Übersichtsarbeiten - OUP 09/2016

Aktuelle Evidenzlage bei der Behandlung der Arthrose mit autologem plättchenreichem Plasma

Christoph Gaissmaier1, Johannes Flechtenmacher2

Zusammenfassung: Nach der aktuell bestverfügbaren Evidenz kann die intraartikuläre Applikation von autologem plättchenreichem Plasma (PRP) bei der Arthrose des Kniegelenks, die ? Grad 3 ist nach der Einteilung von Kellgren und Lawrence, einen therapeutischen Stellenwert haben. Um jedoch eine optimale Herstellung bzw. Zusammensetzung und ein ideales Anwendungsprotokoll der PRP-Präparate zu identifizieren, sind weitere prospektiv randomisierte Studien mit hohem Evidenzniveau bei definierten Indikationen und mit längeren Verlaufszeiten erforderlich. Gleiches gilt für die Frage, ob PRP der Hyaluronsäure und ihren verschiedenen Applikationsformen oder anderen intraartikulär oder auch oral anzuwendenden Substanzen in der konservativen Arthrosetherapie überlegen ist.

Schlüsselwörter: Autologes plättchenreiches Plasma, Qualitätsunterschiede, Osteoarthrose, Kniegelenk, Arzneimittelrecht,
Evidenzlage

Zitierweise
Gaissmaier C, Flechtenmacher J: Aktuelle Evidenzlage bei der Behandlung der Arthrose mit autologem plättchenreichem Plasma. OUP 2016; 9: 468–472 DOI 10.3238/oup.2016.0468–0472

Summary: According to the currently best available evidence, the intra-articular application of autologous platelet-rich Plasma (PRP) may have a therapeutic effect in the arthritic knee up to grade 3 on the Kellgren and Lawrence scale. To identify the best preparation method and composition of PRP, and to define an ideal treatment algorithm, it is mandatory to conduct prospective, randomized clinical trials with high levels of evidence and long-term follow-ups under defined indications. Also it has to be shown, if PRP shows clinical superiority to hyaluronic acid and its various application forms, and to other intra-articularly or orally administered substances used in the conservative treatment of osteoarthritis.

Keywords: autologous platelet-rich plasma, differences in quality, osteoarthritis, knee joint, pharmaceutical law, current state of evidence

Citation
Gaissmaier C, Flechtenmacher J: Current state of evidence regarding the therapy of osteoarthritis with autologous platelet-rich plasma. OUP 2016; 9: 468–472 DOI 10.3238/oup.2016.0468–0472

Einleitung

Laut Angaben der WHO aus dem Jahr 2000 stehen die Erkrankungen des Bewegungsapparats bei den Ursachen für verlorene Lebenszeit an dritter Stelle hinter den koronaren Herzkrankheiten und zerebrovaskulären Erkrankungen. Von den muskuloskelettalen Erkrankungen hat die Osteoarthrose den größten Anteil. Neben den zunehmenden Schmerzen, der funktionellen Beeinträchtigung und der damit verbundenen Reduktion der Lebensqualität stellt die Arthrose die Gesellschaft aber auch vor erhebliche sozioökonomische Probleme [12].

Allein in der Bundesrepublik beliefen sich die Kosten für die Behandlung der Arthrose im Jahr 2008 auf mehr als 7 Milliarden Euro, wobei die indirekten Kosten und der dadurch verursachte volkswirtschaftliche Schaden noch deutlich höher ist. In den anderen westlichen Industrienationen sind die Verhältnisse ähnlich. Wegen der demografischen Entwicklung wird die Zahl der Arthrosepatienten in den nächsten Jahren weiter zunehmen, da die Arthrose vor allem eine Erkrankung des höheren Lebensalters ist. Von den großen Gelenken ist das Kniegelenk am häufigsten betroffen, gefolgt vom Hüftgelenk [12, 9].

