Editorial - OUP 03/2017

Sozialmedizinische und ökonomische Aspekte der Wirbelsäulenerkrankungen in Deutschland

Wirbelsäulenerkrankungen nehmen einen wachsenden Stellenwert nicht nur aufgrund des hohen Leidendrucks ein, dem die betroffenen Patienten ausgesetzt sind, sondern sie haben auch eine zunehmende ökonomische Bedeutung. Nach dem Statistikband Rehabilitation 2015 entfielen auf die Diagnoseschlüssel M 40–43 (Deformitäten der Wirbelsäule und des Rückens) 10.654 Leistungen der stationären Rehabilitation und zur Teilhabe, auf M 45–49 (Spondylopathien) 18.250. Den größten Anteil nahmen Diagnosen der Reihe M 50–54 (Sonst. Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens) mit 137.666 stationären Behandlungen und Leistungen zur Teilhabe. Insgesamt entfielen somit im Kalenderjahr 2015 63 % aller Behandlungen wegen muskuloskelettaler Erkrankungen auf Wirbelsäulenleiden, bei der Betrachtung aller Leistungen sind dies immerhin noch 20 %.

Somit entfallen bereits ein Fünftel aller medizinische Rehabilitationsleistungen und Teilhabeleistungen der Deutschen Rentenversicherung auf degenerative Erkrankungen des Rückens. Da eine statistische Aufgliederung der Wirbelfrakturen nicht vorliegt, können diese dabei noch nicht einmal berücksichtigt werden, ebenso wenig wie die Erkrankten, die auf der Basis neurologischer ICD-10 Schlüssel Leistungen erhielten.

Wirbelsäulenchirurgische Eingriffe nehmen seit Jahren stetig zu, auch wenn aus verschiedenen Gründen verlässliche statistische Zahlen hierzu nicht vorliegen. Sehr häufig werden dabei, vor allen Dingen von den Kostenträgern, vorwiegend monetäre Gründe in den Vordergrund gestellt. Sicher gibt es in der deutschen Medizinlandschaft das ein oder andere schwarze Schaf, das Indikationen aufweicht, um Leistungszahlen zu steigern und Fallzahlen zu generieren. Jedoch sollte von einem Generalverdacht unbedingt Abstand genommen werden, da die meisten behandelnden Ärzte größte Sorgfalt walten lassen, einen Großteil der Patienten konservativ therapieren und nur dann zu invasiven Maßnahmen greifen, wenn alle anderen Methoden nicht erfolgversprechend sind. Eine umfassende Analyse der steigenden OP-Zahlen ist noch nicht abgeschlossen, so dass es verfrüht ist, Schuldzuweisungen auszusprechen oder von einer allein wirtschaftlich getriebenen Fallzahlsteigerung zu sprechen. Umso wichtiger ist die weitere klinische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit wirbelsäulenassoziierten Erkrankungen, um mit den Fachgesellschaften zu interdisziplinär anerkannten, evidenzbasierten Behandlungspfaden zu gelangen.

Mit diesem Heft wollen wir aktuelle Trends und Methoden im Bereich der Wirbelsäulentherapie darstellen. Nicht nur operative Therapien sollen dabei vorgestellt werden, sondern auch konservative Konzepte, Möglichkeiten der Rehabilitation ohne und nach Operation sowie gutachterliche Aspekte beleuchtet werden.

Herzlichst

Michael Kraus, Alexander Wild

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