Übersichtsarbeiten - OUP 12/2017

Stellenwert der Histopathologie in der Diagnostik von muskuloskelettalen und periimplantären Gelenkinfektionen*

Veit Krenn1, Andreas H.H. Tiemann2, Carl Haasper3

Zusammenfassung: Die histopathologische Diagnostik der bakteriellen Arthritis, der bakteriellen Osteomyelitis und der bakteriellen periimplantären Gelenkinfektion basiert auf der Beurteilung des Erreger-induzierten, geweblichen
Reaktionsmusters, das auch als Infektions-pathologisches Substrat bezeichnet werden kann. Somit stellt die Histopathologie im Gegensatz zur mikrobiologischen Diagnostik eine indirekte Form der Infektions-Diagnostik dar. Bedingt durch eine Vielfalt an nicht-infektiös und infektiös induzierten Entzündungen
ergibt sich eine umfassende Differenzialdiagnostik von muskuloskelettalen und periimplantären Gelenk-Infektionen. Die histopathologische Infektionsdiagnostik erfolgt in einem weiten differenzialdiagnostischen Kontext. Diese Differenzialdiagnosen sind im Gelenk-Pathologie-Algorithmus, in der Systematik von Osteomyelitiden und in der SLIM-Konsensus-Klassifikation zusammengefasst. Durch verschiedene Quantifizierungskriterien von Leukozyten können Low-grade-Infektionen enzymhistochemisch und immunhistochemisch diagnostiziert werden. Die Diagnostik von spezifischen Infektionen und der Osteomyelitis basiert auf charakteristischen Gewebemustern. PCR-basierte Methoden vervollständigen das methodische
Repertoire der histopathologischen Infektionsdiagnostik, diese Methoden ermöglichen eine direkte Keimspezifizierung. Durch die Histopathologie können zusätzlich andere, klinisch nicht vermutete Pathologien, insbesondere Abriebpartikel-
Reaktionen, adverse Reaktionen, Kristall-induzierte Entzündungen, Osteomyelitiden, spezifische Infektionen, peritumorale Veränderungen und Tumorinfiltrate diagnostiziert werden.

Schlüsselwörter: Infektionsdiagnostik, Histopathologie, Arthritis, Osteomyelitis, periimplantäre Gelenk-Infektion

Zitierweise
Krenn V, Tiemann AHH, Haasper C: Stellenwert der Histopathologie in der Diagnostik von muskuloskelettalen und periimplantären
Gelenkinfektionen.
OUP 2017; 12: 608–614 DOI 10.3238/oup.2017.0608–0614

Summary: Histopathological diagnostics including semi-quantitative and quantitative scoring systems, are important diagnostic tools in diagnosing bacterial infections as arthritis, osteomyelitis and periimplant joint infection. Since the reasons for inflammatory reactions are manifold, including infectious and non-infectious pathogenesis the histopathological differential diagnosis of bacterial infection in general is complex. This fact is demonstrated by the arthritis- and osteomyelitis-algorithm and by consensus classification of joint prosthesis pathologies. Up to now PCR based methods, histochemical- and immune-histopathological techniques are useful in identifying specific- and non-specific infections, as well as differentiating postsurgical changes from recurrent infections in patients with joint-spacers. In most histopathological scoring systems for bacterial infection apart from the specific inflammatory patterns, quantifying the number of neutrophil granulocytes per a defined number of high power fields is crucial. Neutrophil granulocytes can be detected through histochemical methods and more specifically by immunhistopathological techniques and by various quantification systems (histopathological scores, CD15 focus score, HOES: human osteomyelitis evaluation score) leading to the diagnosis of bacterial infection. One important function of histopathology, apart from diagnosing infection, is to rule out or define other pathogenetic lesions, such as specific infections, particle and crystal-induced reactions, allergic respectively adverse reactions to implant materials, inflammatory reactions and although rarely benign and malign tumors.