Aus therapeutischer Sicht kommt der Prävention der Entstehung oder der Prävention der Progression degenerativer Gelenkerkrankungen eine wesentliche Bedeutung zu. Vor allem auch deshalb, weil der frühzeitige Gelenkersatz, besonders des Kniegelenks, häufig mit unbefriedigenden Ergebnissen verbunden ist. Bei Patienten, die vor dem 60. Lebensjahr eine Knie- oder Hüftprothese erhalten, liegt die Wahrscheinlichkeit für einen Prothesenwechsels bei bis zu 50 % und höher. Deshalb wird die frühe endoprothetische Versorgung in der internationalen Fachliteratur zunehmend kritisch gesehen – nicht nur aus medizinischen Gründen [3, 30, 26].

Neben anderen konservativen Maßnahmen, wie beispielsweise der Physiotherapie oder den entlastenden Orthesen, werden zur Behandlung der Arthrose auch pharmakologisch wirksame Substanzen eingesetzt. Manche werden als DMOADs (disease-modifying osteoarthrits drugs) bezeichnet. Diese Therapien sollen nicht nur die akute Schmerz- und Beschwerdesymptomatik verbessern, sondern auch versuchen, den Degenerationsprozess durch entzündungshemmende, antikatabole und trophische Effekte aufzuhalten oder zu verzögern [9].

Ob dies durch die Verwendung von autologem plättchenreichem Plasma (PRP) in klinisch bedeutsamer Form gelingt und ob PRP den anderen DMOADs, der intraartikulären Applikation von Hyaluronsäure (HA) oder der Gabe von Placebo überlegen ist, ist für unterschiedliche Gelenke und Stadien der Arthrose noch nicht in zufriedenstellender Weise geklärt worden [25]. Als möglicher Vorteil von PRP gilt allerdings seine autologe Herkunft, weshalb es auch als eine personalisierte Form der Therapie betrachtet wird. Auch wurden für PRP, noch überwiegend aus präklinischen Studien, eine Reihe positiver Effekte auf die Inhibition entzündlicher Signalwege und die Stimulation der Chondrogenese beschrieben [20]. Anderseits wurden in solchen Untersuchungen auch weniger ermutigende Ergebnisse beobachtet, etwa die dedifferenzierungs-fördernde Wirkung thrombozytärer Wachstumsfaktoren auf artikuläre Chondrozyten [11].

Definition, biologische Grundlagen und Pathomechanismen der Arthrose

Mit dem Begriff der „Arthrose“ wird eine Gruppe von Erkrankungen bezeichnet, die sich zwar durch unterschiedliche Ursachen entwickeln, aber mit einem ähnlichen biologischen und klinischen Krankheitsbild einhergehen. Im Verlauf der Arthrose zeigen neben dem stoßdämpfenden Gelenkknorpel auch der gelenknahe Knochen, die Bänder, die Gelenkkapsel mit ihrer Innenhaut und die gelenkangrenzende Muskulatur degenerative Veränderungen [15].

Durch die Schonhaltung des betroffenen Gelenks und durch die dadurch bedingten Fehlbelastungen treten auch Beschwerden in anderen Bereichen des Bewegungsapparats auf, zum Beispiel im Rücken. Deswegen und wegen ihres zunehmend chronisch entzündlichen Charakters mit Beteiligung unterschiedlicher Gewebestrukturen und des Immunsystems gilt die Arthrose inzwischen nicht mehr nur als lokalisierte Gelenkerkrankung, sondern als systemisch muskuloskelettale Erkrankung [16].

Die außergewöhnlichen biomechanischen Eigenschaften des gesunden hyalinen Knorpels werden im Wesentlichen durch das Zusammenspiel seiner extrazellulären Matrixkomponenten vermittelt. Hochmolekulare Proteoglykane (insbesondere Aggrekan) sind dabei in einem Maschennetzwerk zugfester Kollagen-Typ-II-Fibrillen eingeschlossen. Da die wasserbindenden Proteoglykane in diesem Verbund nur zu etwa 40 % hydratisiert sind und daher stets die Tendenz zur Aufnahme von mehr Wasser haben, entsteht ein Schwelldruck, der vom rigiden Kollagengerüst aufgefangen wird.

