Informationen aus der Gesellschaft - OUP 03/2020

VSOU 2020: Fußchirurgie update

Norbert Harrasser, Hartmut Stinus, Markus Walther

Norbert Harrasser, Markus Walther: Schön Klinik München Harlaching

Hartmut Stinus: MVZ Orthopaedicum Northeim

Im Rahmen der Sitzung „Fußchirurgie update“ sollten, dem Kongressmotto „Innovation-Qualität-Ethik“ folgend, aktuelle Aspekte und Neuerungen zu verschiedenen Themen der Fußchirurgie erörtert werden. Diesbezüglich konnte in einer Durchsicht der Literatur festgestellt werden, dass in den letzten Jahren zahlreiche Consensus-Meetings (z.B. „ACFAS Clinical Consensus Statement“ zum Thema: Planovalgus-Deformität; „International Consensus Meeting on Cartilage Repair of the Ankle“ zu aktuellen Strategien bei Knorpelschäden am oberen Sprunggelenk) abgehalten und deren Ergebnisse in Übersichtsarbeiten publiziert wurden. Wenig überraschend, beschreiben die Autoren im Grunde in allen Consensus-Statement-Papers die Schwierigkeit, anhand der nach wie vor beschränkten Evidenz zu relevanten Themen eindeutige Empfehlungen auszusprechen [3, 4, 5, 10, 12, 14, 16, 17, 18, 20, 21]. Trotzdem konnten interessante und für die tägliche Praxis relevante Aspekte herausgearbeitet werden, welche im Folgenden kurz zur Darstellung kommen sollen.

Osteochondrale Läsionen
am OSG

Die Therapie der OSG-Knorpelschäden wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Nachdem jahrelang die Mikrofrakturierung als Methode der Wahl speziell bis zu einer Läsionsgröße < 1,5 cm² angesehen wurde, besteht ein zunehmender Konsens matrix-gestützte Knorpelersatzverfahren in ihrer Indikation auch auf kleinere Läsionen auszuweiten [16]. Die Mikrofrakturierung sollte bevorzugt für oberflächliche Läsionen < 1 cm² genutzt werden [17]. Zudem sollten bestehende Lysen ab 3 mm Ausdehnung großzügig mit autologem Knochen aufgebaut und anschließend mit Membranen abgedeckt werden [16]. Nach wie vor uneinheitliche Therapiestrategien sind bei tibialen Knorpelschäden zu finden [7].

Hallux-valgus-Deformität

Ein weiteres Hot-topic der letzten Jahre stellt die 3-dimensionale Korrektur der Hallux-valgus-Deformität dar [23]. Hier wird zum einen kontrovers diskutiert, ob die Metatarsus-primus-varus Fehlstellung auch zwangsläufig mit einer Pronation des ersten Metatarsale einhergeht bzw. ob diese vermeintliche Teilkomponente der Fehlstellung im Rahmen der operativen Korrektur auch adressiert werden muss [23]. Dies ist mit den häufig verwendeten, klassischen 2-dimensionalen Osteotomien nicht immer möglich, wenngleich hier Modifikationen der Techniken publiziert wurden [19, 23]. Ein mittlerweile etabliertes Verfahren zur Hallux-valgus Korrektur stellt das minimal-invasive Vorgehen dar. Es muss mittlerweile als ebenbürtiges Verfahren neben klassischen Techniken angesehen werden.

Planovalgus-Deformität

Die Standardisierung der Therapie der Planovalgus-Deformität ist schwierig, da speziell im Stadium 2 nach Johnson/Strom eine Vielzahl unterschiedlicher Prozeduren genutzt werden, die verschiedenen Komponenten der Fehlstellung zu adressieren [12]. Eine auch beim Erwachsenen-Pes-planovalgus zunehmend additiv eingesetzte Technik ist der subtalare Spacer, welche als bewährte Strategien beim kindlichen Planovalgus seit Jahren Verwendung findet. Einige gute Ergebnisse sind diesbezüglich bereits publiziert, wenngleich die Nachteile des Verfahrens (z.B. relative hohe Explantationsrate im ersten Jahr) kritisch zu sehen sind [2, 11, 22]. Unverkennbar ist eine zunehmend differenzierte Betrachtung der Deformität in aktuellen Arbeiten. Es bedarf aber weiterer Kohortenstudien, um die Einzelmaßnahmen der Planovalgus-Korrektur auf ihre Wirksamkeit besser einordnen zu können.

