Übersichtsarbeiten - OUP 03/2022

Chirurgische Therapie osteoporotischer Frakturen

Pascal Martin, Evi Fleischhacker, Stefan Mehaffey, Benjamin Bücking, Ulrich Liener, Carl Neuerburg

Zusammenfassung:
Aufgrund unserer immer älter werdenden Bevölkerung wird auch die Zahl an Osteoporose-assoziierten Frakturen zunehmen. Die durch eine Osteoporose reduzierte Knochenqualität impliziert einerseits ein erhöhtes Frakturrisiko, kann andererseits jedoch auch mit einer verzögerten Frakturheilung einhergehen. Zu den häufigsten Frakturentitäten gehören die proximale Femurfraktur, proximale Humerusfraktur sowie Wirbelkörperfrakturen. Die Therapieansätze bei osteoporotischen Frakturen reichen von einem konservativen Vorgehen über diverse rekonstruktive Verfahren bis hin zum endoprothetischen Gelenkersatz. Durch eine Augmentation mit Knochenzement kann eine erhöhte Stabilität im osteoporotischen Knochen erreicht werden. Neben der Akutversorgung hat auch die sekundäre Frakturprävention mittels Einleitung einer spezifischen Osteoporosetherapie einen hohen Stellenwert in der Behandlung alterstraumatologischer Patienten. Weiterhin ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit unumgänglich, um eine rasche vollbelastende Mobilisation der Patienten zu erreichen.

Schlüsselwörter:
Alterstraumatologie, Osteoporose, Fraktur, Osteosynthese, Augmentation

Zitierweise:
Martin P, Fleischhacker E, Mehaffey S, Bücking B, Liener U, Neuerburg C: Chirurgische Therapie
osteoporotischer Frakturen.
OUP 2022; 11: 0111–0115
DOI 10.53180/oup.2022.0111-0115

Summary: Due to our aging population, the number of fractures associated with osteoporosis will increase. On the one hand, the reduced bone quality caused by osteoporosis implies an increased fracture risk but can also be associated with delayed fracture healing. The most common fracture entities include the proximal femur fracture, proximal humerus fracture, and vertebral body fractures. The therapeutic approaches for osteoporotic fractures range from conservative approaches to various reconstructive procedures to endoprosthetic joint replacement. Increased stability in the osteoporotic bone can be achieved by augmentation with bone cement. In addition to acute care, secondary fracture prevention through the initiation of a specific osteoporosis therapy also has a high priority in the treatment of geriatric trauma patients. Furthermore, interdisciplinary cooperation is essential to achieve a rapid full weight bearing mobilization of the patients.

Keywords: ortho-geriatrics, osteoporosis, fracture, osteosynthesis, augmentation

Citation: Martin P, Fleischhacker E, Mehaffey S, Bücking B, Liener U, Neuerburg C: Surgical treatment of
osteoporotic fractures. OUP 2022; 11: 0111–0115. DOI 10.53180/oup.2022.0111-0115

P. Martin, E. Fleischhacker, S. Mehaffey, C. Neuerburg: Muskuloskelettales Universitätszentrum München, Klinikum der Universität München, LMU München

B. Bücking: Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Hochsauerland GmbH, Arnsberg

U. Liener: Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie; Marienhospital Stuttgart

Besonderheiten des alterstraumatologischen Patienten

Der demografische Wandel unserer immer älter werdenden Bevölkerung wird von großen Herausforderungen für die Gesundheit und die Gesundheitssysteme begleitet. Eine dieser Herausforderungen stellt die wachsende Zahl an Osteoporose-assoziierten Frakturen bei älteren Patienten und deren erfolgreiche unfallchirurgische Behandlung dar. Mit ca. 8 Mio. Osteoporose-Patienten in Deutschland und ca. 27,5 Mio. europaweit erleiden jährlich ca. 3,5 Mio. Menschen in Europa Frakturen, die auf eine Osteoporose zurückzuführen sind [1, 2]. Im klinischen Alltag zeigt sich, dass etwa zwei Drittel der unfallchirurgischen Patienten über 75 Jahre an einer Osteoporose leiden, darunter v.a. Frauen [1]. Bei älteren Patienten gehen häufig bereits niedrigtraumatische Stürze mit erheblichen Verletzungsfolgen einher. Statistisch gesehen stürzt etwa ein Drittel aller Menschen im Alter > 70 Jahre mindestens einmal pro Jahr, wobei 10—20 % der Stürze zu ernsthaften Verletzungen führen [3]. Die durch eine Osteoporose signifikant reduzierte Knochenqualität impliziert dabei nicht nur ein erhöhtes Frakturrisiko, sondern kann auch mit einer verzögerten Frakturheilung einhergehen. Hüft- und Wirbelkörperfrakturen, gefolgt von Frakturen des Schulter- und Handgelenkes stellen hierbei die mitunter häufigsten Verletzungen dar [4]. Insbesondere die häufig mit einer Osteoporose assoziierten Hüftfrakturen werden unter Berücksichtigung aktueller epidemiologischer Untersuchungen zunehmen.

