Wissenschaft - Kurzbeiträge - OUP 12/2015
Schenkelhalsfrakturen: Wann gelenkerhaltend, wann Gelenkersatz?Differenzialindikation der Endoprothese bei Schenkelhalsfrakturen
Felix Bonnaire1, Philipp U. Bula2
Prof. Dr. Felix Bonnaire und Dr. Phillip U. Bula sprachen auf auf dem DKOU über Schenkelhalsfrakturen
Die entscheidenden Zielgrößen bei der Behandlung von Schenkelhalsfrakturen sind in der aktiven Lebensphase Funktions- und Gelenkerhalt. Mit zunehmendem Alter tritt der Knochenerhalt als wesentliche Größe hinzu. Bei der Entscheidungsfindung für die beste Operationsmethode sind individuelle Faktoren ausschlaggebend. Die Entscheidung muss schnell fallen und die Operation sollte möglichst innerhalb von 24 h erfolgen.
Die Endoprothese hat Vor- und Nachteile: Je jünger und aktiver der Mensch ist, desto schneller verbraucht und lockert sich seine Prothese [1]. Jedes Alter hat geschlechtsspezifische Standzeiten, die errechnen lassen, wie hoch die Revisionsraten im Verhältnis zur Lebenserwartung sind. Eine Endoprothese bei einem 20-jährigen Mann könnte einen 3-maligen Prothesenwechsel mit allen damit verbundenen Unwägbarkeiten bedeuten. Für eine 80-jährige Frau stellt sich die Situation vollständig anders dar: Sie braucht eine schnelle und definitive Versorgung, die sie in die Lage versetzt, ihr gewohntes Aktivitätsniveau zügig wieder zu erreichen.
Zwischen beiden Extremen liegen Welten, angefangen bei individuellen Bedürfnissen, vorliegenden Komorbiditäten bis hin zu Risiken durch die gewählte Operationsmethode. Verschiedenen Möglichkeiten der Versorgung müssen an die Anforderungen und Erwartungen für den Patienten angepasst werden.
Schenkelhalsfrakturen sollten bis zum 70. Lebensjahr in Hinblick auf wachsende Ansprüche an Mobilität und Funktion nach Möglichkeit gelenkerhaltend operiert werden, wenn keine relevante Coxarthrose vorliegt. Voraussetzung sind eine anatomische Reposition und die belastungsstabile Osteosynthese. Die meisten dieser Patienten haben unter den genannten Voraussetzungen ein exzellentes oder sehr gutes Ergebnis im Harris Hip Score (Abb. 1). Anders ist die Situation, wenn die Reposition nicht anatomisch gelingt (Garden-Index < 0,8) oder die Patienten systemische Komorbiditäten haben.
Ältere Patienten, die aber noch hohe Ansprüche haben, sollten über die Möglichkeiten und Risiken der jeweiligen Operationsmethode ausführlich beraten werden, einschließlich der persönlichen Erfahrung des Operateurs. Valgisch impaktierte und nicht dislozierte Frakturen können bis ins hohe Alter mit guten Ergebnissen gelenkerhaltend operiert werden. Bei dislozierten Frakturen älterer Patienten zwischen 60 und 70 Jahren wird bei guter Mobilität und Knochenqualität die Implantation einer zementfreien Endoprothese empfohlen. Hierbei bieten sich knochenerhaltende Kurzschaftprothesen an, die allerdings eine ausreichende mediale knöcherne Abstützung für eine stabile Verankerung benötigen (Abb. 2).
Handelt es sich unter klinischen Kriterien um eine osteoporose-assoziierte Fraktur, wird eine zementierte Endoprothese oder eine Hybrid-Variante mit zementiertem Schaft empfohlen. Das Risiko einer intraoperativen Femurfraktur bei Verwendung eines zementfreien Schafts steigt hierbei mit zunehmender Osteoporose. Auch die Ergebnisse bezüglich Schmerzen und Funktion werden bei zementfreien Endoprothesen im Vergleich zu zementierten schlechter, je älter die Patienten sind [3].
Für die „jungen Alten“ sind die Ergebnisse bei der Versorgung mit Totalendoprothesen signifikant besser als bei einer Versorgung mit einer Duokopfprothese, die nach 3 Jahren ein deutlich schlechteres Funktionsergebnis aufweist [3]. Duokopfprothesen sollten nur sehr alten und gebrechlichen Patienten (> 80 Jahre, multiple Komorbiditäten) vorbehalten bleiben [3, 4].
Für die Fälle mit postoperativen Luxationen nach Hüftendoprothesen, gerade auch bei fehlender muskulärer Stabilisierung, sind Tripolare Endoprothesen geeignet, auch wenn Pfannendysplasien auffällig sind oder eine unzureichende primäre Implantation vorlag (Pfannenproblem). Liegt das Problem an der Implantation des Schafts, können variable Köpfe dieses lösen. (Abb. 3).
Ob die Implantation eines Großkopf-Systems mit Köpfen über 36 mm Durchmesser diesen Systemen überlegen ist, ist nicht bekannt. Ältere Untersuchungen ergaben bessere Ergebnisse für Köpfe von 28 mm bei allerdings höheren Luxationsraten [5]. Bei bettlägerigen Patienten wird eine Osteosynthese mit einer DHS oder DH-Klinge zur erleichterten Pflege empfohlen. Die Mortalität wird dadurch postoperativ und im weiteren Verlauf verringert [4].
Fazit
In der Summe ist ein bedarfsorientiertes, individuelles Vorgehen bei den Schenkelhalsfrakturen aller Altersklassen notwendig und auch möglich. Die Chancen in der individualisierten Versorgung von Schenkelhalsfrakturen durch die Errungenschaften der modernen Endoprothetik, aber auch der Osteosynthese, sollten ergebnisorientiert stärker als bisher genutzt werden.
Literatur
1. Malchau H, Herberts P, Eisler T, Garellick G, Söderman P. The Swedish Total Hip Replacement Register. J Bone Joint Surg Am 2002; 84-A Suppl 2: 2–20
2. Kostuj T, Smektala R, Schulze Raestrup U, Müller-Mai C. [The influence of timing of surgery on mortality and early complications in femoral neck fractures, by surgical procedure: an analysis of 22,566 cases from the German External Quality Assurance Program]. Unfallchirurg 2013; 116: 131–137
3. Parker MJ, Gurusamy KS, Azegami S. Arthroplasties (with and without bone cement) for proximal femoral fractures in adults. Cochrane Database Syst Rev 2010; CD001706
4. Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH. Qualitätsreport 2013. Available from: https://www.sqg.de/sqg/upload/CONTENT/Qualitaetsberichte/2013/AQUA-Qualitaetsreport-2013.pdf
5. National Institute for Health and Excellence. NICE.
Fussnoten
1 Städitisches Klinikum Dresden Friedrichstadt, Chefarzt der Klinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und Handchirurgie
2 Städitisches Klinikum Dresden Friedrichstadt, Leitender Oberarzt der Klinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und Handchirurgie