OSG-Endoprothetik

Die OSG-Endoprothetik etabliert sich immer mehr zu einer ebenbürtigen Alternative zur OSG-Arthrodese. Moderne Zweikomponenten-Systeme respektieren die Biomechanik des Sprunggelenks immer besser, weshalb funktionell und klinisch bessere Ergebnisse erzielt werden, als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war. Der „klassische“ Prothesenpatient (> 70 Jahre, schlank, Nicht-Raucher, Nicht-Diabetiker, wenig aktiv, keine Anschlussarthrose) wie er noch vor wenigen Jahren in den Publikationen genannt war, existiert so heute nicht mehr. Gute Ergebnisse sind auch bei Patienten < 50 Jahre beschrieben [15]. Die Revisionsrate ist auch in diesen Gruppen, verglichen mit älteren Patienten nicht zwangsläufig höher. Ein wesentliches Argument für eine Sprunggelenkprothese sind vorbestehende degenerative Veränderungen des Subtalargelenks oder der Fußwurzel. Hierbei zeigt die Kombination von subtalarer- oder talonavicularer Arthrodese mit anschließender OSG-Prothese günstigere funktionelle Ergebnisse im Vergleich zur primär pantalaren Arthrodese [13]. Nichtsdestotrotz sollte der Patient eine realistische Erwartung an die Gelenkfunktion nach OSG-Prothese haben. In der Regel ist keine normale OSG-Beweglichkeit möglich, eine Verbesserung der Beweglichkeit um 10–20° im Vergleich zum präoperativen Zustand kann aber in der Mehrzahl der Fälle erreicht werden [24]. Allein die verbesserte Dorsalextension, reduziert die Belastung der benachbarten Gelenke und somit das Risiko für Anschlussarthrosen.

Diabetisch-neuropathische Osteoarthropathie (DNOAP)

Die Charcot-Arthropathie des Fußes stellt durch den demographischen Wandel und die Zunahme an Stoffwechselerkrankungen ein nach wie vor erhebliches sozio-ökonomisches Problem dar. Ähnlich zu anderen Teilgebieten der Fußchirurgie haben auch hier minimal-invasive Techniken das Vorgehen erheblich verändert und die Komplikationsraten an Wundheilungsstörungen erheblich reduziert. Die Therapie plantarer Vorfußulzera durch minimal-invasive Metatarsaleosteotomien zeigt hierbei sehr gute Erfolge [8]. Auch im Bereich des Mittelfußes gibt es zunehmend Berichte über erfolgreiche minimal-invasive Abtragung von Knochenkanten, unter denen es zu einem völligen Abheilen von Druckulzera kommt [1]. Komplexe Charcot-Rekonstruktionen können mittlerweile durch intramedulläre Osteosyntheseverfahren stabilisiert werden. Dabei werden sogenannte „Fusion-Bolts“ (osseointegrativ beschichtete Titanstangen mit Gewinde) in kanülierter Technik über die Metatarsalia bis in den Talus gebohrt. Die sehr hohe Steifigkeit dieses Konstrukts ermöglicht trotz der häufig schwierigen Ausgangssituation hohe Fusionsraten [9]. Nach wie vor unklar ist der Zusammenhang zwischen der Aktivität der DNOAP und der Prognose operativer Eingriffe. Hier scheinen histologische Scores in Zukunft vielversprechende Ergänzungen zur rein klinischen Verlaufskontrolle zu bieten [6].

Literatur

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