Übersichtsarbeiten - OUP 10/2014

Alter und Indikation zur Hüftendoprothese beeinflussen das Risiko einer periprothetischen femoralen Fraktur

B. Marquaß1, N. von Dercks1, S. Theopold1, J.D.Theopold1, J.K.M. Fakler1, P. Hepp1, C. Josten1

Zusammenfassung: Eine periprothetische Femurfraktur bei liegender Hüftendoprothese ist eine komplikationsträchtige Verletzung mit steigender Prävalenz. Faktoren wie erhöhte Sturzneigung oder Osteoporose erhöhen das Risiko einer solchen Fraktur. Im Rahmen einer retrospektiven Studie wurden 39 Patienten identifiziert, welche im Zeitraum von 2002 bis 2008 in unserer Klinik aufgrund einer periprothetischen Fraktur des proximalen Femurs operativ versorgt worden sind. Von
23 Patienten konnten 2 Jahre nach Frakturversorgung aktuelle klinische Angaben erfasst werden. Periprothetische Frakturen traten im Median 5 Jahre nach Prothesenimplantation auf. Bei der Ausgangsdiagnose Coxarthrose betrug die mediane Standzeit 10 Jahre, bei Patienten mit proximaler Femurfraktur ein Jahr. Ferner wurde eine negative Korrelation des Alters des
Patienten zum Zeitpunkt der Implantation mit der Prothesenstandzeit nachgewiesen. Es fand sich kein Einfluss der Art der Versorgung oder des Frakturtyps auf das klinische Ergebnis,
jedoch traten bei 30 % der Patienten revisionspflichtige Komplikationen auf. Zusammenfassend weist diese Untersuchung auf einen Zusammenhang zwischen dem Zeitraum bis zum Auftreten einer periprothetischen Fraktur und dem Alter des Patienten beziehungsweise der zur Hüftendoprothesenimplantation führenden Diagnose hin. Risikopatienten lassen sich somit besser identifizieren.

Schlüsselwörter: Periprothetische Femurfraktur, Hüftendoprothese, proximale Femurfraktur, Alter

Zitierweise
Marquaß B, von Dercks N, Theopold S et al. Alter und Indikation zur Hüftendoprothese beeinflussen das Risiko einer periprothetischen
femoralen Fraktur.
OUP 2014; 10: 450–455 DOI 10.3238/oup.2014.0450–0455

Summary: Periprosthetic fractures have a rising prevalence. Amongst others, osteoporosis and affection for repeated downfalls lead to an increased risk of fracture. Within a retrospective study, 39 patients could be identified with a periprosthetic femoral fracture. 23 patients were investigated after a median follow-up of 2 years after fracture. The timespan from implantation to fracture was signiificantly longer for patients who received their hip prosthesis due to coxarthrosis compared to those patients who received their hip prosthesis due to a proximal femoral fracture. In addition patient age showed a negative correlation to time to fracture. Type of fracture or choice of treatment had no influence on the patient outcome in this cohort. However we found a revision rate of 30 %. In conclusion this study identifies a group of patients who are in a higher risk of periprosthetic fracture.

Keywords: periprosthetic fracture, hip arthroplasty, proximal
femoral fracture, age

Citation
Marquaß B, von Dercks N, Theopold S et al. Age and indication for hip arthroplasty affect the likelihood of a periprosthetic femoral fracture.
OUP 2014; 10: 450–455 DOI 10.3238/oup.2014.0450–0455

Hintergrund

Mit steigender Anzahl an Prothesenimplantationen, zunehmenden Standzeiten der Prothesen und Häufung von Risikofaktoren im Alter, kommt es zu einer Zunahme der Prävalenz an Komplikationen im Rahmen der Hüftendoprothetik. Neben den Hauptkomplikationen Infektion und aseptische Prothesenlockerung, stellt die periprothetische Fraktur eine seltene, aber schwerwiegende Komplikation dar. Die Wahrscheinlichkeit, nach Implantation einer Hüftendoprothese eine periprothetische Fraktur zu erleiden, wird mit 1 % nach Primärimplantation und 4 % nach Revisionsoperationen angegeben [1].

