Übersichtsarbeiten - OUP 02/2023

Akute Syndesmosenverletzung
Aktuelle Therapieempfehlungen

Die instabile isolierte vordere Syndesmosenverletzung wird häufig mittels Stellschrauben oder einem sogenannten „Suture-Button“-Prinzip (SB) operativ stabilisiert. Eine Weiterentwicklung dieses Prinzips ist die Stabilisierung mittels TightRope®. Bei knöchernen Begleitpatholgien wie z.B. distaler Fibulafrakturen wird zunächst die anatomische offene Reposition der Fraktur und Stabilisierung mittels Plattenosteosynthese durchgeführt. Bei verbliebener Instabilität der vorderen Syndesmose mit einem tibiofibularen „clear space über 6 mm“ oder Instabilität im Hook-Test wird eine Repositionszange mittig auf den lateralen und medialen Malleolus mit Neutralstellung des oberen Sprunggelenks platziert. Dieses Repositionsmanöver kann bei isolierter vorderer Syndesmosenruptur auch geschlossen erfolgen, wobei allerdings die Gefahr besteht, eine ungenügende Reposition in der Inzisur zu übersehen. Um dies zu vermeiden, sollte entweder die offene Darstellung der Syndesmose erfolgen oder eine additive 3D-Bildgebung. Im eigenen Vorgehen erfolgt die offene Reposition zur sicheren Beurteilung der Syndesmose. Zwei 3,5 mm Kortikalis-Schrauben werden über die distale Fibula von dorso-lateral in einem Anteversionswinkel von ca. 15–20° parallel mit einem Abstand von 2–3 Zentimeter zur distalen tibialen Gelenkfläche unter Durchleuchtung eingebracht. Der Fuß wird in Neutralposition gehalten, um das „Loading“ auf das obere Sprunggelenk möglichst gering zu halten [2]. In der Regel wird eine tricorticale Verankerung angestrebt (Abb. 1).

Bei ca. 30–40 % der Stellschraubenstabilisierungen besteht nach postoperativ durchgeführter 3D-Bildgebung eine ungenügende Reposition und bei bis zu 10–15 % zeigt sich eine verbliebene ligamentäre Insuffizienz der Syndesmose nach Stellschraubenentfernung [11]. Die Stabilisierung des distalen Tibiofibulargelenks mittels TightRope® System, eine Form der flexiblen Stabilisierung, hatte während der letzten Jahre eine zunehmend gleichwertige Akzeptanz erreicht [12]. Das Stabilisierungsprinzip ähnelt dem der Stellschrauben-Osteosynthese (SSO). In gleicher Ausrichtung wie die SSO wird, parallel mit einem Abstand von ca. 2 cm zur distalen tibialen Gelenkfläche, ein Bohrkanal angelegt. Es erfolgt die Reposition des distalen Tibiofibulargelenks mittels Repositionszange. Der Suture-Button wird von lateral der distalen Fibula durch den Bohrkanal über die mediale tibiale Cortex herausgeführt und gedreht („geflippt“). Die Fadenpaare werden über ein Mädchenfänger-Prinzip, welches im TightRope® integriert ist, zusammengezogen, so dass hierdurch die Fibula und Tibia zusammengehalten werden (Abb. 2). Es gibt erste Berichte, dass die Zahl von ungenügenden Repositionen und sekundären Diastasen des distalen Tibiofibulargelenks reduziert werden kann [12].

Operative Therapie der vorderen und hinteren Syndesmosenverletzung bei knöchernen Avulsionsfrakturen

Die knöchernen Syndesmosenverletzungen unterteilen sich in die ventralen knöchernen Avulsionsfrakturen wie z.B. das Tubercule de Tillaux-Chaput-Fragment (tibiale Avulsionsfraktur) und das Wagstaffe-Le Fort-Fragment (ventrale fibulare Avulsionsfraktur) sowie in die dorsalen tibialen Avulsionsfrakturen im Sinne einer Volkmann-Fraktur. Die ergänzende CT-Diagnostik ist von großer Bedeutung, um die operative Strategie und die damit verbundene Lagerung zu planen [4, 8–10]. Bei Volkmann-Frakturen ist häufig die Seitenlagerung indiziert, um die Volkmann-Fraktur über einen dorsolateralen Zugang direkt mit einer Schrauben- oder Plattenosteosynthese offen zu reponieren. Durch Ligamentotaxis reponiert sich die distale Fibula korrekt in die konkave Inzisur des distalen Tibiofibulargelenks. Die vorderen Avulsionsfrakturen wie das tibiale Tubercule de Tillaux-Chaput-Fragment werden im eigenen Vorgehen je nach Größenverhältnissen mit Schrauben oder bei kleinen Fragmenten knotenfreien Ankern sowie einer additiven SSO addressiert.

Intraoperative
3D-Bildgebung

Idealerweise sollte die intraoperative 3D-Bildgebung zur Reposition und Stabilisierung genutzt werden, da jüngste Studien deutliche Vorteile der Repositionsqualität und damit indirekt klinischen Ergebnisse zeigten [1, 17]. Im eigenen Vorgehen steht allerdings diese Möglichkeit nicht zur Verfügung, so dass die direkte offene Einsichtnahme erfolgt. Diese kann zuverlässig die Abweichung der Fibula nach ventral ausschließen, welche das Hauptproblem darstellt. Des Weiteren können wir die Nutzung eines 2,0 mm Kirschner-Drahtes empfehlen, der von streng lateral so eingebracht wird, dass bei Kompression der Syndesmose, der Kirschner-Draht das Abweichen der Fibula nach ventral verhindert. Dieses günstige technische Manöver verhindert zuverlässig eine unzureichende Reposition und das „Herausdrücken“ der Fibula nach ventral aus der Inzisur unter Anwendung der komprimierenden Repositionszange. Der Kirschner-Draht sollte bis zum Eindrehen der Stellschrauben verbleiben.

Nachbehandlung

Sechs Wochen Teilbelastung mit 20 kg an Unterarmgehstützen in einem Orthesenstiefel mit 0°-Stellung.

Entfernung Stellschraube

Im deutschsprachigen Raum wird z.Zt. die Entfernung der SSO nach 8 Wochen postoperativ ambulant empfohlen.

Eine nicht durchgeführte Stellschraubenentfernung konnte in einer aktuellen Metaanalyse mit 522 Patientinnen und Patienten sowie in einer radiologischen retrospektiven Studie keinen relevanten Nachteil in der Funktion und radiologischen Stellung des oberen Sprunggelenks gegenüber der erfolgten Metallentfernung nachweisen [13–15]. Das Komplikationsrisiko und die Kosten vs. dem Nutzen einer Stellschraubenentfernung stehen daher jetzt auf dem weiteren Prüfstand und werden kritisch diskutiert [16]. Die Stellschraubenentfernung sollte nach neuesten Erkenntnissen mit den zu behandelnden Patientinnen und Patienten offen besprochen werden.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Lars Bühring

Klinik für Orthopädie und

Unfallchirurgie

Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein

Ev. Stift St. Martin

Johannes-Müller-Str. 7

56068 Koblenz

lars.buehring@gk.de

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