Übersichtsarbeiten - OUP 04/2017

Weissbuch Alterstraumatologie: Proximale Femurfrakturen
White book Geriatric trauma: Hip fracture

Benjamin Bücking1, Ulrich Christoph Liener2, Steffen Ruchholtz1, Christopher Bliemel1

Zusammenfassung: In einem Kapitel des „Weißbuchs Alterstraumatologie“ werden Empfehlungen zur Behandlung von geriatrischen Patienten mit proximaler Femurfraktur gegeben. In den allermeisten Fällen werden proximale Femurfrakturen operativ behandelt. Bei dislozierten Schenkelhalsfrakturen ist die zementierte (Duokopf-) Prothesenimplantation zu bevorzugen. Nicht dislozierte Schenkelhalsfrakturen können wie stabile pertrochantäre Frakturen mit einer dynamischen Hüftschraube versorgt werden, während bei instabilen pertrochantären und subtrochantären Frakturen ein Marknagel das Implantat der Wahl ist.

Schlüsselwörter: Alterstraumatologie, proximale Femurfraktur, Schenkelhalsfraktur, geriatrische Fraktur, Leitlinie

Zitierweise
Bücking B, Liener UC, Ruchholtz S, Bliemel C: Weissbuch Alterstraumatologie: Proximale Femurfrakturen.
OUP 2017; 4: 216–219 DOI 10.3238/oup.2017.0216–0219

Summary: A chapter of the “white book geriatric trauma” provides recommendations for the treatment of geriatric patients with hip fracture. Almost all of the patients where treated with surgery. Displaced femoral neck fracture should be treated with cemented (hemi-) arthroplasty. Bitte den Satz wie folgt korrigieren: In case of non-displaced femoral neck fractures or stable trochanteric fractures a sliding hip screw could be used, while inunstable trochanteric fractures and subtrochanteric fractures intramedullary nails are the
implants of choice.

Keywords: geriatric trauma, hip fracture, femoral neck fracture, geriatric fracture, guideline

Citation
Bücking B, Liener UC, Ruchholtz S, Bliemel C: White book Geriatric trauma: Hip fracture.
OUP 2017; 4: 216–219 DOI 10.3238/oup.2017.0216–0219

Einleitung

Die Behandlung geriatrischer Patienten nimmt in der Unfallchirurgie und Orthopädie einen immer größeren Stellenwert ein. Um den behandelnden Ärzten eine Hilfestellung in der Behandlung dieser Patienten zu bieten, hat die AG Alterstraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie gemeinsam mit Kollegen der Geriatrie analog zu Leitlinien aus dem Ausland ein „Weißbuch Alterstraumatologie“ erstellt. Dieses beinhaltet in kurzer und prägnanter Form Empfehlungen für die Versorgung typischer Frakturen geriatrischer Patienten und auch für das Management häufiger internistischer Nebenerkrankungen der Patienten in der Alterstraumatologie. Im Folgenden ist das Kapitel zu Proximalen Femurfrakturen abgedruckt.

Klassifikation

Gemäß WHO werden proximale Femurfrakturen in intrakapsuläre Schenkelhalsfrakturen und extrakapsuläre per- und subtrochantäre Frakturen eingeteilt (S72.0–72.0) [1]. Dabei kann eine Differenzierung zwischen einer lateral gelegenen Schenkelhalsfraktur und einer pertrochantären Fraktur schwierig sein. Auch können pertrochantäre Frakturen bis nach subtrochantär reichen.

Die bekannten Klassifikationssysteme von Schenkelhalsfrakturen nach Pauwels [2] und Garden [3] haben nur eine geringe Reliabilität [4, 5], sodass häufig nur zwischen „nicht-dislozierten“ (Garden I und II) und „dislozierten“ Schenkelhalsfrakturen (Garden III und IV) unterschieden wird. Für die Therapieentscheidung (siehe unten) ist diese Einteilung ausreichend. Für die Klassifikation pertrochantärer Frakturen ist die Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen geläufig [6]. Dabei werden stabile 31A1-Frakturen und instabile 31A2– und 31A3-Frakturen unterschieden.

Therapie

Ziel der Therapie proximaler Femurfrakturen ist es, eine frühzeitige und schmerzarme Mobilisation der Patienten zu ermöglichen. Dabei muss bedacht werden, dass geriatrische Patienten im Regelfall nicht mobilisiert werden können, ohne die betroffene Extremität voll zu belasten. Daher sollten auch nicht-dislozierte bzw. eingestauchte Frakturen aufgrund häufiger sekundärer Dislokationen [7] und z.T. notwendiger Entlastung operiert werden. Auch bei bettlägerigen Patienten besteht zur Erreichung einer Schmerzreduktion und besseren Pflegbarkeit in der Regel die Indikation zur operativen Therapie.