Diese Gewebearchitektur verleiht der intakten Knorpelmatrix eine physiologische Vorspannung, die im Belastungsfall die Höhenveränderung, also Stauchung des Knorpels erheblich reduziert und ihm so seine stoßdämpfenden Eigenschaften verleiht. Axiale Stöße werden optimal auf den subchondralen Knochen verteilt und eingeleitet, punktförmige Belastungsspitzen werden vermieden und der darunterliegende Knochen wird geschont [23].

Durch akute Verletzungsereignisse oder repetitive Mikrotraumen – z.B. wegen einer Gelenkinstabilität oder einer Gelenkfehlstellung – können die quervernetzten Kollagenfibrillen der Knorpelmatrix und somit deren Rückhaltekräfte geschädigt werden. Daraufhin binden die Proteoglykane mehr Wasser. Das Gewebe schwillt an, wird weich (Chondromalazie) und weniger belastbar.

Sekundär entzündliche Prozesse lockern das Kollagengerüst weiter auf, fördern die Degradation und Ausschwemmung der Proteoglykane aus ihrem Matrixverbund, was zu einem konsekutiven Verlust des Schwelldrucks führt. Dies sorgt für eine weitere Verschlechterung der biomechanischen Eigenschaften des Knorpels.

Reaktiv, insuffizient verlaufende Reparaturprozesse führen zusätzlich zu einem Umbau der Zell- und Matrixstruktur des Knorpels, gekennzeichnet durch Proliferation, Clusterbildung, dem Absterben von Chondrozyten und der Auflösung von Chondronen. Ferner kommt es zur Sklerosierung mit Vaskularisation und Innervation der subchondralen Knochenlamelle, der Entstehung gelenknaher Osteophyten und Knochenzysten. Durch die Summe der pathologischen Veränderungen entsteht ein Circulus vitiosus der letztlich in einer destruktiven Arthrose endet.

Eine größere Zahl unterschiedlicher Mediatoren, Zytokine und proteolytischer Enzyme (Metalloproteasen) spielt bei den beschriebenen Prozessen der Arthroseentstehung eine zentrale Rolle, wobei die Regulation und metabolische Interaktion dieser Faktoren einschließlich der daraus entstehenden Folgen bisher noch nicht vollständig bekannt ist [16, 17, 8].

Wirkungsweise von PRP in der Arthrosebehandlung

Thrombozyten enthalten eine Vielzahl unterschiedlicher Wachstumsfaktoren und Botenstoffe, denen verschiedene regenerative oder auch entzündungshemmende Eigenschaften zugeschrieben werden [20]. Daneben enthalten die Thrombozyten auch Mediatoren, die eher kritisch zu sehen sind, da sie Entzündung, Angiogenese und andere unerwünschte Effekte induzieren können [20, 17]. Durch Aktivierung des gewonnenen Plättchenkonzentrats, etwa durch Thrombin oder Kalziumchlorid, können im behandelten Gelenk bis zu 800 bekannte Botenstoffe und Proteine freigesetzt werden [2].

Derzeit besteht auch das Problem, dass es je nach Spender und Herstellungsprozess signifikante Unterschiede in der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung der PRP-Präparationen gibt. So fanden Kalen et al. erhebliche inter- und intraindividuelle Differenzen für verschiedene BMPs (bone morphogenetic proteins) [14]. Die Ergebnisse präklinischer und klinischer Studien lassen vermuten, dass solche Unterschiede therapeutisch relevant sein könnten.

In-vitro Experimente und Versuche in verschiedenen Tiermodellen haben beispielsweise gezeigt, dass einige BMPs die Expression knorpeltypischer Matrixkomponenten in artikulären Chondrozyten stimulieren und die Blockade der BMPs zu einer reduzierten Proteoglykansynthese mit konsekutiver Knorpelschädigung führt [10, 19]. Ferner wurde in einer klinischen Studie zur Knorpelregeneration beobachtet, dass ein gutes klinisches Ergebnis signifikant mit der Expression von BMP-2 in der Gelenkflüssigkeit korreliert. Die gleiche Arbeitsgruppe konnte in einer weiteren klinischen Studie zeigen, dass geringe Konzentrationen von BMP-2 in der Synovialflüssigkeit mit dem Fortschreiten arthrotischer Veränderungen assoziiert war [29].

