Editorial - OUP 10/2016

Themenschwerpunkt Knie

Unser Oktober-Heft beginnt nicht direkt mit einem medizinischen Artikel, aber er stellt etwas Besonderes dar, da er von einem Nicht-Mediziner, Herrn Prof. Dr. jur. Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung und dortiger Leiter des Ressorts Innenpolitik, verfasst ist und auf seinem Festvortrag anlässlich der 64. Jahrestagung der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen e.V. im April 2016 im Kongresshaus Baden-Baden beruht. Heribert Prantl nannte seinen Beitrag „Medizinische Ökonomie und Ethik“ – ein Plädoyer gegen die Ökonomisierung des Alltags und des Gesundheitswesen – oder warum aus der Medizin keine Industrie werden darf. Wir können Ihnen diesen Beitrag nur wärmstens ans Herz legen.

Zwischen Ökonomismus und Daseinsvorsorge besteht ein Spannungsfeld, das uns allen jeden Tag bei unserer Arbeit am und nicht zuletzt für den Patienten begegnet. Immer mehr stehen die Patienten heute schon ihrem Arzt skeptisch und kritisch gegenüber, weil sie befürchten, dass er ihnen etwas verkaufen will oder muss, weil auch er und seine Institution zum „Profit-Center“ geworden sind und ihren börsennotierten Unternehmen und Investoren Gewinne abliefern müssen. Das hohe Ansehen, das Ärzte in der allgemeinen Bevölkerung genießen, hat auch damit zu tun, dass wir ehrliche Anwälte unserer Patienten sind und sie sich darauf verlassen können, dass Therapien nach bestem Gewissen und nach Facharztstandard, und nicht nach dem Druck der Ökonomie verordnet werden. Es sollte uns nachdenklich machen, dass im Ländervergleich in Deutschland für die Patienten die kürzesten Wartezeiten, die verlässlichsten Laborbefunde, die wenigsten Krankenhausinfektionen und die größten Freiheiten bei der Arztwahl gegeben sind; und dennoch sind die Deutschen mit ihrem Gesundheitswesen international am unzufriedensten. Prantl stellt zu Recht die Frage: Gewinnmaximierung oder Arzt des Vertrauens?

Daseinsvorsorge für die Bevölkerung in einem Sozialstaat ist eine große Errungenschaft und man muss sich ernsthaft fragen, ob Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und eventuell sogar Gefängnisse ökonomisiert werden müssen und zu einem „Profit-Center“ verkommen. Die Privatisierungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge – man denke nur an die verschiedenen Versuche der Eisenbahnprivatisierungen in Europa, nicht nur in Deutschland – sind ja nicht gerade eine Erfolgsgeschichte. Wenn man mit dem ICE verspätet auf den Schweizer Bahnhof Basel einfährt, wird man darauf hingewiesen, dass man doch bitte in die pünktlichen Schweizer Züge (nicht privatisiert) umsteigen sollte, da der verspätete ICE nicht mehr weiterfahren kann. Die Bahnen in der Schweiz und Japan sind pünktlich, zuverlässig und eben Daseinsvorsorge für den Bürger. Prantl fragt zu Recht, ob wir mit der Ökonomisierung der Medizin in Praxis und Krankenhaus auf dem richtigen Weg sind?

Neben dem Baden-Badener Festvortrag haben wir natürlich auch einen medizinischen Schwerpunkt. Das „Knie“ steht im vorliegenden Heft im Mittelpunkt.

Wir beginnen mit einem Beitrag zur Prävention von Knieverletzungen und Kreuzbandrupturen. Die Deutsche Kniegesellschaft hat ein Komitee Ligamentverletzungen und dankenswerterweise haben die Mitglieder dieses Komitees sich mit dieser wichtigen Fragestellung beschäftigt.

Wir fahren fort mit der Therapie nichttraumatischer Meniskusläsionen, ein – wie Sie alle wissen – durchaus problematisches Thema, insbesondere wenn Sie auch noch ein wenig Arthrose im Knie finden und dann der medizinische Dienst der Krankenkassen die Behandlung nicht erstatten will. Wir sind also auch hier topaktuell.

Auch von hoher Aktualität, der Artikel zur Berufskrankheit Gonarthrose, ein Thema, das auch kontrovers diskutiert wird und hier noch einmal dargestellt ist.

Gibt es Methoden, um ein Kniegelenk zu entlasten? Wie sehen sie aus? Kann man die Endoprothese nach hinten verschieben oder vielleicht ganz vermeiden?

Als interessantes Langzeitergebnis dürfen wir Ihnen die Ergebnisse 10 Jahre und mehr nach Implantation einer Knietotalendoprothese mit Hilfe des Robotersystems CASPAR vorstellen. Erstaunlich gute Langzeitergebnisse, die natürlich sehr erfreulich sind und zeigen, dass nicht alles, was mit roboterassistierten OP-Systemen an Knochen gemacht wurde, schlecht sein muss.

Das immer wiederkehrende Thema intraartikuläre Hyaluronsäure erlebt im nächsten Beitrag eine etwas veränderte Wiederauflage, denn es geht darum, welche Wirkungen lassen sich in einer randomisierten, kontrollierten Blindstudie durch Hyaluronsäuregabe nach arthroskopischer Meniskusoperation zeigen und erzielen.

Im gleichen Feld die abschließende Kniearbeit über zellfreie Implantate zur Behandlung von fokalen Knorpelschäden am Kniegelenk. Indikation, Technik und Ergebnisse werden vorgestellt.

Für alle, denen das Knie eigentlich nicht so wichtig ist und sich mehr mit Wirbelsäule beschäftigen, folgt noch ein kleiner „Versöhner“ mit einem Fallbericht über eine iatrogene zervikale Instabilität mit chronischen Zervikalgien und Cephalgien nach Implantation einer Bryan-Vollprothese.

Wir hoffen, dass wir mit dieser recht breit gespannten Palette Ihre Interessen treffen konnten und wir dürfen Ihnen nochmal zum Nachdenken den Beitrag von Prof. Prantl ans Herz legen und würden uns über Leserzuschriften insbesondere zu diesem Beitrag sehr freuen. Sollen wir solche Themen weiterhin in die OUP aufnehmen? Gibt es andere Ansichten zu dieser Thematik als sie Prof. Prantl hier darstellt? Wir werden uns dann auch bemühen, Ihnen die Zuschriften und Leserbriefe wieder zur Diskussion in der OUP vorzulegen.

In der Hoffnung, Ihnen eine interessante Lektüre zusammengestellt zu haben, verbleiben wir

mit freundlichen, kollegialen Grüßen

Prof. Dr. med. Werner Siebert

Prof. Dr. med. Steffen Ruchholtz

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