Übersichtsarbeiten - OUP 05/2015

Bildgebende Diagnostik der Arthrose im klinischen Alltag

Ein weiteres typisches Arthrosezeichen ist auch die Verschmälerung des Gelenkspalts als indirektes Zeichen einer Verringerung der Knorpelhöhe. Im deutschen Sprachraum ist die Einbein-standaufnahme bei gestrecktem Kniegelenk, die sog. Flamingoaufnahme, weit verbreitet. In anderen Ländern (Frankreich, USA, Kanada) wird dagegen vornehmlich eine Belastungsaufnahme bei 45° gebeugtem Kniegelenk als sog. Rosenbergaufnahme oder Schussview durchgeführt.

Hierbei wird die Röntgenröhre um ca. 10° geneigt, um die Orientierung des Tibiaplateaus zu berücksichtigen und so den Gelenkspalt frei zu projizieren. Die normale Gelenkspaltweite am Kniegelenk beträgt medial etwa 4 und lateral etwa 5 mm. Bei einer Gelenkspaltverschmälerung auf 2 mm oder weniger muss von einem fortgeschrittenen, großflächigen Knorpelschaden in dem betroffenen Kompartiment im Sinne
einer beginnenden oder manifesten Arthrose ausgegangen werden. Der Vergleich zwischen der Einbeinstandaufnahme bei gestrecktem Knie und der
Belastungsaufnahme in Beugung ergab in der Rosenbergaufnahme eine höhere Empfindlichkeit für das Erkennen von Knorpelschäden [8].

Zusammenfassend lassen sich mit dem Röntgen vor allem die für eine Arthrose typischen sekundären Knochenveränderungen besonders gut beurteilen. Über die Situation am Gelenkknorpel lässt sich nur indirekt etwas aussagen. Gerade hierfür erhofft man sich vom MRT einen großen diagnostischen Nutzen.

Kernspintomografische
Diagnostik

In Anbetracht eines vielfältigen und
zunehmenden Spektrums unterschiedlicher konservativer und operativer Behandlungsmöglichkeiten von Knorpelschäden sowie evtl. Begleitpathologien [9] steigen die Anforderungen an eine suffiziente Knorpeldiagnostik. Hinsichtlich klinischer und tierexperimenteller Studien, wonach die frühzeitige operative Sanierung von Knorpelschäden einer verzögerten operativen oder konservativen Therapie überlegen ist, ist die nicht-invasive Knorpeldiagnostik im klinischen Alltag möglicherweise von
einer bislang unterschätzten Bedeutung [10–12]. Bei der kernspintomografischen Knorpelbeurteilung brauchen wir daher ein möglichst exaktes Grading der Schäden.

Die bekannteste und am meisten verwendete Methode zur makroskopischen Beurteilung von Gelenkknorpelschäden ist die Klassifikation nach Outerbridge [13]. Daher wird auch bei der MRT-Diagnostik zumeist ein Grading verwendet, das auf der Outerbridge Klassifikation basiert (Abb. 2 und 3) [14–17]. Hierbei zeichnet sich der der gesunde Knorpel (Grad 0) in der MRT durch eine homogene intrinsische Signalgebung und eine intakte Oberfläche aus. Eine Grad-I-Läsion ist durch eine fokale Veränderung der Signalintensität bei intakter Knorpeloberfläche definiert und entspricht dem arthroskopischen Befund einer Knorpelerweichung. Eine Grad-II-Läsion stellt sich kernspintomografisch mit einer oberflächigen, weniger als 50 % der Knorpeldicke betreffende Auffaserung, Rissbildung oder Erosion dar. Grad-III-Läsionen stellen sich in der MRT als Defekte mit einer Ausdünnung um mehr als 50 % der Knorpeldicke dar. Sie können mit oder ohne eine umschriebene Ulzeration des Knochens auftreten. Grad-IV-Läsionen zeichnen sich durch einen flächigen, bis auf den Knochen reichenden Knorpeldefekt aus und entsprechen dem arthroskopischen Befund einer Knochenglatze. Eine
solche Gradeinteilung von Knorpelschäden ist zur Abschätzung des Schwergrads und zur Planung weiterer Therapiewege von praktischem Nutzen.

