Arzt und Recht - OUP 03/2015

Aufklärung durch Medizinstudenten im Praktischen Jahr*
Die Aufklärung des Patienten kann einem Studenten im Praktischen Jahr übertragen werden, wenn sie seinem Ausbildungsstand entspricht und unter der Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes stattfindet. Die Anwesenheit eines Arztes ist

Anmerkung: Wegen seiner exemplarischen Begründung zur Aufklärungspflicht wird das Urteil ausführlich referiert.

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin erlitt bei einer Herzkatheteruntersuchung eine Dissektion der Arteria femoralis. Die Klägerin machte Schadenersatzansprüche u.a. mit der Begründung geltend, die Aufklärung durch einen Medizinstudenten im Praktischen Jahr sei unzulässig gewesen.

Aus den Gründen:

II.1. Die Klägerin hat wirksam in die Herzkatheteruntersuchung eingewilligt. Die der Einwilligung vorausgegangene Eingriffs- und Risikoaufklärung ist weder inhaltlich unzureichend noch deshalb unbeachtlich, weil sie von einer Medizinstudentin im Praktischen Jahr durchgeführt wurde.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Patient „im Großen und Ganzen“ wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dies bedeutet nicht, dass die Risiken in allen erdenkbaren Erscheinungsformen aufgezählt werden müssen. Es muss aber eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Bei diagnostischen Eingriffen – wie der hier zu beurteilenden Herzkatheteruntersuchung – sind dabei grundsätzlich strengere Anforderungen an die Aufklärung des Patienten über damit verbundene Risiken zu stellen. Denn bei ihnen bedarf es einer besonders sorgfältigen Abwägung zwischen der diagnostischen Aussagekraft, den Klärungsbedürfnissen und den besonderen Risiken für den Patienten.

Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass die von der Zeugin W. durchgeführte Risikoaufklärung diesen Anforderungen gerecht wird. Die dem zugrunde liegenden Feststellungen beruhen auf einer auch den Senat überzeugenden Beweiswürdigung und sind deshalb gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend. Dass sich die Zeugin nicht an das konkrete Gespräch mit der Klägerin erinnern, sondern nur ihre übliche Aufklärungspraxis schildern konnte, steht dem nicht entgegen, zumal ihre Angaben mit der Dokumentation des Aufklärungsgesprächs auf der von der Klägerin unterschriebenen Einwilligungserklärung übereinstimmen. …

b) Dass die – inhaltlich korrekte – Risikoaufklärung von einer Studentin im Praktischen Jahr durchgeführt wurde, hat das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung ausreichen lassen. Es hat auch zutreffend erkannt, dass es im konkreten Fall nicht auf die Anwesenheit eines Arztes ankommt.

Das Landgericht hat nicht verkannt, dass die Aufklärung des Patienten eine ärztliche Aufgabe ist, die zwar grundsätzlich auf einen anderen Arzt …, aber nicht auf andere Hilfspersonen übertragen werden kann [vgl. nur BGH, NJW 1974, 604, 605; … (wird weiter ausgeführt)]. Das beruht auf dem Gedanken, dass der behandelnde Arzt als solcher für eine wirksame Einwilligung des Patienten zu sorgen hat und die dafür erforderliche Aufklärung des Patienten medizinische Kenntnisse voraussetzt, die bei nichtärztlichem Personal grundsätzlich nicht erwartet werden können … Dementsprechend kann sich der behandelnde Arzt bei einer fehlerhaften Aufklärung durch einen nachgeordneten Kollegen auch nur dann entlasten, wenn kein Anlass zu Zweifeln an der Qualifikation des beauftragten Arztes besteht und die ordnungsgemäße Durchführung der Aufklärung durch klare, stichprobenweise kontrollierte Organisationsanweisungen sichergestellt wird. …

Entgegen der Auffassung der Berufung ist es nicht von vornherein unzulässig, die Aufklärung des Patienten auf einen Medizinstudenten im Praktischen Jahr zu delegieren. Das Landgericht hat vielmehr zutreffend erkannt, dass die Aufklärung durch einen solchen Studenten der ärztlichen Aufklärung gleichstehen kann. Denn nach § 3 Abs 4 Satz 2 ApprOÄ können und sollen Medizinstudenten im Praktischen Jahr entsprechend ihrem Ausbildungsstand unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtungen durchführen. Das entspricht auch dem Zweck des Praktischen Jahres, die Anwendung der während des vorhergehenden Studiums erworbenen ärztlichen Kenntnisse zu lernen (§ 3 Abs. 4 Satz 2 ApprOÄ) und damit die praktischen Fähigkeiten und die klinische Erfahrung zu erwerben, die nach § 4 Abs. 2 BÄO und Art. 24 Abs. 3 lit. d) der Richtlinie 2005/36/EG in der medizinischen Ausbildung vermittelt werden müssen.

Danach kann die Aufklärung einem Studenten im Praktischen Jahr übertragen werden, wenn sie seinem Ausbildungsstand entspricht und unter der Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes stattfindet (vgl. Senat, Urteil vom 16. Februar 2000, 7 U 231/96, juris Tz. 94). Das war hier der Fall.

Der Senat ist aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugin W. davon überzeugt, dass die Zeugin sowohl während des Studiums, dessen theoretischen Teil sie als Studentin im Praktischen Jahr bereits absolviert hatte, als auch während der Famulatur mit Herzkatheteruntersuchungen befasst war und diese auch schon in Patientengesprächen erläutert hatte. (Wird weiter ausgeführt).

Die Zeugin konnte sich zwar nicht erinnern, ob bei dem Gespräch mit der Klägerin ein Arzt anwesend war. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Denn zum einen handelt es sich bei der Herzkatheteruntersuchung nicht um eine seltene Spezialmaterie, sondern um einen standardisierten Eingriff, über den die Zeugin schon mehrfach aufgeklärt hatte, ohne dass es dabei zu Beanstandungen gekommen wäre. Zum andern kann bei einem Aufklärungsgespräch anders als beim Eingriff selbst kein unvorhergesehener Notfall eintreten, der das sofortige Eingreifen eines Arztes erforderlich macht, und bei außergewöhnlichen Fragen des Patienten bestand die Möglichkeit, einen Arzt hinzuzuziehen oder um Rat zu fragen.

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