Übersichtsarbeiten - OUP 01/2018

Außenbandverletzungen am oberen Sprunggelenk
Diagnostischer Algorithmus unter sonografischer KontrolleDiagnostic algorithm und sonografic control

Hartmut Gaulrapp1

Zusammenfassung: Fibulare Bandverletzungen sollen nach dem Grad der Schädigung differenziert behandelt werden. Die Sonografie ist das einzige bildgebende Verfahren, das die Darstellung der Bandstrukturen unter dynamischer Stabilitätstestung erlaubt. Es steht damit ein unmittelbar bei der Erstversorgung einsetzbares diagnostisches Instrument zur Beurteilung der Gelenkstabilität zur Verfügung. Weitere Vorteile sind fehlende Invasivität und Strahlenbelastung. Hämarthros, Kontinuität der Bänder sowie das Ausmaß der Instabilität können vom Behandler sofort und unter Realtime-Bedingungen schmerzfrei erfasst und dokumentiert werden. Die Informationen erlauben eine direkte, der funktionellen Schädigung angepasste Behandlung.

Schlüsselwörter: Sprunggelenkdistorsion, fibulotalare Bänder,
Instabilität, Ultraschall, Sonografie

Zitierweise
Gaulrapp H: Außenbandverletzungen am oberen Sprunggelenk.
Diagnostischer Algorithmus und sonografische Möglichkeiten.
OUP 2018; 1: 028–030 DOI 10.3238/oup.2018.0028–0030

Summary: Injuries of the fibular ankle ligaments should
receive treatment according to their degree of damage. Ultrasound uniquely serves to visualize the ligament
structures under dynamic testing. This method allows
to immediately evaluate ankle joint stability. The lack of
invasivity and radiation are further advantages. The examiner focusses real-time and painless on hemarthrosis, ligament continuity and the extent of instability. Damage adapted treatment can thus be established.

Keywords: ankle sprain, talofibular ligaments, instability,
ultrasound, sonography

Zitierweise
Gaulrapp H: Injuries of the fibular ankle ligaments. Diagnostic algorithm. OUP 2018; 1: 028–030 DOI 10.3238/oup.2018.0028–0030

Fragestellung

Sprunggelenkdistorsionen sind die häufigste Verletzung der Bewegungsorgane, Inversions-Supinationstraumen überwiegen dabei. Die klinische Untersuchung lässt keine ausreichend sichere differenzierte Beurteilung zu, welche Gelenkstrukturen auf der fibularen Seite im Rahmen einer Distorsion verletzt werden [4, 5, 8, 9]. Die gerade aktualisierte AWMF-Leitlinie räumt der sonografischen Abklärung den gleichen Stellenwert ein wie der gehaltenen Röntgenaufnahme und dem MRT [2].

Beim Inversions-Supinationstrauma muss die gesamte fibulare Kette abgeklärt werden, vom Außenknöchel über das lig. fibulotalare ant. (LFTA), lig. calcaneofibulare (LFC) und das laterale calcaneocuboidale (CC-) Band bis hin zum Os metatarsale 5 (Abb. 1). Auch das lig. tibiofibulare ant. (LFTA), das vordere Syndesmoseband kann sonografisch sicher beurteilt werden [10].

Ist aufgrund der Krankengeschichte ein Hämarthros, eine Kapselverletzung des OSG oder eine fibulare Bandverletzung zu vermuten, können Lokalisation und Ausmaß der Verletzung mittels einer unmittelbar bed-side erfolgenden Ultraschalluntersuchung abgeklärt werden. Eine ggf. vorliegende Gelenkinstabilität kann am Monitor erkannt, ausgemessen und dokumentiert werden. Daraufhin kann dann eine verletzungsadaptierte Therapie eingeleitet und nach deren Abschluss erneut sonografisch kontrolliert werden.

Untersuchungstechnik

Die sonografische Untersuchung des Sprunggelenks erfolgt in Rückenlage. Die Fersen liegen der Untersuchungsliege auf. Verwendet werden Schallköpfe mit hoher Auflösung und einem Frequenzbereich ab 9 MHz [6]. Ein Hämarthros im anterioren Längsschnitt (Abb. 2) weist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Kapselbandverletzung hin [9].

Der wichtigste Schnitt liegt direkt (Abb. 3) über dem am Monitor, insbesondere bei traumatisch bedingter Schwellung, sehr gut darstellbarem LFTA. Das unverletzte Band dagegen ist nicht immer gut abgrenzbar (Abb. 4) [6].

Während bei Kindern sonografisch in aller Regel an der Außenknöchelspitze knöcherne Abscherläsionen des LFTA zu beobachten sind (Abb. 5), aber kein Vorschub sichtbar wird, sind adulte Läsionen distal talar lokalisiert (Abb. 6). Wenn das Röntgenbild in der AP-Position nicht ganz exakt in leichter Innenrotation erfolgt, können diese flachen Knochenschuppen bei knöchernem Ausriss leicht übersehen werden.

Die während der sonografischen Erstuntersuchung durchführbare Stabilitätstestung (Abb. 7) [6] zeigt im Vergleich nativ/Stresstestung eine im Seitenvergleich messbare Instabilität (Abb. 8) [7].

Das am zweithäufigsten verletzte Band ist das laterale calcaneocuboidale (CC) Band [1]. Die Ultraschalldarstellung erfolgt im lateralen Longitudinalschnitt (LS) über dem CC-Gelenk (Abb. 9) [6]. Das verletzte Band zeigt sich als nicht mehr durchgängig. Ein Hämarthros kann aus dem Gelenk austreten (Abb. 10). Mitunter finden sich knöcherne Ausrisse, die dann auch im Röntgenbild bestätigt werden können. Gelegentlich kann sonografisch bei forcierter Adduktion eine Instabilität des lateralen CC-Gelenks beobachtet werden. Dann ist an eine Subluxation im Chopart-Gelenk zu denken, die auch den talonavicularen Gelenkanteil betreffen kann.

Immer sollte nach der altersabhängigen Heildauer eine sonografische Abschlusskontrolle des verletzten Bands erfolgen, ebenso auf Instabilitätszeichen. Der ausgeheilte Kapselbandkomplex zeigt zunehmende echogene Überformung des Rupturbereichs, wobei das distal ausgerissene Band noch abgegrenzt werden kann (Abb. 11–12), aber darüber liegend neue dichte Kapselbandstrukturen abgebildet werden können. Die erneut seitenvergleichend durchgeführte Stabilitätstestung ist im Idealfall unauffällig. Aus der Literatur sind bis zu 10 % posttraumatische Instabilitätsfälle bekannt, die sonografisch – im Vergleich zu allen anderen bildgebenden Techniken – erkannt werden können [3].

Das Lig. calcaneofibulare, das Lig. fibulotalare posterius und das Deltaband sind aufgrund ihrer deutlich selteneren Mitverletzung bzw. für die Therapie geringeren Relevanz auch sonografisch nur von geringer Bedeutung.

Fazit

Die Vorteile der sonografischen Primäruntersuchung und der sonografischen Abschlusskontrolle von fibularen Bandverletzungen liegen in deren unmittelbarer Verfügbarkeit, der zusätzlichen bildgebenden Bestätigung oder dem Ausschluss anamnestisch und klinisch vermuteter struktureller Schädigungsbilder in der Hand des klinischen Untersuchers selbst, das gilt auch für die abschließende Erfolgskontrolle nach erfolgter Heilungszeit. Die Sonografie dient hier als klinische Bildgebung und verhilft zur schnellen definitiven Diagnosestellung für die häufigsten fibularen Bandverletzungen.

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