Merksatz: Die konservative Therapie proximaler Femurfrakturen ist nur in Ausnahmefällen von Bedeutung.

Schenkelhalsfrakturen

Bei geriatrischen Patienten ist zunächst die Frage nach dem Dislokationsgrad entscheidend.

Nicht-dislozierte
Schenkelhalsfrakturen

Nicht-dislozierte bzw. eingestauchte Frakturen können grundsätzlich konservativ behandelt werden. Die Fraktur muss jedoch entlastet und regelmäßig radiologisch kontrolliert werden, da es zu sekundären Dislokationen kommen kann. Um dies zu vermeiden, sollte die Indikation zur Osteosynthese gestellt werden. Es sollte eine Dynamische Hüftschraube (DHS) verwendet werden, da bei kanülierten Schrauben die Gefahr einer Femurfraktur im Bereich der Schraubeneintrittsstellen besteht [8, 9] und die DHS zudem zu einer größeren Primärstabilität führt [10]. Alternativ kann bei nicht-dislozierten Schenkelhalsfrakturen auch eine Prothesenimplantation erwogen werden. Daten aus dem Norwegischen Hüftfrakturregister zeigten, das eine Osteosynthese bei nicht-dislozierten Frakturen mit einer höheren Revisionsrate, stärkeren Schmerzen und geringerer Lebensqualität im Vergleich zur prothetischer Versorgung dislozierter Frakturen assoziiert war [11]. Allerdings ist zu bedenken, dass prothetische Eingriffe invasiver und mit einer signifikant höheren Krankenhausmortalität assoziiert sind [12]. Da keine randomisierten Studien vorliegen, kann eine definitive Empfehlung zur Versorgungsart nicht ausgesprochen werden.

Merksatz: Nicht-dislozierte Schenkelhalsfrakturen sollten gelenkerhaltend mit einer Dynamischen Hüftschraube oder mit einer Prothese versorgt werden.

Dislozierte Schenkelhalsfrakturen

Die osteosynthetische Versorgung dislozierter Schenkelhalsfrakturen führt häufig zu Pseudarthrosen (33 %) und Hüftkopfnekrosen (16 %) [13]. Da die Duokopfprothesenimplantation der Osteosynthese bezüglich der Komplikationsrate, der Reoperationsrate, dem Schmerzniveau und dem funktionellen Outcome überlegen ist, sollten dislozierte Frakturen bei geriatrischen Patienten mittels Prothese versorgt werden [14].

Merksatz: Bei dislozierten Schenkelhalsfrakturen sollte eine Prothese implantiert werden.

Bei Patienten, die vor dem Trauma nicht mehr mobil waren und bei denen ein sehr hohes perioperatives Risiko besteht, kann eine Hüftkopfresektion erwogen werden. Hier muss allerdings eine Einzelfallentscheidung erfolgen, da bisher keine Studien zu dieser Fragestellung durchgeführt wurden.

Welcher Prothesentyp?

Es stehen verschiedene Prothesentypen zur Versorgung von Schenkelhalsfrakturen zur Verfügung. Als Hemiprothesen sollten Duokopfprothesen verwendet werden, da die sogenannten Monoblockprothesen zu höheren Revisionsraten aufgrund von periprothetischen Frakturen und Luxation führen [15]. In Abhängigkeit vom Funktionsniveau kann als Alternative eine Vollprothese implantiert werden. Nach Metaanalysen führt die Implantation einer Vollprothese zu einer geringeren Revisionsrate, besseren funktionellen Ergebnissen und höherer Lebensqualität im Vergleich zur Duokopfprothese, sie ist allerdings mit einer höheren Luxationsrate assoziiert. Bezüglich der Infektionsrate, der allgemeinen Komplikationsrate und der Mortalitätsrate zeigten sich keine Unterschiede [16, 17]. In den meisten Studien wurden aber Patienten mit Demenz sowie eingeschränkter Mobilität ausgeschlossen, sodass die Ergebnisse auf einen Großteil geriatrischer Patienten nicht übertragbar sind. Für den Großteil der Patienten ist aufgrund des hohen Alters, kognitiver Einschränkung und eingeschränkter Mobilität schon vor dem Unfall, die Implantation einer Duokopfprothese ein sicheres und relativ komplikationsarmes Verfahren, welches flächendeckend durchführbar ist.

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