenksonografie und Kernspintomografie, erlaubt eine sichere Diagnose innerhalb von 6 Wochen nach dem Krankheitsbeginn und die umgehende Einleitung der Immunsuppression. Die frühzeitige Abschätzung des Schädigungsrisikos unterstützt einen individualisierten, präventiven Behandlungsansatz. Die ersten Krankheitsmonate sind das kritische Zeitfenster, in dem eine risikoadaptierte Immunsuppression die vollständige Wiederherstellung ermöglicht und die Grundlagen legt für den langfristigen Erhalt von Struktur und Funktion. Die für diesen Ansatz wichtigen Elemente in Diagnostik und Therapie werden im Folgenden kurz erläutert.

Schlüsselwörter: Rheumatoide Arthritis, Diagnose, Behandlungsstrategie, Ergebnisse

Zitierweise
Schnabel A. Rheumatoide Arthritis – für den Langzeitverlauf kritische diagnostische und therapeutische Entscheidungen
OUP 2014; 9: 414–419 DOI 10.3238/oup.2014.0414–0419

Abstract: Adherence to a strict diagnostic and therapeutic time table during incipient disease and compulsory modification of the treatment regimen in the event of an insufficient treatment effect are central elements of a favourable outcome in rheumatoid arthritis. The clinical appearance, positivity for anti-CCP and, if required, articular ultrasonography and MRI scanning generally lead to a firm diagnosis within no more than 6 weeks. Scoring systems have been proposed to identify patients at risk for a detrimental course, this facilitating an approach aimed at precluding irreversible damage. Complete remission of inflammation during the first few months of disease generally lead to a complete recovery, the long-term preservation of structure and function and is an important prerequisite for long-term tapering of the immunosuppression.

Keywords: rheumatoid arthritis, diagnosis, treatment strategy, outcome

Zitierweise
Schnabel A. Rheumatoid arthritis – diagnostic and therapeutic decisions enhancing a favourable outcome.
OUP 2014; 9: 414–419 DOI 10.3238/oup.2014.0414–0419

Ziele der antirheumatischen Therapie

Die Anforderungen an den Wirkungsnachweis der Therapie entzündlich- rheumatischer Krankheiten sind in den vergangenen Jahren ständig gestiegen. Beruhte in den 70er und 80er Jahren die Beurteilung des Therapieeffekts bei der Rheumatoiden Arthritis (RA) noch maßgeblich auf Surrogatmarkern wie der Blutsenkungsgeschwindigkeit oder der Zahl der röntgenologisch nachgewiesenen entzündlichen Erosionen, wird heute Indikatoren der funktionellen Beeinträchtigung und der Lebensqualität immer größeres Gewicht zugemessen. Validierte Messinstrumente für die Funktionsfähigkeit im Alltag (in Deutschland in erster Linie Funktionsfragebogen Hannover – FFbH) und Indizes der Lebensqualität (z.B. SF36) stehen gleichberechtigt neben den Indizes für die Beurteilung der Entzündungsaktivität (u.a. Disease Assessment Score 28 – DAS 28; ACR 20, 50, 70). Zunehmend wird auch der Nachweis gefordert und erbracht, dass therapeutische Neuerungen messbare Effekte auf die Teilhabe am Erwerbsleben bringen müssen, gemessen etwa an der Zahl der krankheitsbedingten Fehltage oder der Häufigkeit einer krankheitsbedingten Berentung [1–3].

Grundlagen der
Prognoseverbesserung

Auch mit immer stringenteren Anforderungen an den Erfolgsnachweis besteht kein Zweifel daran, dass RA-Patienten heute eine wesentlich optimistischere Prognose gestellt werden kann als noch zu Anfang der 90er Jahre [2, 4]. Versuche, diese Entwicklung einzelnen Medikamenten, Medikamentengruppen oder einzelnen medizinischen Versorgungsleistungen zuzuschreiben, werden der Komplexität des Themas nicht gerecht. Vielmehr dürften das bessere Verständnis des Langzeitverlaufs und die daraus entstandenen Anleitungen für vorausschauendes, präventives Handeln eine ebenso große Bedeutung haben wie die Einführung neuer Medikamente.

Im Folgenden soll der aktuelle Wissensstand zu den zentralen Bestandteilen einer zeitgemäßen Betreuung von RA-Patienten kurz zusammengefasst werden.

Leitsymptom Polyarthritis

Sprechen ein prominenter Ruheschmerz, eine 60 Minuten und länger anhaltende Morgensteife, eine deutliche Weichteilschwellung an mehreren Gelenken, und die Beschwerdebesserung durch lokale Kälteanwendung für eine (Poly-) Arthritis, liegt in der großen Mehrzahl der Fälle eine Erkrankung der in Abbildung 1 aufgeführten Arthritiden vor. In ihrem Vollbild ist die RA eine seitensymmetrisch verteilte Polyarthritis, die in der Mehrzahl der Fälle eine prominente Beteiligung der kleinen Gelenke der Hände und Füße aufweist. Bekanntermaßen beginnt ein nennenswerter Anteil der Polyarthritiden oligoartikulär und wird erst im Verlauf polyartikulär. Dank des hohen Vorhersagewerts des Anti-CCP (s. Absatz Serologie) kann in der Mehrzahl der Fälle aber die Diagnose bereits im oligoartikulären Frühstadium gestellt und so wertvolle Zeit für die Therapieeinleitung gewonnen werden. Die neuen Diagnosekriterien der EULAR für die RA (Tab. 1) tragen auch dem Umstand Rechnung, dass ein substanzieller Teil der RA-Erkrankungen ohne signifikante Erhöhung der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) oder des C-reaktiven Proteins (CRP) beginnt. Erhöhte Werte unterstützen die Diagnose, sind für die Diagnosestellung aber nicht zwingend.

Kurze Differenzialdiagnose

Parainfektiöse Arthritiden infolge von Virusinfekten lassen sich mehrheitlich durch die Anamnese und die meist deutliche Remissionstendenz schon innerhalb von Tagen abgrenzen (Tab. 2). Die polyartikuläre Variante der Psoriasisarthritis, die das gleiche Verteilungsmuster wie die RA aufweisen kann, lässt sich mehrheitlich durch die Haut-/Nagelsymptomatik abgrenzen. Letztere kann bekanntermaßen unauffällig verlaufen und dem Patienten bis dato nicht bewusst sein. Für den Verdacht auf eine Polyarthritis im Rahmen einer Kollagenose sind die Anamnese und der klinische Befund wichtiger als die Serologie. Antinukleäre Antikörper (ANA) sind bekanntermaßen häufig in unserer Bevölkerung und in der Mehrzahl der Fälle ein serologischer Befund ohne klinisches Korrelat. Sie sind dann wegweisend, wenn die Kombination einer Polyarthritis mit weiteren klinischen Zeichen wie Dermatitis, Serositis, Hämolyse, Leukopenie, Nephritis, Raynaud-Syndrom, Thrombembolien oder rezidivierende Aborte auf eine Systemkrankheit hinweist. In der zweiten Lebenshälfte muss die RA von Kristallarthropathien abgegrenzt werden. Insbesondere die Kalziumpyrophosphat-Krankheit kann an der Hand mit der Schädigung der Fingergrundgelenke und dem entzündlichen Ersteindruck das Erscheinungsbild der RA imitieren. Das Röntgenbild mit den staubförmigen Kalksalzablagerungen im Discus articularis des Carpus und dem Arthrosebild an den Fingergrundgelenken weist den Weg zur Diagnose.

Serologie

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