Auch für viele andere Mediatoren konnten signifikante spender- und herstellungsassoziierte Unterschiede in verschiedenen PRP-Präparationen nachgewiesen werden [21, 24]. Das ist vermutlich auch ein wesentlicher Grund dafür, warum der genaue Wirkungsmechanismus beziehungsweise die biologischen Effekte von PRP in der Behandlung einer Arthrose und ihrer verschiedenen Stadien noch nicht bekannt ist [25].

Unterschiedliche Einflussgrößen bestimmen die
Wirkstoffzusammensetzung von PRP-Produkten

Bei der Herstellung von PRP werden die Bestandteile des zuvor abgenommenen und anti-koagulierten Vollbluts mittels Zentrifugation aufgetrennt. Dafür bieten inzwischen mehr als 30 Firmen unterschiedliche Systeme an.

Je nach Herstellungs- und Zentrifugationsverfahren und abhängig von Einflussgrößen, die mit dem einzelnen Patienten zu tun haben, enthalten die gewonnenen PRP-Präparate unterschiedliche Mengen an Thrombozyten und Wachstumsfaktoren [21, 24]. Die Konzentration der Plättchen im PRP-Präparat kann ein Vielfaches von der Konzentration im Vollblut betragen. In den meisten Studien war die Plättchenkonzentration um das 3- bis 6-fache erhöht [25].

Je nach Herstellungsweise kann PRP auch viele oder nur wenige Leukozyten enthalten. Diese können andere Mediatoren enthalten und besitzen auch als Zelltyp weitere immunologische Eigenschaften. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass selbst eine definierte Zahl an Plättchen im Konzentrat nicht immer mit der gleichen Konzentration an Wachstumsfaktoren einhergeht [13, 24].

Es ist daher verständlich, dass die verschiedenen Herstellungsverfahren und Einflussgrößen zu PRP-Produkten mit unterschiedlicher qualitativer und quantitativer Wirkstoffzusammensetzung und damit variablen Eigenschaften führen, was die Auswertung und insbesondere auch die Vergleichbarkeit der klinischen Studien erheblich erschwert [25].

Diese Einsicht führte dazu, dass 2012 ein internationales Klassifizierungsverfahren eingeführt wurde, mit dem die verwendeten PRP-Präparate charakterisiert werden sollen. Es berücksichtigt die absolute Zahl an Thrombozyten, die Art der Plättchenaktivierung sowie die An- oder Abwesenheit von Leukozyten im Präparat und soll die Beurteilung klinischer Studienergebnisse erleichtern [7]. Ob diese Maßnahme letztlich genügen wird, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

Derzeitige arzneimittelrechtliche Vorgaben für die
Anwendung in Deutschland

Die Herstellung von plättchen- bzw. thrombozytenreichem Plasma (PRP) zur therapeutischen Anwendung unterliegt den Bestimmungen des Arzneimittel- (AMG) und Transfusionsgesetzes (TFG). Gemäß § 67 AMG ist die Herstellung der zuständigen Landesbehörde vor Aufnahme der Tätigkeit anzuzeigen. Hiermit verbunden ist die vorherige Erteilung einer Herstellungserlaubnis nach §§ 13ff AMG. Die erlaubnisfreie Gewinnung bzw. Herstellung von plättchenreichen autologen Blutprodukten ist nur zulässig, soweit diese unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des persönlich anwesenden Arztes gewonnen und hergestellt werden (§ 13 Abs. 2b AMG).