Niedrig energetische Frakturen bzw. Insuffizienzfrakturen bei älteren Patienten können oft nur schwer oder überhaupt nicht im konventionellen Röntgen diagnostiziert werden. Deshalb sollte bei alterstraumatologischen Patienten zur sicheren Beurteilung einer fraglichen Fraktur frühzeitig eine Schnittbildgebung mittels CT oder MRT erwogen werden. In Fällen, in denen radiologische Schnittbildverfahren keine ausreichenden Informationen über die Stabilität einer bestimmten Region des Skeletts wie bspw. der Wirbelsäule liefern, können Funktionsanalysen weitere Informationen geben. Auch können bspw. Belastungsaufnahmen im Stehen wichtige Informationen über die Stabilität von Frakturen im Bereich der Wirbelsäule und Extremitäten liefern.

In der operativen und weiteren Therapiefindung nimmt die Gebrechlichkeit (Frailty) gemäß der Definition von Linda Fried et al. einen wichtigen Stellenwert ein. Gebrechlichkeit wird hierbei als Symptomkomplex mit mindestens 3 der folgenden Kriterien definiert: unbeabsichtigter Gewichtsverlust, zunehmende Erschöpfung, Einschränkung der maximalen Handkraft, reduzierte Ganggeschwindigkeit und eingeschränkte körperliche Aktivität [5]. Die körperliche Aktivität älterer Patienten wird dabei oftmals von einer Sarkopenie (Muskelschwund) beeinträchtigt. Zwischen 5 und 13 % der über 60-Jährigen leiden an einer Sarkopenie, bei über 80-Jährigen steigt die Prävalenz auf bis zu 50 % [6]. Dies erschwert zusätzlich die Rehabilitation alterstraumatologischer Patienten. Eine posttraumatische Immobilisierung muss zwingend vermieden werden, um einen weiteren Verlust von Muskelmasse sowie mit Immobilisierung assoziierte Komplikationen wie Infektionen, Delir oder Thrombosen zu vermeiden. Daten aus der Literatur bestätigen, dass ältere Hüftfraktur-Patienten, die erst verzögert nach zweiwöchiger Immobilisation im Bett mobilisiert wurden, nach 6 Monaten eine signifikant höhere Mortalität gegenüber unmittelbar postoperativ mobilisierten Patienten aufweisen [7]. Älteren Patienten ist es oftmals nicht möglich, eine postoperative Teilbelastung einzuhalten. Die Anordnung einer solchen führt letztendlich zu einer unnötigen Verzögerung der Mobilisation [8]. Trotz der durch Osteoporose reduzierten Knochenqualität, welche oftmals eine chirurgische Herausforderung darstellt, ist eine belastungsstabile Frakturversorgung gerade bei diesen älteren unfallchirurgischen Patienten von übergeordneter Bedeutung, um eine rasche vollbelastende Mobilisation zu erreichen.

Implantate und
Augmentationstechniken

Prinzipiell muss in der chirurgischen Therapie osteoporotischer Frakturen zwischen rekonstruktiven Osteosynthesen und einer endoprothetischen Versorgung mit den jeweiligen Risiken abgewogen werden. Im Falle einer rekonstruktiven Osteosynthese wird eine offene oder geschlossene anatomische Reposition der Fraktur durchgeführt, sofern möglich unter Anwendung eines minimal-invasiven Verfahrens. Insbesondere bei intraartikulären Frakturen ist das Ziel, eine anatomisch exakte und stufenfreie Wiederherstellung des Gelenkes zu erreichen, um eine sekundäre Arthrose zu vermeiden. Bei den Implantaten wird zwischen extramedullären und intramedullären Osteosynthesen unterschieden. Bei den extramedullären Verfahren kommen insbesondere Plattenosteosynthesen zum Einsatz. Dabei gibt es inzwischen eine Vielzahl an Frakturform und Körperregion angepasster Platten.

