Arzt und Recht - OUP 09/2015

Antikorruptionsgesetz
Hintergrund, Sachstand, Risiken*

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen zeigt auf, wie zukünftig der Korruption im Gesundheitswesen begegnet werden soll**. Sie kann mit Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafen geahndet werden. Der gesetzlichen Krankenversicherung sollen durch Korruption und Falschabrechnung jährlich zwischen 5 und 18 Mrd. Euro verloren gehen.

1. Regelungslücke

Nach Artikel 103 II GG (Grundgesetz) und dem gleichlautenden § 1 StGB (Strafgesetzbuch) kann „eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde“. Diese verfassungsrechtliche Garantiefunktion („nulla sine lege“) fordert von jeder Strafnorm, dass sie ganz exakt beschreibt, wer wegen was zu welcher Strafe verurteilt werden kann.

In diesem Sinne stellen die §§ 331 (Vorteilsannahme) und 332 StGB (Bestechlichkeit) unter Strafe, wenn ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert oder sich versprechen lässt oder annimmt.

Der Große Senat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 29.03.2012 (GSSt 2/11) festgestellt, dass niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Ärzte bei Wahrnehmung der ihnen in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben weder Amtsträger noch Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen sind und dass die Korruptionstatbestände des Strafgesetzbuchs für niedergelassene Vertragsärzte grundsätzlich nicht angewendet werden können. Kassenärzte, die von einem Pharma-Unternehmen Vorteile auf Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln dieses Unternehmens entgegennehmen, machen sich also nicht der Vorteilsannahme oder der Bestechlichkeit strafbar.

2. Die Reaktion der Politik

Um diese Strafbarkeitslücke zu schließen, erfolgte unmittelbar im Anschluss an diesen BGH-Beschluss durch die „schwarz-gelbe“ Bundesregierung eine Gesetzesvorlage mit dem Titel „Präventionsgesetz mit Antikorruptionsgesetz“. Sie scheiterte am 20.09.2013 im Bundesrat, der das Präventionsgesetz in den Vermittlungsausschuss überwiesen hatte. Das vorgesehene Antikorruptionsgesetz sollte systemwidrig nicht im Strafgesetzbuch, sondern im Sozialgesetzbuch verankert werden, womit es lediglich Kassenärzte erfasst hätte.

Der aktuelle Gesetzentwurf schlägt vor, in das Strafgesetzbuch einen Tatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen aufzunehmen. Dieser soll alle Heilberufe einbeziehen, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern, und gilt für Sachverhalte sowohl innerhalb als auch außerhalb des Bereichs der gesetzlichen Krankenversicherung. Der vorgeschlagene Straftatbestand soll als neuer § 299a StGB in den 26. Abschnitt des Strafgesetzbuchs (Straftaten gegen den Wettbewerb) eingefügt und der Struktur des § 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) nachgebildet werden. Im Wesentlichen soll es dort heißen: „Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletze, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder in sonstiger Weise Berufsausübungspflichten verletze.“

3. Die Bedenken gegen das Vorhaben der Regierung

Das geplante Antikorruptionsgesetz sieht sich zahlreichen Kritiken ausgesetzt. Vor allem wird für bedenklich gehalten,

dass ein guter Leumund auch ohne Verurteilung beschädigt werden könnte, weil Praxisdurchsuchungen und Untersuchungshaft bereits bei Anfangsverdacht möglich sind.

jede Kooperation und Leistungsbeziehung im Gesundheitswesen erfasst werden kann, weil das Gesetz auf Konkretisierungen verzichtet.

eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Unternehmen ausnahmslos in Frage gestellt wird.

Anträge auf Strafverfolgung wegen Korruption unter anderem Kranken- und Pflegekassen sowie private Versicherungsunternehmen stellen können. Für diese ist das Antragsrecht aber nicht auf die Betroffenheit eines ihrer Mitglieder beschränkt und damit ohne Notwendigkeit zu umfassend.

Patrick Weidinger

Rechtsanwalt, Abteilungsdirektor

Deutsche Ärzteversicherung

Patrick.Weidinger@Aerzteversicherung.de

Fussnoten

*Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus chefarzt aktuell Mai/Juni 2015, 3/2015, S. 51–52

**Am 29.07.2015 erfolgte ein entsprechender Kabinettsbeschluss.

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