Keywords: histopathology, bacterial infection, arthritis,
osteomyelitis, periimplant joint infection

Citation
Krenn V, Tiemann AHH, Haasper C: The significance of histopathology in the diagnostic of musculoskeletal infections and osteomyelitis. OUP 2017; 12: 608–614 DOI 10.3238/oup.2017.0608–0614

Einleitung

Die Vielfalt von nicht-infektiös und infektiös induzierten
Entzündungen

Bedingt durch die Vielfalt von nicht-infektiös und infektiös induzierten Entzündungen ergibt sich eine umfassende Differenzialdiagnostik von muskuloskelettalen und periimplantären Gelenk-Infektionen. Die histopathologische
Diagnostik von Infektionen ist generell als eine die mikrobiologische Diagnostik ergänzende, aber auch erweiternde Diagnostik anzusehen [3, 5, 6, 7, 10, 16, 17, 20] und erfolgt in einem weiten differenzialdiagnostischen Kontext (Abb. 1–3). Dieser Artikel versucht das wesentliche Spektrum von Infektionen des Bewegungsapparats histopathologisch darzustellen und beinhaltet insbesondere auch die histopathologischen Differenzialdiagnosen von Arthritis, von Osteomyelitis und der periimplantären Gelenk-Entzündung.

Histopathologische Prinzipien der Infektions-Diagnostik

Indirekte Form der Infektions-

diagnostik

Die Diagnostik der bakteriellen Arthritis, der infektiösen Osteomyelitis und der bakteriellen periimplantären Gelenkinfektion basiert auf der Beurteilung des Erreger-verursachten geweblichen-Reaktionsmusters (sog. Infektions-pathologisches Substrat). Somit stellt die Histopathologie im Gegensatz zur mikrobiologischen Diagnostik eine indirekte Form der Infektions-Diagnostik dar [7, 8, 14]. Im Vordergrund steht die Beurteilung der leukozytären entzündlichen Infiltration und der Folgeveränderungen in Synovialis, in periartikulärem und periimplantärem Bindegewebe sowie Knochengewebe dar [14, 18, 21]. Da geringfügige Entzündungs-Infiltrate, insbesondere umschriebene Granulozyten-Ansammlungen, nicht notwendigerweise durch eine bakterielle Infektion bedingt sind (z.B. Partikel- und Kristall-induzierte Granulozytosen bei Urat-Arthritis, High-grade-Synovialitis bei der Rheumatoiden Arthritis) sollten nicht eindeutige Befunde in einem klinischen und mikrobiologischen Kontext bewertet werden.

Andererseits können bei Vorliegen manifester Entzündungs-Infiltrate mikrobiologisch falsch negative Ergebnisse weitgehend ausgeschlossen werden, da die Beurteilung der Reaktionsmuster erfolgt. Diese sind Ausdruck der sog. Erreger-Wirt-Reaktion und sollten insbesondere bei immungeschwächten Patienten und Patienten mit Risikoprofilen (z.B. Diabetes mellitus, Anämie, hohes Alter) berücksichtigt werden. Die wesentlichen Differenzialdiagnosen von bakteriellen Infektionen sind im Gelenk-Pathologie-Algorithmus, in der Systematik von Osteomyelitiden und in der SLIM-Konsensus-Klassifikation zusammengefasst (Abb. 1, 2 und 3).

Beurteilung des geweblichen
Reaktionsmusters

Neutrophilen-Granulozyten-

(NG-) Detektion

Im Zentrum der histopathologischen Infektionsdiagnostik, insbesondere von akut infektiösen nicht-spezifischen bakteriellen Infektionen, steht die Neutrophilen-Granulozyten-Detektion mittels der HE-Färbung, der PAS-Reaktion, der Chlorazetatesterase-Färbung sowie der immunhistochemischen CD15-Detektion [3, 8, 14].

Makrophagen und Epitheloidzell-Detektion

Eine immunhistochemische Detektion von CD68 zur Darstellung von Epitheloidzellen und Makrophagen kann bei Fragestellungen und Differenzialdiagnose von granulomatösen Epitheloidzell-Reaktionen speziell der kleinherdigen Epitheloidzell-Reaktion erforderlich sein. Dies umfasst insbesondere das Partikel-induzierte Granulom, Kristall-Arthritis, fibrinoide Nekrosen, die mykobakteriellen Infektionen, die Bruzellose, die Mykosen [9] und in selten Fällen auch Parasitosen.

Direkter Keim-Nachweis
mittels Histochemie und
Immunhistochemie

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