Bei der winkelstabilen Plattenosteosynthese, welche sich erst zu Beginn dieses Jahrtausends durchgesetzt hat, werden die Schrauben durch das Gewinde im Schraubenkopf an der Platte winkelstabil fixiert. Bei axialer Belastung fungiert die Platte somit als ein die frakturüberbrückender Kraftträger. Ziel ist die Ermöglichung der Knochenheilung, die eine geringfügige interfragmentäre Bewegung in der Frakturzone erlaubt, um eine mechanische Stimulation der Knochenheilung zu liefern. Es kommt zu einer sekundären Frakturheilung durch Kallusbildung [9]. Zunehmend werden auch polyaxial winkelstabile Platten verwendet. Hier lassen sich die Schrauben um ihre senkrechte Hauptachse schwenken und in weiteren Positionen verblocken.

Bei der Marknagelosteosynthese, auch als intramedulläre Schienung bezeichnet, werden lange Nägel minimalinvasiv in die Markhöhle des Knochens eingebracht und führen so zu einer Stabilisierung der Fraktur. Dieses Verfahren kommt vor allem bei langen Röhrenknochen (Humerus und Femur) zum Einsatz.

Endoprothesen sind Implantate, die dauerhaft ein Gelenk ersetzen. Die Indikation wird insbesondere bei älteren Patienten mit mehrfragmentären, intraartikulären Frakturen gestellt, bei denen durch ein osteosynthetisches Verfahren keine ausreichende Rekonstruktion erreicht werden kann. Endoprothesen haben jedoch nur eine begrenzte Lebensdauer, bei Hüftgelenksendoprothesen liegt diese unter normalen Bedingungen zwischen 15 und 20 Jahren, wobei die Standzeiten aufgrund optimierter Implantatdesigns und Verankerungstechniken zunehmend länger werden. Komplikationen wie eine Prothesenlockerung und ein Prothesenabrieb können im Verlauf zu einem Revisionseingriff führen.

Neben der Einführung winkelstabiler Plattenosteosynthesen adressiert die Augmentation der Implantate mit verschiedenen Biomaterialien das Problem eines Mangels trabekulärer Knochenstruktur. Augmentation versteht man a.e. als Vergrößerung der Kontaktfläche von Implantat und Knochen. Die Anwendung von Zement als Knochenersatzmaterial kann auch als die Vermehrung der knöchernen, bzw. knochenähnlichen Substanz bezeichnet werden. Ziel der Implantatlager-Augmentation ist die Vermeidung von Repositionsverlust, „cut-out“ von Osteosynthesematerial und anderweitiger Implantatdislokationen. Aktuelle Anwendungsgebiete der Zementaugmentation sind insbesondere metaphysäre Frakturen (vornehmlich proximale Humerus- und Femurfrakturen), Vertebro- und Kyphoplastien und die Augmentation von Pedikelschrauben im Rahmen dorsaler Stabilisierungen an der Wirbelsäule. Je nach Anwendungsgebiet sind verschiedene Knochenzemente am Markt verfügbar. Die Liste geeigneter Stoffe erstreckt sich von Calcium-Derivaten über bioaktive Polymere bis hin zum weit verbreiteten Polymethylmethacrylat (PMMA). Aufgrund der durch eine Augmentation verbesserten Stabilität treten o.g. osteosynthese-spezifische Komplikationen seltener auf und sichern eine frühestmögliche vollbelastende Mobilisation ab. Die Entscheidung für oder gegen eine Augmentation bleibt jedoch immer eine Individualentscheidung unter Berücksichtigung der Grunderkrankungen und intraoperativen Knochenqualität. Mögliche Komplikationen wie eine Leckage des Zements gilt es, dringend zu vermeiden. Durch die Verwendung wasserlöslicher Kontrastmittel unter Durchleuchtung vor Injektion des Augments lässt sich ein Zementmittelaustritt in Gelenke oder den Spinalkanal antizipieren.