Häufiger Verletzungsmechanismus ist der häusliche Sturz, welcher für 75 % der periprothetischen hüftnahen Frakturen als ursächlich angegeben wird [2].

Die Therapie besteht in der Regel in einer operativen Versorgung, wobei die Wahl des Operationsverfahrens maßgeblich vom Frakturtyp und der Stabilität der Primärprothese abhängt [3]. Während bei Prothesenlockerung ein Prothesenwechsel indiziert ist, können bei festem Prothesenschaft und in Abhängigkeit von der Knochenqualität verschiedene Osteosyntheseverfahren verwendet werden. Das vorrangige Ziel ist eine rasche und schmerzarme Mobilisation der überwiegend alten Patienten.

Frakturbegünstigend wirkt eine häufig vorliegende Knochenatrophie, nicht selten als Folge einer generalisierten Osteoporose. Als weitere Risikofaktoren werden angesehen:

das Vorliegen einer Prothesenlockerung,

Voroperationen,

eine rheumatoide Arthritis,

ein enger Markraum,

maligne Grundleiden und

eine reduzierte Compliance.

Was in bisherigen Studien nicht berücksichtigt wurde, ist die zugrundeliegende Indikation zur Implantation der Hüftendoprothese. Epidemiologische Studien haben jedoch einen Zusammenhang zwischen arthrotischen Veränderungen an Hüfte oder Knie und der Knochenmineraldichte untersucht und fanden eine höhere Knochenmineraldichte bei Patienten mit Arthrose verglichen zu Patienten ohne arthrotische Veränderungen [4–6]. Umgekehrt steigt das Risiko, eine weitere Fraktur zu erleiden, wenn anamnestisch bereits eine hüftgelenknahe Fraktur aufgetreten ist [7, 8]. Es ist daher anzunehmen, dass Patienten, bei denen die Hüftendoprothese aufgrund einer Coxarthrose implantiert wurde, ein geringeres Risiko einer periprothetischen Fraktur aufweisen als Patienten, bei denen die Implantation aufgrund einer hüftgelenknahen Fraktur erfolgte.

Ziel dieser Untersuchung ist es daher, das klinische Ergebnis von Patienten mit periprothetischer Femurfraktur bei liegender Hüftendoprothese zu erfassen und die Abhängigkeit der Prothesenstandzeiten von der ursprünglichen Indikation zur Hüftendoprothese zu untersuchen.

Patienten und Methode

Im Rahmen einer retrospektiven Studie wurden 39 Patienten identifiziert, welche im Zeitraum von 2002 bis 2008 in unserer Klinik aufgrund einer periprothetischen Fraktur des proximalen Femurs operativ versorgt worden sind. Von den 39 Patienten konnten 18 Patienten vollständig klinisch nachuntersucht werden. Fünf Patienten standen aus gesundheitlichen Gründen nicht für eine Untersuchung zur Verfügung, füllten aber die Fragebögen mit den klinischen Scores aus. Acht Patienten (21 %) sind nachweislich verstorben. Weitere 8 Patienten konnten weder erreicht noch konnte die aktuelle gesundheitliche Situation in Erfahrung gebracht werden. Somit wurden 23 Patienten (18 Frauen, 5 Männer, medianes Alter bei Fraktur 79 Jahre) mit einem medianen Zeitraum von 24 Monaten (IQB 18–43 Monate) in die klinische Untersuchung eingeschlossen. Im Rahmen der Nachuntersuchung wurde der Oxford Hip Score, der Harris Hip Score und der Absolutwert des Scores nach Merle d’Aubigné erfasst sowie Angaben zur aktuellen Lebenssituation bestimmt. Anhand der Aktenlage wurden zusätzlich anamnestische Daten der verstorbenen oder nicht erreichten Patienten erhoben, welche in die Beurteilung des Einfluss von Alter und ursprünglicher Indikation zur Hüftendoprothese auf die Prothesenstandzeit einflossen, um die statistische Power zu erhöhen.

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4