Die Herstellung von PRP muss unter den Bedingungen der Guten Herstellungspraxis (also GMP-gerecht) erfolgen. Hierfür sollten geschlossene Einmalsysteme verwendet werden. Die Be- und Verarbeitung sowie die Prüfung kann durch geschultes Personal unter unmittelbarer fachlicher Verantwortung des behandelnden Arztes durchgeführt werden. Durch diese Vorgehensweise sollen Kreuzinfektionen und Anwendungszwischenfälle ausgeschlossen werden. Soweit für den jeweiligen Patienten aufbereitete Materialien nicht vollständig zur Anwendung kommen, werden diese unmittelbar nach dem Eingriff sachgerecht entsorgt.

Bisherige klinische
Ergebnisse und Evidenzlage

In den vergangenen Jahren wurden eine Reihe klinischer Studien mit unterschiedlichem Design und verschiedenen PRP-Präparaten durchgeführt. Eine Arbeitsgruppe der französischen Gesellschaft für Rheumatologie hat die Ergebnisse der größeren Studien zur Behandlung der Arthrose im Knie- und Hüftgelenk erst kürzlich zusammengefasst [25]. Schwerwiegende unerwünschte Nebenwirkungen wurden eher selten beobachtet, die Autoren kommen jedoch zu dem Schluss, dass die Datenlage zur Wirksamkeit von PRP bei der Hüftarthrose wegen mangelnder Studien noch nicht ausreichend ist, um daraus eine Empfehlung für diese Indikation abzuleiten.

Die Datenlage aus randomisierten Studien zur symptomatischen Behandlung degenerativer Veränderungen im Knie wurde dagegen besser bewertet und PRP im Vergleich zu HA eine geringfügig bessere Wirkung zugesprochen – insbesondere im frühen Stadium der Arthrose. Aber auch bei diesem Gelenk wurde für PRP keine Empfehlung als primäres oder sekundäres Behandlungsverfahren bei degenerativen Veränderungen ausgesprochen [25]. Als Grund hierfür wurde die geringe Zahl hochwertiger klinischer Studien mit häufig unterschiedlichen Behandlungsprotokollen, die oft heterogene Zusammensetzung und damit schwierige Vergleichbarkeit der behandelten Patientenpopulationen sowie die noch weitgehend unbekannte Wirkungsweise von PRP genannt.

Nach metaanalytischer Auswertung von 16 klinischen Studien mit insgesamt 1543 Patienten wurden in einem Review für die symptomatische Behandlung einer Kniearthrose im Vergleich zu Placebo oder der Behandlung mit HA oder einem Kortikosteroid bessere Ergebnisse für PRP beschrieben [6].

Eine erst kürzlich von Meheux et al. veröffentlichte systematische Übersichtsarbeit [22] fasst die Ergebnisse randomisierter PRP-Studien mit höchstem Evidenzniveau bei symptomatischer Kniearthrose zusammen. Dabei wurden 6 Studien mit insgesamt 739 Patienten, 817 Kniegelenken und einem durchschnittlichen Follow-up von 38 Wochen ausgewertet (min. 24, max. 52 Wochen). In 5 Studien wurde PRP mit HA verglichen, in einer mit Placebo. Als primärer Endpunkt bzw. klinischer Leitscore wurde in 5 Studien der WOMAC (Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index) und in einer der IKDC-Score (International Knee Documentation Committee Subjective Knee Evaluation Form) verwendet. In allen 6 Studien wurde für PRP im jeweils untersuchten Beobachtungszeitraum eine statistisch signifikante und klinisch mindestens minimal relevante Verbesserung hinsichtlich Schmerzen und Gelenkfunktion im Vergleich zu Baseline gefunden. In 4 der 5 vergleichenden Studien zu PRP versus HA und in der Studie gegen Placebo (Kochsalzlösung) wurden im WOMAC Score signifikant bessere Ergebnisse für PRP beobachtet.

Als limitierend für die Evidenzbewertung nennt der Review die noch geringe Zahl an gut geplanten Studien mit meist kurzen Verlaufszeiten bei überwiegend fehlender Doppelverblindung, die in allen 6 Studien fehlende postinterventionell bildgebende Diagnostik zur Analyse objektiver Daten, die oft unterschiedlichen Herstellungsverfahren für PRP und die uneinheitlichen Behandlungsprotokolle.