Häufige osteoporotische Frakturentitäten

Proximale Femurfraktur

Pertrochantäre Femurfrakturen und Schenkelhalsfrakturen sind die häufigsten Frakturen am proximalen Femur und treten überwiegend bei älteren Patienten mit osteoporotischem Knochen auf. Mit einer Ein-Jahres-Mortalität von bis zu 30 % sind proximale Femurfrakturen zudem eine häufige Todesursache im Alter [10]. Aufgrund der besonderen Bedeutung der interdisziplinären Versorgung bei Hüftfrakturpatienten hat der Gemeinsame Bundesausschuss im November 2019 eigens eine Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung zur Versorgung von Patienten mit einer hüftgelenknahen Femurfraktur beschlossen, welche seit dem 01.01.2021 verbindlich ist. Mit Standards zu Struktur, Personal und Verfahrensabläufen soll vor allem sichergestellt werden, dass die betroffenen Patientinnen und Patienten in der Regel innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme operiert werden können, sofern ihr Allgemeinzustand dies zulässt. Pertrochantäre Femurfrakturen werden in der Regel osteosynthetisch versorgt. Die intramedulläre Versorgung mit einer Marknagelosteosynthese ist hierbei die häufigste operative Methode. Die biomechanischen Vorteile einer Marknagelversorgung können gerade bei reduzierter Knochenqualität auch durch die Möglichkeit der Zementaugmentation der Klinge im Kopfhalsfragment weiter unterstützt werden (Abb. 1) [11]. Schenkelhalsfrakturen werden bei älteren Patienten zunehmend primär endoprothetisch versorgt aufgrund des ca. 20 %igen Risikos einer sekundären Komplikation, welches bei einer primär endoprothetischen Versorgung deutlich geringer ist. Dies ist oftmals durch das Risiko einer sekundären Frakturdislokation, Hüftkopfnekrose oder Infektion begründet, weshalb es gerade bei älteren Patienten das übergeordnete Ziel ist, mit einer „single-shot-surgery“ einer unmittelbaren vollbelastenden Mobilisierung gerecht zu werden [12]. Man unterscheidet zwischen der hemiprothetischen Versorgung mittels Duokopfprothese, bei der lediglich der Hüftkopf durch eine Prothesenkomponente ersetzt wird und der totalendoprothetischen (TEP) Versorgung. Während die Hemiprothese den Vorteil einer kürzeren OP-Dauer mit geringerem OP-Trauma hat, weist die Totalendoprothese bessere Langzeitergebnisse auf [13]. Auch hier kann eine Zementaugmentation zur Anwendung kommen. Bedacht werden muss jedoch, dass bei Revisionseingriffen eine Zementaugmentation für den Operateur ein größeres Hindernis im Rahmen der Implantatentfernung darstellen kann (Abb. 1) [14].

Proximale Humerusfraktur

Proximale Humerusfrakturen stellen im Alter eine klassische Indikatorfraktur einer zugrundeliegenden Osteoporose dar. Je nach Ausmaß der Dislokation können solche Verletzungen konservativ mit frühfunktioneller Beübung, mittels offener Reposition und interner Fixierung mit Marknägeln oder winkelstabilen Plattensystemen oder gar gelenkersetzend behandelt werden [15]. Das durch ein konservatives Verfahren höheres Maß an Dislokation und Fehlstellung ist bei schwer vorerkrankten und kognitiv stark eingeschränkten Patienten tolerabel. Zwar kann dies nach der Heilung ggf. in einer eingeschränkten Funktion der Schulter resultieren, erspart den Patienten aber einen Krankenhausaufenthalt und eine Operation. Bei der Rekonstruktion und winkelstabilen Plattenosteosynthese stehen heute außerdem zusätzliche Systeme zur Verfügung, die über perforierte Schrauben eine Zementaugmentation ermöglichen und so auch im osteoporotischen Knochen einen größeren Halt bieten, das Risiko der sekundären Dislokation minimieren und eine sichere Verankerung gewährleisten [16]. Auch muss die Abhängigkeit der Patienten von Hilfsmitteln wie Rollatoren zur Mobilisation individuell bedacht werden, weshalb die Funktionalität der oberen Extremität oftmals tatsächlich bedeutender ist als angenommen. Bei höhergradiger Beteiligung der Gelenkfläche ist die primäre Implantation eines Gelenkersatzes einer Rekonstruktion vorzuziehen (Abb. 2) [17]. Unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Literatur zeigt sich, dass der primäre Gelenkersatz nach einer Fraktur dem sekundären Gelenkersatz überlegen ist, was wiederum im Sinne der „single-shot-surgery“ insbesondere bei älteren Patienten bedeutsam ist [18].