In vielen Studien zur kernspintomografischen Knorpeldiagnostik wurde der diagnostische Nutzen der MRT ermittelt, indem verschiedene Grade von Knorpelschäden zu einem positiven (z.B. Grad II bis IV) und einem negativen Befund (z.B. Grad 0 und I) zusammengefasst wurden [14, 18–23]. Diese Vereinfachung entspricht sicherlich nicht den Anforderungen des behandelnden Arztes, der bei der Beurteilung zumeist ein möglichst exaktes Grading der Knorpelschäden benötigt. Viele Studien, die das MRT-Grading mit den intraoperativen Knorpelbefunden korrelieren, benutzten recht unterschiedliche statistische Methoden zur Ergebnisauswertung und zeigen auch nicht minder unterschiedliche Ergebnisse [24–29]. So zeigen Blackburn et al. mit der Berechnung des Korrelationskoeffizienten nach Person eine „moderate“ Korrelation (r = 0,4) zwischen dem MRT- und Arthroskopie (ASK) -Grading [25]. Hingegen zeigen 2 weitere Studien unter Verwendung des Spearman-Rank-Tests eine „hochsignifikante“ Korrelation (P > 0,0003 und P > 0,0001) beim Knorpelgrading [26, 28]. Bei der Ermittlung der Intra- und Inter-Observer-Übereinstimmung rangieren die ermittelten Kappa (?) -Werte von einer „geringen“ (? < 0,4) bis hin zu
einer „sehr guten“ (? > 0,8) Übereinstimmung [25, 27, 29]. Ähnlich hierzu
zeigen klinische Studien und Kadaveruntersuchungen, die sich mit den diagnostischen Werten, also Sensitivitäten, Spezifitäten und Vorhersagewerten beschäftigen, eine große Streuweite. Hierbei rangieren bspw. die Sensitivitäten für höhergradige Schäden zwischen 31 und 100 % [24, 28].

Neben recht unterschiedlichen statistischen Methoden zur Ergebnisauswertung verwendeten die vorangenannten Studien auch sehr unterschiedliche MRT-Techniken. Dies ist hinsichtlich der Literaturempfehlungen, in der unterschiedliche Sequenzprotokolle favorisiert werden, nicht weiter erstaunlich [30, 31–34]. Eine Besonderheit sind die sog. knorpelspezifische Sequenzen, wie z.B. 3D-Spoiled-Gradient-Recalled-Echo (SPGR)-Sequenzen. Diese bieten eine hohe räumliche Auflösung, weshalb sie insbesondere zur Volumenabschätzung im Sinne einer quantitativen Knorpelbeurteilung v.a. im Rahmen von Längsschnittuntersuchungen empfohlen werden. Erhebliche Nachteile dieser Sequenzen sind eine reduzierte Visualisierung der Menisken sowie der knöchernen und ligamentären Strukturen, sodass sie im klinischen Alltag kaum zur Anwendung geeignet sind [35]. Hingegen wurden in den letzten Jahren bei der Diagnostik des Knorpels, aber auch der weiteren Gelenkstrukturen recht überzeugende Ergebnisse mit T2-, intermediär- und Protonendichte (PD)-gewichteten schnellen SE-Sequenzen gesammelt [23, 32, 33, 34, 36, 37].

Eine weitere Perspektive zur Verbesserung der MRT-Bildgebung des Gelenkknorpels könnten höhere Feldstärken bieten. So zeichnet sich die 3T-MRT gegenüber niedrigeren Feldstärken durch eine höhere Signalausbeute aus, weshalb sie als logische und vielversprechende Weiterentwicklung angesehen wird [38]. So wurden in Studien mit gesunden Probanden sowohl für quantitative Parameter wie die Dicken- und Volumenmessung des Gelenkknorpels als auch für qualitative Parameter, wie das Signal-Rausch- und Kontrast-Rausch-Verhältnis, gute Ergebnisse am 3T-MRT nachgewiesen [39, 40]. Vergleichende experimentelle Untersuchungen an einer 1,5- und 3T-MRT an Schaf- und an Schweinekniegelenken zeigten am 3T-MRT bei sämtlichen MRT-Sequenzen höhere Detektionsraten für die Diagnostik iatrogener Knorpelschäden [41, 42]. Klinische Studien zur 3-Tesla-MRT zeigen für die Diagnostik unterschiedlicher Schweregrade von Knorpelschäden vergleichsweise gute diagnostische Werte mit Sensitivitäten von bis zu 91 % [36, 43–46]. Wong et al. konnten zudem zeigen, dass die 3-Tesla-MRT eine höhere diagnostische Werte aufwies als eine entsprechende Untersuchung bei Feldstärken von 1,5 Tesla [46].

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