Übersichtsarbeiten - OUP 02/2020

Beckenverletzungen
Intraoperative Bildgebung während der osteosynthetischen Versorgung

Die Fluoroskopie stellt das etablierte Standardverfahren dar, nichtsdestotrotz gibt es Grenzen in der Beurteilbarkeit der Aufnahmen und es kann nicht immer auf eine sichere anatomische Reposition und korrekte Implantatlage aus den erstellten Bildern geschlossen werden [14]. Insbesondere bei Osteosynthesen des Acetabulums oder des hinteren Beckenrings ist die Beurteilung der Gelenkkongruenz und/oder der Implantatposition schwierig [2, 1]. Bei dieser expliziten Fragestellung bietet sich die Anwendung von 3D-fähigen C-Bögen an. Hierbei werden durch eine automatisierte Rotation um das entsprechende Gelenk geräteabhängig Durchleuchtungsbilder erstellt, welche über einen Algorithmus zu einer Schichtbilddarstellung verrechnet werden. Dadurch entsteht eine CT-ähnliche Darstellung der zu untersuchenden Region [15] (Abb. 8).

Insbesondere bei komplexen Gelenkfrakturen konnte in verschiedenen Studien der zusätzliche Nutzen eines intraoperativen 3D-Scans nachgewiesen werden [18, 4]. Im eigenen Vorgehen werden regelhaft seit 2001 intraoperativ nach osteosynthetischer Versorgung des Acetabulums, des Sakrums und des SI-Gelenkes 3D-Scans durchgeführt. Diese Scans werden dann herangezogen, wenn der Operateur fluoroskopisch mit dem Operationsergebnis zufrieden ist. Entsprechend dieser Definition wurde im hauseigenen Langzeitregister für alle operativen Eingriffe mit 3D-Scan eine Revisionsrate von 16,1 % gezeigt [24]. Die 3D-Bildgebung ist artefarktanfällig und wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Zu diesen Faktoren zählen die Knochenqualität, die Konfiguration der Osteosynthese und der Weichteilumfang. Insbesondere die Darstellung des Acetabulums ist bei nicht korrekter Einstellung oder dem Eintreten oben genannter Einflussfaktoren erschwert [9]. In diesen Fällen ist ein postoperatives CT obligat.

Das Volumen, welches dargestellt werden kann, ist bei älteren 3D-fähigen C-Bögen begrenzt (Kantenlänge 11 cm beim Siemens Iso-C 3D) und kann bei Überschreitung die Orientierung im Datensatz erschweren und somit die Beurteilung erschweren oder gar unmöglich machen. Aus diesem Grund wurden neue Detektoren entwickelt, die ein größeres Volumen abbilden und gleichzeitig eine noch bessere Bildqualität leisten können. Die sogenannten Flat-Panel-Detektoren sind von mehreren Firmen auf den Markt gekommen. Die Firma Ziehm hat den C-Bogen RFD-3D mit einem Volumen von knapp 20 cm Kantenlänge, die Firma Siemens den C-Bogen CIOS Spin mit einem Flat-Panel und vergrößertem Abbildungsvolumen (16 cm Kantenlänge) und die Firma Medtronic den O-Arm, welcher ein geschlossenes System darstellt. Auf Grund der Erhöhung der Projektionen werden die Bildqualität und die Artefarkttoleranz verbessert, sowie die Darstellung von zylindrischen Volumen bis 40 x 19 cm ermöglicht.

Intraoperative
CT-Bildgebung

Die CT-Geräte für den intraoperativen Gebrauch sind durch ein geringeres Geräteausmaß und eine größere Gantry gekennzeichnet. Diese Geräte sind für den intraoperativen Gebrauch optimiert und ermöglichen eine Untersuchung eines gelagerten und steril abgedeckten Patienten (Abb. 9). Diese Technik ermöglicht beispielsweise mit dem Gerät Brainlab Airo die Darstellung von großen zylindrischen Volumen bis 100 x 51 cm und verzeichnet geringere Artefarktraten. Die intraoperative Darstellung hat nahezu diagnostische Qualität und sorgt dafür, dass das postoperative CT in der Regel obsolet ist [6, 7].