Wirbelkörperfraktur

Wirbelkörperfrakturen gehören neben den proximalen Femur- und Humerusfrakturen zu den häufigsten Frakturentitäten des älteren Menschen. Der durch eine Osteoporose bedingte Verlust der Trabekelstruktur führt zu einem sukzessiven Einbrechen des Knochens. Durch den schleichenden Prozess des Einbruchs sind solche Frakturen nur in seltenen Fällen mit neurologischen Ausfällen assoziiert. Im Röntgenbild zeigt sich eine solche Fraktur je nach Ausprägung als Keil-, Fisch- oder Plattwirbel. In der Praxis hat sich für osteoporotische Wirbelkörperfrakturen inzwischen eine eigene Frakturklassifikation etabliert. Aus der sog. OF-Klassifikation (osteoporotische Frakturen Klassifikation) lässt sich zudem auch eine therapeutische Konsequenz ableiten [19]. Bei der operativen Therapie kommen dabei häufig Augmentationstechniken mit PMMA-Zementen sowie minimalinvasive Therapieoptionen zur Anwendung. Die Versorgung instabiler Wirbelkörperfrakturen erfolgt meist durch eine dorsale Stabilisierung. Gerade bei osteoporotischem Knochen kann es jedoch zur einer Schraubenlockerung kommen, welche durch eine Zementaugmentation erfolgreich reduziert werden kann (Abb. 3) [20]. Bei der Vertebroplastie werden PMMA-Zemente perkutan in die geschädigten Wirbelkörper eingebracht. Eine zu vermeidende Komplikation der Vertebroplastie ist jedoch der Zementaustritt. Tritt dieser in den Spinalkanal aus, kann dies neurologische Schäden nach sich ziehen und schlimmstenfalls zu einer Paraplegie führen. Auch Zementembolien durch einen intravasalen Zementaustritt können begünstigt werden, bleiben jedoch im überwiegenden Teil der Fälle asymptomatisch [21]. Die Kyphoplastie stellt eine Weiterentwicklung der Vertebroplastie dar. Unter Verwendung eines Ballons werden frische Frakturen zunächst wieder aufgerichtet. Ein Zementaustritt kann durch die Schaffung eines Augmentationshohlraumes durch den Ballon reduziert werden. Durch größere Durchmesser der Nadeln sowie niedrige Applikationsdrücke wird das Risiko eines Zementaustritts weiter vermindert (Abb. 3).

Distale Radiusfraktur

Bei der distalen Radiusfraktur weist die verzögerte operative Versorgung auf dem Boden einer sekundären Frakturdislokation nach zunächst eingeleiteter konservativer Therapie schlechtere Ergebnisse auf [22]. Bei älteren Patienten kommt es daher zunehmend zu einem Paradigmenwechsel hin zur vermehrten operativen Versorgung der distalen Radiusfraktur mit einer palmaren Plattenosteosynthese. Dies ist in einer früher freifunktionellen Behandlung und der Möglichkeit der unmittelbaren Belastung für die Aktivitäten des täglichen Lebens begründet. Die häufig noch akzeptierte, unmittelbar postoperative Immobilisation des Handgelenkes mit einer starren Handgelenkorthese geht in der frühen postoperativen Phase mit einer deutlichen Funktionseinschränkung einher und es besteht gerade bei osteoporotischen Frakturen das Risiko einer sekundären Frakturdislokation, daher sollte die Ruhigstellung in einem Gips oder Cast individuell kritisch hinterfragt werden [23].

