Übersichtsarbeiten - OUP 10/2014

Darstellung von Rissen der Subscapularissehne im Vergleich

M. von Knoch1, W. Schultz2

Zusammenfassung: Läsionen der Subscapularissehne werden in zunehmendem Maße diagnostiziert und durch rekonstruktive Operationen therapiert. Die hier vorliegende
Arbeit analysiert anhand eines systematischen Reviews die
Genauigkeit der nativen Kernspintomografie in der Darstellung von Rissen der Subscapularissehne im Vergleich zur arthroskopischen Darstellung.

Nach primärer Identifikation von 17 Treffern in der Datenbank PubMed der U.S. National Library of Medicine/National Institutes of Health mit den Suchwörtern „shoulder“, „subscapularis“, „MRI“, „accuracy“ wurden 4 Artikel mit Fallserien in englischer Sprache identifiziert, die sich spezifisch mit der Genauigkeit der nativen Kernspintomografie in der Darstellung von Rissen der Subscapularissehne im Vergleich zur arthroskopischen Darstellung beschäftigten. Der Evidenzlevel lag zwischen II und IV. Die Sensitivität für das Erkennen einer später arthroskopisch nachgewiesenen Läsion der Subscapularissehne anhand von kernspintomografischen Aufnahmen lag in einer Studie bei nur 36 %. Erst durch einen systematischen Algorithmus für die
Befundung konnte die Sensitivität in einer weiteren Studie auch für die native Kernspintomografie auf 73 % gehobenen werden. Zudem gaben die analysierten Studien Hinweise darauf, dass wahrscheinlich eine erfahrungsassoziierte untersucherabhängige Komponente für das Erkennen von Läsionen der Subscapularissehne auf nativen kernspintomografischen Aufnahmen vorliegt.

Schlüsselwörter: Schulter, Subscapularissehne, Ruptur, Kernspintomografie, Arthroskopie, Sensitivität

Zitierweise
von Knoch M, Schultz W. Darstellung von Rissen der Subscapularissehne im Vergleich.
OUP 2014; 10: 466–469 DOI 10.3238/oup.2014.0466–0469

Summary: Lesions of the subscapularis tendon are increasingly diagnosed and reconstructed. This systematic review analyses the accuracy of native MRI in diagnosing subscapularis tendon ruptures in comparison to arthroscopic evaluation.

A search within the PubMed database of the U.S. National Library of Medicine/National Institutes of Health using the search words “shoulder”, “subscapularis”, “MRI”, and “accuracy” identified 17 articles in English which were dealing specifically with the accuracy of native MRI in diagnosing subscapularis tendon ruptures in comparison to arthroscopic evaluation. The level of evidence was between II and IV. The sensitivity to detect an arthroscopically confirmed subscapularis tendon lesion on preoperative native MRI was only 36 % in one study. A systematic diagnostic algorithm improved the sensitivity to 73 % in another study. The analysed studies suggested that the ability to detect a lesion of the subscapularis tendon on preoperative native MRI may also be related to the examiner´s experience.

Keywords: shoulder, subscapularis tendon, rupture, MRI,
arthroscopy, sensitivity

Citation
von Knoch M, Schultz W. Diagnosing subscapularis tendon ruptures in comparison to arthroscopic evaluation. A systematic review.
OUP 2014; 10: 466–469 DOI 10.3238/oup.2014.0466–0469

Einleitung

Läsionen der Subscapularissehne werden in zunehmendem Maße diagnostiziert und durch rekonstruktive Operationen therapiert (s. Abb. 1–5). Anamnestisch liegt häufig ein vorderer Schulterschmerz vor. Die klinische Untersuchung zeigt häufig eine Innenrotationsschwäche, die durch z.B. einen positiven Belly-press-Test, einen positiven Lift-off-Test oder einen Bear-hug-Test diagnostiziert werden kann [1]. Anteilsmäßig kann in mehr als einem Viertel der Fälle von Rotatorenmanschettenschäden die Subscapularissehne mitbetroffen sein [2]. Zur präoperativen Diagnosesicherung dient meist eine kernspintomografische Untersuchung. In Deutschland kommen hier meist native kernspintomografische Untersuchungen zur Anwendung. Kernspintomografischen Arthrografien haben sich in Deutschland eher nicht allgemein durchgesetzt. Die hier vorliegende Arbeit analysiert anhand eines systematischen Reviews die Genauigkeit der nativen Kernspintomografie in der Darstellung von Rissen der Subscapularissehne im Vergleich zur arthroskopischen Darstellung.

