Übersichtsarbeiten - OUP 03/2021

Bewegungstherapie
Evidenter Nutzen bei orthopädisch-rheumatologischen Erkrankungen

Hartmut Bork

Zusammenfassung:
Klinisch relevante, den Krankheitsverlauf und das Schmerzerleben positiv beeinflussende Effekte durch Bewegungstherapie konnten mittlerweile in vielen randomisierten und kontrollierten Studien bei verschiedenen orthopädischen und rheumatologischen Indikationen nachgewiesen werden. Mit ihrer vielfältigen funktionell-somatischen, aber auch psychosozialen Wirkung wird die Bewegungstherapie dazu eingesetzt, beeinträchtigte Körperfunktionen zu verbessern und geschädigte Strukturen zu regenerieren, Schmerzen zu lindern und damit die Lebensqualität von Patienten zu verbessern. Auch aufgrund eines günstigen Nutzen-Risiko-Profils werden bewegungstherapeutische Maßnahmen daher als Kernelement konservativer Behandlungsstrategien in vielen Leitlinien empfohlen und in der medizinischen Rehabilitation angewendet.

Schlüsselwörter:
Bewegungstherapie, Schmerztherapie, Rehabilitation, Orthopädie, Rheumatologie

Zitierweise:
Bork H: Bewegungstherapie. Evidenter Nutzen bei orthopädisch-rheumatologischen Erkrankungen.
OUP 2021; 10: 0108–0112
DOI 10.3238/oup.2021.0108–0112

Summary: Meanwhile clinical influence of exercise therapy on progression in different orthopedic und rheumatic diseases and experience of pain is proved in many randomized trials. Because of its physiological and psychosocial effects exercise therapy is used to improve body function and raise quality of life. Exercise therapy has a good risk-benefit ratio and therefore is highly recommended in many guidelines and common in rehabilitation programs.

Keywords: Exercise therapy, pain management, rehabilitation, orthopedic-rheumatic diseases

Citation: Bork H: Exercise. Evidence therapy in orthopedic-rheumatic diseases.
OUP 2021; 10: 0108–0112. DOI 10.3238/oup.2021.0108–0112

Reha-Zentrum am St. Josef-Stift, Sendenhorst

Einleitung

Bewegungstherapeutische Elemente haben sich seit vielen Jahren in der Therapie verschiedener Erkrankungen als Basis konservativer Behandlungsstrategien zur Funktionsverbesserung und auch zur Reduktion von Schmerzen etabliert und werden daher mittlerweile in vielen Leitlinien als wichtige Behandlungsmaßnahme empfohlen [2–6]. Neben einem günstigen Nutzen-Risiko-Profil konnten in mehreren randomisierten, kontrollierten Studien/Metaanalysen klinisch relevante Effekte bei diversen orthopädisch-rheumatologischen Indikationen nachgewiesen werden [14, 17, 18, 24, 25, 31, 33]. Mit ihrer vielfältigen funktionell somatischen und psychosozialen Wirkung wird die Bewegungstherapie unter anderem dazu eingesetzt, beeinträchtigte Körperfunktionen zu verbessern und geschädigte Strukturen am Haltungs- und Bewegungsapparat zu regenerieren.

Um gerade bei chronischen Erkrankungen Übungsinhalte sicher zu vermitteln und für weitere selbständig durchzuführende Maßnahmen eine hohe Compliance zu erzielen und somit eine nachhaltige Gesundheitskompetenz durch Bindung an regelmäßige körperliche Aktivität bei Patienten aufzubauen, sollte die Einführung in das Training durch erfahrene Therapeuten begleitet werden [7, 19]. Das gilt sowohl im ambulanten als auch im stationären Setting.

Allgemeine Aspekte

Bewegungstherapie wird von verschiedenen therapeutischen Berufsgruppen wie Krankengymnasten/Physiotherapeuten, Ergo- und Sporttherapeuten eingesetzt und umfasst, je nach angestrebtem Behandlungsziel, eine Vielzahl unterschiedlicher therapeutischer Methoden und Übungsformen wie klassische Krankengymnastik/Physiotherapie, Krankengymnastik am Gerät/medizinische Trainingstherapie, Aquatraining, Sporttherapie in Form eines Kraft-, Ausdauer-, und Beweglichkeitstrainings bis hin zu differenzierten arbeitsplatzbezogenen Trainingsprogrammen und der Rekreationstherapie [14].

