Übersichtsarbeiten - OUP 06/2014

Akupunktur in der Sportorthopädie – aktueller Stand der Evidenz

Nach aktuellem Stand reduziert Akupunktur chronische HWS- und LWS-Schmerzen um ca. 7 % bzw. 16,5 % im Vergleich zu Shamakupunktur bzw. Wartelistenkontrolle [5]. Bei Lumbago zeigte sich in Meta-Analysen nur bzgl. akuten Schmerzzuständen eine signifikante Besserung durch Akupunktur im Vergleich zu Sham, nicht jedoch beim chronischen Rückenschmerz [10, 11]. In einer Studie an 3093 Patienten mit chronischer Lumbago zeigte sich nach Akupunktur (20 % Besserung) im Vergleich zu Wartelistenkontrolle (3 % Besserung) eine signifikante Besserung der Funktion die mittels des Funktionsfragenbogens Hannover-Rückenschmerzen (FFbH-R) evaluiert wurde [12].

Häufige in den Studien verwendete Akupunkturpunkte sind u.a. Dü 3, Bl40, 60, Di 4 sowie LG 14, LG23 als Lokalpunkte.

Ellbogen

Nach derzeitiger Studienlage existiert ein spezifischer kurzzeitiger Akupunktureffekt in der Behandlung einer Epicondylitis im Vergleich zu Sham [9, 13]. In einer kleinen randomisierten geblindeten Studie an 45 Patienten zeigte sich zudem ein Kraftzuwachs bei isokinetischer Messung der Maximalkraft durch Verumakupunktur [14].

In den Studien verwendete Punkte sind u.a. Di 4 und 3E 5, sowie Di 10, 11 sowie Lu 5 als Lokalpunkte.

Sprunggelenk

Park et al. [29] berichten in ihrer Metaanalyse (n = 1820) zu Akupunktur bei akuten Sprunggelenkdistorsionen über deutliche Hinweise für eine Besserung der kompletten Symptomatik durch Akupunktur im Vergleich zu Kontrollgruppen ohne Therapien (relatives Risiko (RR) für Symptompersistenz nach Akupunktur: 0,56) bzw. NSAIDs (RR für Symptompersistenz nach Akupunktur: 0,64). Allerdings ist die Qualität der meisten eingeschlossenen Studien nicht sehr hochwertig.

In den Studien verwendete Punkte sind u.a. Di4 und Le3, sowie Ma41, Gb40, Bl60, 62, 63 (Supinationstrauma) bzw. Ni2, 3, 6, Mi4 und 5 (Pronationstrauma) als Lokalpunkte.

Myofasziale Schmerzen

Derzeit wird einer kürzlich erschienenen Meta-Analyse (n = 188) zufolge Dry Needling für myofasziale Schmerzen im Bereich des Nackens, Halses und der Schulter empfohlen: Direkt und 4 Wochen nach durchgeführter Therapie zeigen sich im Vergleich zu Sham oder Placebo jeweils ca. 30 % Besserung [15].

Postoperativer Schmerz

In einer Übersichtsarbeit (n = 1166) von Sun et al. [16] zeigte sich Akupunktur im Vergleich zu Shamakupunktur mit erniedrigtem kumulativem Opioidverbrauch (3,14 mg, 8,33 mg bzw. 9,14 mg 8, 24, bzw. 72h postoperativ) bei gleichzeitig erniedrigter Schmerzintensität 8h sowie 72h postoperative assoziiert. Auch die mit Opiaten assoziierten Nebenwirkungen Nausea (relatives Risiko (RR): 0,67), Schwindel (RR: 0,65), Sedierung (RR: 0,78), Juckreiz (RR: 0,75) und Harnverhalt (RR: 0,29) zeigten sich im Vergleich zu Sham signifikant reduziert.

Für Ohrakupunktur gibt es vielversprechende Hinweise für eine Wirksamkeit bei postoperativen Schmerzen im Vergleich zu Placebo [17].

Übelkeit und Erbrechen

Eine Stimulation des Akupunkturpunkts Pe6 (Abb. 3) reduziert postoperative Nausea (Relatives Risiko (RR): 0,71), Erbrechen (RR: 0,70) und den Bedarf an pharmakologischer Medikation (RR: 0,69) im Vergleich zu Shamakupunktur [18, 19].

Auch bzgl. Chemotherapie-induzierter Nausea und Emesis zeigt Pe6 einen vielversprechenden Effekt [20].

Akupunktur zur
Leistungssteigerung

Einige experimentelle Studien untersuchten einen möglichen leistungsfördernden Effekt von Akupunktur. Hinweise zur Beeinflussung der Maximal- und Schnellkraft [21, 22, 23] und Regenerationszeit bei Muskelkater [24] bei Sportlern sowie Verbesserung des Gangbilds bei geriatrischen Patienten [25] sollte in größeren Studien noch ausführlicher nachgegangen werden, um eine Aussage zur tatsächlichen Wirksamkeit liefern zu können.

Nebenwirkungen

Gefährliche Nebenwirkungen sind selten: In 3 großen Studien an über 290.000 Patienten mit mehr als 2 Millionen Akupunkturbehandlungen traten an schweren Nebenwirkungen 2mal Pneumothorax und eine Nervenläsion auf, die über 180 Tage anhielt [26, 27, 28]. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Hämatome (ca. 6 %) und Schmerzen an der Einstichstelle (ca. 2 %).

Fazit

In der Sportorthopädie gibt es einige vielversprechende Gebiete für den Einsatz von Akupunktur – überwiegend zur Therapie von Schmerzen und im postoperativem Setting. Dry Needling stellt eine interessante Option bei myofaszialen Schmerzen dar.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Florian Pfab

Zentrum für Prävention und Sportmedizin, Klinikum rechts der Isar

Technische Universität München

Georg-Brauchle-Ring 56 (Campus C)

80992 München

pfab@sport.med.tum.de

Literatur

1. Hartel U, Volger E. [Use and acceptance of classical natural and alternative medicine in Germany – findings of a representative population-based survey]. Forschende Komplementärmedizin und klassische Naturheilkunde = Research in complementary and natural classical medicine 2004; 11: 327–34

2. Albrecht H. [The situation of complementary medicine in Germany]. Forsch Komplementmed 2013; 20: 73–7

3. Dorfer L, Moser M, Bahr F et al. A medical report from the stone age? Lancet 1999; 354: 1023–5.

4. Dorfer L, Moser M, Spindler K, Bahr F, Egarter-Vigl E, Dohr G. 5200-year-old acupuncture in central Europe? Science 1998; 282: 242–3

5. Vickers AJ, Cronin AM, Maschino AC et al. Individual patient data meta-analysis of acupuncture for chronic pain: protocol of the Acupuncture Trialists’ Collaboration. Trials 2010; 11: 90

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