Material und Methode

Im November 2013 wurde eine systematische Durchsicht der U.S. National Library of Medicine/National Institutes of Health (PubMed) Datenbank durchgeführt. Als Suchwörter dienten „shoulder“, „subscapularis“, „MRI“, und „accuracy“. Hiermit konnten 17 Treffer generiert werden. Anhand der Durchsicht der Abstracts konnten 4 Artikel [3, 4, 5, 6] mit Fallserien und einem Evidenzlevel von mindestens IV in englischer Sprache identifiziert werden, die sich spezifisch mit der Genauigkeit der nativen Kernspintomografie in der Darstellung von Rissen der Subscapularissehnesehne im Vergleich zur arthroskopischen Darstellung beschäftigten. 13 Arbeiten wurden nicht weitergehend analysiert. Drei Arbeiten waren Reviewartikel, 2 Arbeiten beschäftigten sich primär mit dem Bizepspulley, 2 Arbeiten beschäftigten sich primär mit der Tendinosis calcarea, eine Arbeit beschäftigte sich mit der langen Bizepssehne, 4 Arbeiten beschäftigten sich mit der gesamten Rotatorenmanschette und eine Arbeit verwandte zur Darstellung der Rotatorenmanschette Ultraschall statt Kernspintomografie. Die verbliebenen 4 Artikel wurden weitergehend inhaltlich analysiert (s. Tab. 1). In einem Fall lag eine Level-IV-Studie vor, in 2 Fällen lag eine Level-III-Studie vor, in einem Fall eine Level-II-Studie. Die Fallzahl lag zwischen 29 und 82. Wegen der heterogenen Patientenkollektive wurde auf eine detaillierte quantitative statistische Analyse im Sinne einer Metaanalyse verzichtet. Es wurde lediglich qualitativ deskriptiv analysiert.

Originalarbeiten

Adams et al. [3] veröffentlichten 2010 eine retrospektive Studie (Level III) von 120 Patienten, bei denen eine arthroskopische Versorgung einer Rotatorenmanschettenruptur durchgeführt wurde. In 16 Fällen war in der präoperativen kernspintomografischen Untersuchung vom Radiologen ein Subscapularissehnenriss gesehen worden. Intraoperativ konnte in allen 16 Fällen ein Riss bestätigt werden, sodass für diese Situation eine Spezifität von 100 % vorlag. Insgesamt wurden bei den 120 Patienten intraoperativ aber 44 Subscapularissehnenrisse gesehen. In 28 Fällen wurden präoperativ vom Radiologen keine solchen Fälle in der kernspintomografischen präoperativen Untersuchung gesehen. Hieraus ergab sich eine Sensitivität von 36 % für das Erkennen einer Subscapularissehnenruptur auf den präoperativen kernspintomografischen Aufnahmen. Der positive prädiktive Wert lag bei 100 %, der negative prädiktive Wert bei 62 %, die Genauigkeit bei 69 %.

Foad et al. [4] veröffentlichten 2012 eine retrospektive Studie (Level II) von 39 Fällen, bei denen eine arthroskopische Naht der Subscapularissehne durchgeführt wurde. Bei 25 von 40 Fällen (62,5 %) wurde auf den kernspintomografischen Aufnahmen, welche mit einem 1,5 Tesla-Gerät durchgeführt wurden, vom befundenden Radiologen keine Ruptur der Subscapularissehne diagnostiziert. Die Diagnose einer Subscapularissehnenruptur wurde eingeteilt in Komplettrisse, Teilrisse sowie Signalveränderungen wie z.B. Lücken im Sehnenverlauf oder flüssigkeitsäquivalente Signale in mehr als einem Schnitt sowie eine Nichtsichtbarkeit der Subscapularissehne. Ferner wurde eine mediale Subluxation der langen Bizepssehne ebenso als Hinweis auf einen Subscapularissehnenriss gewertet. Für die präoperative kernspintomografische Untersuchung ohne Kontrastmittel lag die Sensitivität bei 40 %. Im 2. Teil der Arbeit wurde ein Vergleich zwischen der nativen Kernspintomografie und kernspintomografischen Arthrografien vorgenommen. Für kernspintomografische Arthrografien lag die Sensitivität bei 36 %. Insgesamt lag die Sensitivität für beide Verfahren bei 37,5 %.