Der Ablauf bei der Anwendung eines CT-Scans ist dem einer 3D-Bildgebung identisch. Zunächst werden die Reposition und die Osteosynthese unter Fluoroskopie durchgeführt und sobald der Operateur mit dem Ergebnis zufrieden ist, wird ein CT zur Stellungskontrolle angefertigt. Im eigenen Vorgehen wird der Brainlab AIRO routinemäßig seit Januar 2018 bei komplexen Beckenoperationen eingesetzt. Bis Oktober 2019 wurden 60 Becken-Operationen mit intraoperativer CT-Bildgebung durchgeführt, in 7 Fällen offenbarte der Scan einen revisionsbedürftigen Befund. Dies entspricht einer Revisionsrate von 11,7 % (Abb. 10).

Navigation

Die Navigation ist eine Fortentwicklung aus der CT- und 3D-Bildgebung. Hierbei wird mittels Stereoinfrarotkameras und speziellen Markern an Instrumenten und anatomischen Referenzpunkten eine räumliche Beziehung zwischen anatomischen Strukturen und Instrumenten erstellt. Die Instrumente werden in den Bilddatensatz eingeblendet und entsprechend ihrer Lage ausgerichtet (Abb. 11). Verwendbar sind hierzu präoperative CT- oder intraoperative 3D- oder CT-Datensätze. Genauer sind intraoperative Datensätze, da sich durch die Lagerung oder Bewegung des Patienten die Anatomie verändert haben kann. Die Verwendung der Navigation eignet sich bei statischen Situationen wie der minimalinvasiven Instrumentierung des hinteren Beckenrings, der Schraubenosteosynthese des vorderen Beckenrings oder bei der nicht-dislozierten Acetabulumfraktur mit Beteiligung des anterioren oder posterioren Pfeilers [5].

Auch bei dysmorphen Konfigurationen wie beispielsweise am Sakrum kann eine navigationsgestützte Operation deutliche Vorteile bringen. Insbesondere bei der SI-Verschraubung herrscht ein schmaler, steiler Korridor zur Schraubenplatzierung [11]. Diese Operation ist ohne Navigation komplikationsbehaftet und nicht selten mit einer Nervenwurzelaffektion des Neuroforamens einhergehend [13].

Der Einsatz der Navigation erhöht die Sicherheit der Schraubenpositionierung am hinteren Beckenring [20].

Postoperative Kontrolle

Die postoperative Kontrolle soll der Dokumentation des Operationsergebnisses dienen, die Anforderungen an diese Aufnahmen sind eine möglichst hohe Qualität. Diese Qualität kann aus den oben genannten Gründen teilweise durch die Fluoroskopie nicht gewährleistet werden, sodass eine postoperative Röntgenkontrolle regelhaft erfolgt. Diese Verlaufskontrolle sollte nach der Mobilisierung veranlasst werden. Hierzu gehört die Standard-a.p.-Aufnahme und je nach Fragestellung die Inlet-/Outlet-, Ala-, oder Obturatoraufnahme. Ein Vorteil der postoperativen Bildgebung ist die Möglichkeit der Untersuchung unter Belastung zur Detektion von persistierenden Instabilitäten oder Osteosyntheseversagen (Abb. 12). Bei Acetabulumfrakturen und hinteren Beckenringfrakturen sollte eine post-operative CT-Diagnostik erfolgen, wenn keine intraoperative 3D-Bildgebung erfolgt ist.

Zusammenfassung

Die intraoperative Bildgebung ist unabdingbar für die Beurteilung der Reposition und Implantatlage. Hierzu existieren verschiedene Verfahren wie die Fluoroskopie mit den definierten Standardebenen sowie neuere Möglichkeiten mittels intraoperativer 3D- oder CT-Bildgebung. Bei anspruchsvoller Anatomie, wie beispielsweise am Acetabulum oder dem hinteren Beckenring, besteht die Möglichkeit einer navigierten Implantatpositionierung. Je nach Qualität und Beurteilbarkeit der intraoperativen Bildgebung ist eine postoperative CT-Kontrolle nicht notwendig.

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