Basierend auf den bisherigen Studienergebnissen sehen Meheux et al. [22] einen möglichen Einsatz von PRP bei der symptomatischen Kniearthrose, wobei diese in der radiologischen Einteilung nach Kellgren und Lawrence ? Grad 3 sein sollte (Grad 1–3). Ähnliche Ergebnisse und Schlussfolgerungen wurden in der bereits genannten Publikation von Chang et al. [6] und in 2 weiteren Übersichtsarbeiten [5, 27] beschrieben.

Die Autoren des Level-1-Reviews empfehlen angesichts der von ihnen zusammengefassten Studienlage die 2- bis 4-malige Injektion von PRP in einem Abstand von jeweils 2–4 Wochen als Behandlungsschema. Ob dabei leukozytenreiche oder leukozytenarme PRP-Präparate von Vorteil sind, kann derzeit nicht valide beantwortet werden [22].

Nach den Ergebnissen einer kürzlich veröffentlichten klinischen Studie scheint die Anwesenheit der Leukozyten in einer PRP-Gabe (es wurden 3 Injektionen im wöchentlichen Abstand vorgenommen) nicht zu einer Hochregulierung der Expression proinflammatorischer Botenstoffe im arthrotischen Kniegelenk zu führen. Es konnten keine signifikanten Unterschiede vor und nach PRP-Behandlung detektiert werden. Die Aspiration beziehungsweise die Gewinnung von Synovialflüssigkeit zur Faktorenanalyse erfolgte jeweils unmittelbar vor der PRP-Injektion.

Auch für verschiedene antiinflammatorisch wirkende Zytokine und andere Wachstumsfaktoren konnten keine bedeutenden Konzentrationsunterschiede in der Synovia der Gelenke oder im Plasma der Patienten vor und zu unterschiedlichen Zeitpunkten (bei Plasma bis zu 12 Monatsanalysen) nach PRP- oder auch HA-Behandlung festgestellt werden [18].

Zusammenfassend deutet die derzeitige Evidenzlage darauf hin, dass PRP besonders bei noch nicht allzu weit fortgeschrittener Arthrose des Kniegelenks einen therapeutischen Stellenwert haben kann, wobei zusätzliche klinische Studien mit prospektiv randomisiertem Design erforderlich sind, um eine optimale Herstellung bzw. Zusammensetzung der PRP-Präparate und ein ideales Anwendungsprotokoll zu identifizieren. Gleiches gilt für die Frage, ob PRP der HA, und hier insbesondere ihre quervernetzten Formen oder der hybriden Anwendung hoch- und niedermolekularer HA [28] sowie anderen entzündungshemmenden und intraartikulär zu applizierenden Substraten [4] therapeutisch überlegen ist.

Möglichweise ist auch die Kombination oder alternierende Gabe dieser Produkte von Vorteil, um synergistische Effekte der unterschiedlichen biologischen Wirkungsweisen dieser Therapeutika zu nutzen. Auch zur Klärung dieser Fragen ist die Durchführung geeigneter prospektiv randomisierter, verblindeter und lacebokontrollierter (z.B. physiologische Kochsalzlösung [1]) Studien bei definierten Indikationen und mit längeren Verlaufszeiten zu empfehlen.

Interessenkonflikt: Christoph Gaissmaier besitzt Aktienanteile an der Tissue Engineering Technologies (TETEC) AG, einem Unternehmen zur Entwicklung und Herstellung von biologischem Gewebeersatz. Als Mitglied der Geschäftsleitung bezieht er Gehaltszahlungen. Die TETEC AG war und ist an Drittmittel-geförderten Projekten zur Entwicklung neuer Verfahren der Knorpel- und Bandscheibenregeneration beteiligt.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Johannes Flechtenmacher

Orthopädische Gemeinschaftspraxis am Ludwigsplatz

Waldstraße 67

76133 Karlsruhe

flechtenmacher@ortho-zentrum.de

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Fussnoten

1 TETEC AG, Reutlingen

2 Orthopädische Gemeinschaftspraxis am Ludwigsplatz, Karlsruhe

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