Beckeninsuffizienzfraktur

Beckeninsuffizienzfrakturen stellen eine weitere typische Frakturentität bei alten und hochbetagten Patienten dar und weisen insbesondere seit der 2013 etablierten FFP-Klassifikation nach Rommens und Hofmann et al. sowie aufgrund der demografischen Entwicklung unserer alternden Gesellschaft eine zunehmende Bedeutung auf. FFP I- und II-Frakturen führen konservativ behandelt meist zu guten funktionellen Ergebnissen. FFP III- und IV-Frakturen sollten hingegen operativ versorgt werden. Dabei kommen je nach Instabilität der Fraktur und Allgemeinzustand des Patienten Schrauben- und Plattenosteosynthesen (SI-Verschraubung und Symphysenplatten) oder Schrauben-Stab-Systeme (Fixateur externe oder interne) zur Anwendung [24].

Sekundäre Frakturprävention

und Chancen eines
interdisziplinären
Behandlungskonzepts

Neben der Akutversorgung hat auch die Sekundärprävention einen entscheidenden Stellenwert in der Behandlung osteoporotischer Frakturen bei alterstraumatologischen Patienten mit dem Ziel, Folgefrakturen und Komplikationen zu minimieren. Das Vorliegen einer Fragilitätsfraktur ist der größte Risikofaktor für weitere Frakturen mit wiederum hohen Morbiditäts- und Mortalitätsraten [25]. Die Abklärung und ggf. Einleitung einer Osteoporose-Therapie hat daher im klinischen Alltag einen hohen Stellenwert. In der Regel sollte eine Osteoporose-Basistherapie nach Durchführung eines spezifischen Labors bereits während des stationären Aufenthaltes begonnen werden. Daten zeigen, dass bei ausreichend hohem Vitamin D-Spiegel eine signifikant bessere Frakturheilung und eine signifikante Reduktion weiterer Frakturen erreicht werden kann [26]. Ebenso ist eine kalziumreiche Ernährung z.B. durch milchhaltige Produkte sicherzustellen. Gemäß der aktuellen Leitlinie schließt sich in der Diagnostik der Osteoporose eine Knochendichtemessung mittels Dual Energy X-ray Absorptiometry (DXA) an. Bestenfalls kann bei Bedarf im Verlauf die Einleitung einer spezifischen Osteoporose-Therapie erfolgen. Zur Koordination der Osteoporose-Therapie alterstraumatologischer Patienten wurde in einigen Kliniken ein sog. Fracture Liaison Service (FLS) initiiert. Bei einem FLS handelt es sich um eine durch einen Koordinator/-in organisierte Netzwerkstruktur, welche die individuelle Sicherung der Diagnostik und Behandlung einer Osteoporose über den stationären Aufenthalt hinaus sichern soll.

Der Kerngedanke der alterstraumatologischen Behandlung von älteren Patienten mit osteoporotischen Frakturen ist daher eine individualisierte, interdisziplinäre Versorgung, um eine möglichst ganzheitliche Versorgung zu erreichen und den Erhalt von Alltagsaktivitäten, Gesundheit und Selbständigkeit dieser Patienten zu sichern. Um eine rasche interdisziplinäre Versorgung der Patienten effektiv umzusetzen, wurden bereits diverse SOPs (Standard operating procedures) bzw. Behandlungspfade veröffentlicht. In Deutschland wurde für eine effektive Umsetzung die Initiative „AltersTraumaZentrum DGU“ durch die AG Alterstraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) ins Leben gerufen. Grundlage der Initiative sind die im „Kriterienkatalog AltersTraumaZentrum DGU“ eindeutig festgelegten qualitätsorientierten Kriterien. Die Anwendung eines derartigen Katalogs im Zertifizierungsverfahren hat zum Ziel, unfallchirurgisch-geriatrische Interdisziplinarität bei der Behandlung des Alterstraumas zu fördern, die Behandlungsqualität und -ergebnisse zu verbessern und mit dem AltersTraumaRegister DGU Daten für die Versorgungsforschung zur Verfügung zu stellen. Neben der chirurgischen Therapie ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit im Sinne eines Co-Management Modelles unumgänglich. In einem interdisziplinären Team von Chirurgen, Geriatern, Physiotherapeuten, Pflegekräften, Sozialdienstmitarbeitern und weiteren Berufsgruppen können die vielschichtigen Herausforderungen älterer Patienten bestmöglich identifiziert und Folgekomplikation reduziert werden.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de

Korrespondenzadresse

Pascal Martin

Muskuloskelettales Universitätszentrum München

Klinikum der Universität München,
Campus Großhadern

Marchioninistr. 15

81377 München

pascal.martin@med.uni-muenchen.de

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