Adams et al. [5] veröffentlichten 2012 eine diagnostische Studie (Level III) von 202 Patienten, bei denen in 82 Fällen im Rahmen einer arthroskopischen Operation ein Riss der Subscapularissehne festgestellt worden war. Die Befundung der präoperativen kernspintomografischen Untersuchung wurde von 5 fellowshiptrainierten Orthopäden vorgenommen. Bei 60 von 82 Fällen (73 %) wurde auf den kernspintomografischen Aufnahmen eine Subscapularissehnenruptur erkannt. Bei 113 von 120 Fällen wurde von den Orthopäden die korrekte Diagnose einer intakten Subscapularissehne (94 %) gestellt. Hieraus ergab sich eine gesamte Sensitivität von 73 %, eine Spezifität von 94 %, ein positiver prädiktiver Wert von 90 %, negativer prädiktiver Wert von 84 % und eine Genauigkeit von 86 %. Die Häufigkeit eines Subscapularissehnenrisses war am häufigsten bei der Subluxation der langen Bizepssehne aus dem Sulcus heraus (88 %). Die Operateure verfolgten in allen Fällen einen systematischen Ansatz zur Diagnosestellung einer Subscapularissehnenruptur auf den kernspintomografischen Aufnahmen. Zur Anwendung kamen 4 Kriterien:

  • 1. Auf den axialen Schnitten wurde analysiert, ob sich ein Subscapularissehnenriss als Dehiszenz vom Tuberculum minus darstellen ließ.
  • 2. Auf den axialen Aufnahmen wurde ebenso überprüft, ob eine Subluxation oder Dislokation der langen Bizepssehne aus dem Sulcus bicipitalis heraus darstellbar war.
  • 3. Auf den parasagittalen Aufnahmen wurde medial des Glenoids analysiert, ob eine Atrophie der Subscapularissehne als Zeichen eines Subscapularissehnenrisses vorlag.
  • 4. Auf den parasagittalen Schnitten wurde ebenso analysiert, ob zwischen der Subscapularissehne und dem Tuberculum minus eine Dehiszenz als Ausdruck eines Subscapularissehnenrisses vorlag.

Bei 2 oder mehr positiven Kriterien wurde anhand der kernspintomografischen präoperativen Untersuchung die Diagnose eines Subscapularissehnenrisses gestellt.

Jung et al. [6] veröffentlichten 2013 eine retrospektive Studie (Level IV) von 29 Patienten, bei denen ein vollschichtiger Riss der Subscapularissehne arthroskopisch versorgt wurde. Die präoperativen kernspintomografischen Aufnahmen wurden hinsichtlich des Vorliegens des sogenannten Bridging Sign analysiert. Die Autoren definierten das Bridging Sign als kernspintomografisch dargestellte Gewebebrücke, welche pathoanatomisch von der gerissenen und superomedial retrahierten Subscapularissehne ausgehend, eine bindegewebige Verbindung zur gerissenen Supraspinatussehne darstellt. Das eigentliche morphologische Korrelat des Bridging Sign war das coracohumerale Ligament und das superiore gleonohumerale Ligament. Bei allen Patienten, bei denen in der präoperativen kernspintomografischen Untersuchung ein Bridging Sign nachgewiesen wurde, konnte intraoperativ ein vollschichtiger Riss der kranialen Hälfte der Subscapularissehne und der vorderen Hälfte der Supraspinatussehne festgestellt werden. Für die Kombination eines Risses der Subscapularissehne und der vorderen Supraspinatussehne betrug die Sensitivität des Bridging Sign 81 %, die Spezifität 100% und die Genauigkeit 86,2 %.

Diskussion

Die Evidenz der hier untersuchten Studien betrug Level II bis IV und lag damit für das Fachgebiet hoch. Aus den hier analysierten Studien lassen sich einige interessante Punkte ableiten.