Zielsetzungen können u.a. sein:

Verbesserung beeinträchtigter Gelenkfunktionen

Steigerung koordinativer und konditioneller Fähigkeiten wie Ausdauer und Kraft

Schulung der Körperwahrnehmung und sichere Selbsteinschätzung der Belastbarkeit

Vermittlung von Wissen über Effekte spezieller Bewegungsprogramme auf die Erkrankung

Vermittlung von spezifischen Bewegungsübungen

Vermittlung von Kenntnissen zur Trainings- und Belastungssteuerung und zu Dosis-Wirkungsprinzipien

Steigerung der Motivation zu dauerhafter körperlicher Aktivität.

Bei der Auswahl und Trainingsintensität der einzelnen Therapieverfahren/Übungsformen sollten nachfolgende Faktoren immer berücksichtigt werden:

Ursache, Schweregrad und Symptomatik der Erkrankung

Alter und Aktivitätsgrad des Patienten

Begleiterkrankungen und Allgemeinzustand

Lebensqualität, berufliche Situation und Erwartungshaltung des Patienten.

Systematische Untersuchungen und Aussagen zur Dosierung, Dauer, Intensität und Trainingsform bei verschiedenen Indikationen und Erkrankungsbildern gab es in der Vergangenheit allerdings nur wenige. Unabhängig davon stellen eine selbst gewählte moderat-intensive Belastungsintensität und langsame Belastungssteigerung, verbunden mit einer schmerzfreien Bewegungsausführung die wichtigsten Trainingsprinzipien dar [34]. Häufigere kürzere Trainingseinheiten (z.B. dreimal pro Woche 20–30 Minuten) scheinen gerade für ältere Patienten sinnvoller zu sein als längere wenige Einheiten und werden auch von der WHO empfohlen [21]. Das Training sollte immer in der Dosierung den körperlichen und funktionellen Voraussetzungen des Patienten angepasst sein. Einzelne Therapiearten weisen laut derzeitiger Studienlage gegenüber anderen keine Überlegenheit auf, so dass die Therapien anhand individueller Präferenzen zusammen mit den Therapeuten ausgewählt werden sollten. Sport und Bewegung sollten immer Spaß machen, damit diese auch langfristig durchgeführt werden. Dies gilt sowohl für die Auswahl, aber auch das einzelne Setting.

Degenerative
Gelenkerkrankungen

Die Bewegungstherapie stellt in der Behandlung degenerativer, aber auch entzündlicher Gelenkerkrankungen einen wichtigen Bestandteil konservativer Behandlungsmaßnahmen dar. Gerade bei der Hüft- und Kniegelenksarthrose, kommt es im Krankheitsverlauf häufig zu einer Abnahme der Gelenkfunktion und der allgemeinen körperlichen Fitness, was für die Bewältigung von Alltagsaktivitäten und die Selbständigkeit gerade bei älteren Menschen eine grundlegende Bedeutung hat. Bewegungstherapien beugen hier nicht nur einem Funktionsverlust vor, sondern fördern auch die soziale Teilhabe. Sie erhalten die Lebensqualität der Betroffenen und können den Zeitpunkt für einen operativen Gelenkersatz hinauszögern.

Obwohl körperliches Training nach jetzigem Wissensstand zwar keinen direkten Einfluss auf die pathophysiologischen Veränderungen der Arthrose hat und eine weitere Schädigung des hyalinen Knorpels nicht aufhalten kann, hat Bewegung einen nachweisbaren positiven Einfluss auf die Schmerzsymptomatik, Gelenkbeweglichkeit, Kraft und Gleichgewichtsfähigkeit mitsamt der von Patienten hierdurch selbst wahrgenommenen Behinderung durch die Arthrose [9]. So konnten signifikante Verbesserungen bei den Alltags- und Gelenkfunktionen, beim Aufstehen und Gehen, aber auch in der Gang-symmetrie und der Gehdistanz sowie bei der maximalen Sauerstoffaufnahme, der Muskelkraft und bei der Linderung von Schmerzen nachgewiesen werden [19]. Selbst bei Training der oberen Extremitäten, beispielsweise am Handkurbelergometer, das probaterweise in der Geriatrie oftmals zum Einsatz kommt, waren diese Effekte verifizierbar [23]. Daneben können auch Low Impact-Sportarten Schmerzen bei beginnender Arthrose reduzieren, Beweglichkeit und Kraft der gelenkstabilisierenden Muskulatur verbessern und den Gelenkstoffwechsel ökonomisieren.

Entzündlich rheumatische Erkrankungen

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