Das Erkennen von Läsionen der Subscapularissehne auf kernspintomografischen Aufnahmen kann schwierig sein. Die Sensitivität für das Erkennen später arthroskopisch nachgewiesener Läsionen der Subscapularissehne anhand von nativen kernspintomografischen Aufnahmen lag in einer Studie bei nur 36 % [3]. Auch für kernspintomografische Arthrografien wurde bei der Beurteilung eine Sensitivität von nur 36 % beschriebenen [4]. In einer älteren Studie, die hier nicht weitergehend analysiert wurde, wurde die Sensitivität für die kernspintomografische Arthrografie mit über 90 % angegeben [7]. Hier darf der Hinweis nicht fehlen, dass die befundenden Radiologen ausgewiesene akademische Skelettradiologen waren, die sich insbesondere mit der kernspintomografischen Darstellung der Schulter beschäftigt hatten.

Erst durch einen systematischen Algorithmus und die Befundung durch Schulteroperateure konnte die Sensitivität in einer weiteren Studie auch für die native Kernspintomografie auf 73 % gehobenen werden [5]. Der Algorithmus umfasste die Beurteilung der Integrität der Insertion der Subscapularissehne am Tuberculum majus auf sowohl axialen als auch parasagittalen Schnitten; zusätzlich die Beurteilung einer Subluxation der langen Bizepssehne auf axialen Schnitten und die Beurteilung einer Atrophie der Subscapularissehne auf parasagittalen Schnitten. Bei 2 positiven Kriterien wurde ein Riss der Subscapularissehne diagnostiziert.

Anzumerken ist, dass die analysierten Studien keinen Hinweis darauf gaben, inwiefern die Kenntnis der Anamnese oder der klinischen Untersuchung die Interpretation von kernspintomografischen Aufnahmen beeinflusst. Hinzu kommt, dass eine klinische Diagnose letztlich erst durch die Synthese von Anamnese, Befund und Bildgebung möglich wird. Diese Aufgabe ist letzten Endes vom Behandler zu übernehmen.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Schulteroperateure oder spezialisierte Skelettradiologen eine geringere Hemmschwelle bei der Diagnosestellung einer Läsionen der Subscapularissehne haben – somit läge hier eine erfahrungsassoziierte untersucherabhängige Komponente vor, die durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen wahrscheinlich positiv zu beeinflussen ist.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Marius von Knoch

Klinik für Orthopädie und Endoprothetik, Schulterzentrum

Klinikum Bremerhaven Reinkenheide

Postbrookstrasse 103

27574 Bremerhaven

mariusvonknoch@yahoo.com

Literatur

1. Denard PJ, Lädermann A, Burkhart SS. Arthroscopic management of subscapularis tears. Sports Med Arthrosc 2011; 19: 333–41

2. Arai R, Sugaya H, Mochizuki T, Nimura A, Moriishi J, Akita K. Subscapularis tendon tear: an anatomic and clinical investigation. Arthroscopy 2008; 24: 997–1004

3. Adams CR, Schoolfield JD, Burkhart SS. Accuracy of preoperative magnetic resonance imaging in predicting a subscapularis tendon tear based on arthroscopy. Arthroscopy 2010; 26: 1427–33

4. Foad A, Wijdicks CA. The accuracy of magnetic resonance imaging and magnetic resonance arthrogram versus arthroscopy in the diagnosis of subscapularis tendon injury. Arthroscopy 2012; 28: 636–41

5. Adams CR, Brady PC, Koo SS, Narbona P, Arrigoni P, Karnes GJ, Burkhart SS. A systematic approach for diagnosing subscapularis tendon tears with preoperative magnetic resonance imaging scans. Arthroscopy 2012; 28: 1592–600

6. Jung JY, Yoon YC, Cha DI, Yoo JC, Jung JY. The „bridging sign“: a MR finding or combined full-thickness tears of the subscapularis tendon and the supraspinatus tendon. Acta Radiol 2013; 54: 83–8

7. Pfirrmann CW, Zanetti M, Weishaupt D, Gerber C, Hodler J. Subscapularis tendontears: detection and grading at MR arthrography. Radiology 1999; 213: 709–14

Fussnoten

1 Klinik für Orthopädie und Endoprothetik, Schulterzentrum, Klinikum Bremerhaven, (Chefarzt: Prof. Dr. med. Marius von Knoch)

2 Abteilung Orthopädie, Universitätsmedizin, Georg-August-Universität Göttingen (ehem. Abteilungsdirektor: Univ.-Prof. Dr. med. Wolfgang Schultz)

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