Übersichtsarbeiten - OUP 03/2013

Der Humeruskopfersatz mit der Simpliciti-Prothese

Ein weiterer Vorteil mag sein, dass der Humeruskopf nach entsprechender Exposition der Kalotte jeweils zentriert auf dem Verankerungssystem aufgebracht und dadurch das Offset des Kopfes im Verhältnis zum Schaft nicht berücksichtigt werden muss. Der größte Vorteil gegenüber den sog. Oberflächenersatzsystemen ergibt sich jedoch bei der Exposition des Glenoids. Durch die Resektion der Kopfkalotte am anatomischen Hals ist eine standardisierte Glenoidexposition, analog zu schaftgeführten Implantaten möglich.

Durch die genannten Vorteile erfreuen sich metaphysär verankerte, schaftlose Systeme zunehmender Beliebtheit und werden in letzter Zeit bevorzugt nicht nur in posttraumatischen, sondern auch in anderen anatomischen Situationen implantiert, die eine sichere metaphysäre Verankerung erlauben. Insbesondere bei jungen Patienten mit intakter Rotatorenmanschette verspricht man sich hierdurch einen knochensparenden Eingriff mit kürzeren Operationszeiten, eine Reduktion des Risikos periprothetischer Frakturen und einfachere Rückzugsmöglichkeiten bei Wechseleingriffen.

Seit 2004 werden von verschiedenen Herstellern schaftfreie Implantate zum Humeruskopfersatz angeboten. Bis Ende 2011 wurden weltweit rund 10.000 schaftfreie Humerusprothesen implantiert. Erste Ergebnisse bei der Versorgung posttraumatischer Deformitäten sind vielversprechend [2, 25, 26]. Aufgrund der jungen Entwicklung liegen jedoch noch keine Daten hinsichtlich der Langzeitergebnisse und noch keine Vergleiche mit schaftverankerten Schulterendoprothesen vor.

Simpliciti-Prothese

Die Firma Tornier hat im Jahr 2011 den schaftfreien Humeruskopfersatz „Simpliciti“ auf den Markt gebracht (Abb. 1). Das Implantat besteht aus einer metaphysären und einer Kopfkomponente. Die aus einem Stück gefertigte metaphysäre Komponente, der sog. Nucleus, ist mit einer hochporösen Titanbeschichtung versehen und setzt sich aus 3 Finnen und einem proximal abschließenden Titankragen zusammen. Durch die Finnen resultiert eine Rotationssicherung, ebenso wird das Einwachsen in den Knochen verbessert. Der proximale Kragen verhindert das Absinken des Implantates. Als Besonderheit gegenüber vielen anderen Systemen besitzt der Nucleus einen Innenkonus für die Aufnahme der Humeruskopfkalotte, wodurch die Exposition des Glenoids deutlich erleichtert wird. Der Nucleus ist in 3 Größen verfügbar.

Für den Fall einer Wechseloperation befinden sich in der kranialen Abdeckplatte des Nucleus Schlitze, durch die Knochenbrücken zwischen den 3 Finnen mit einem eigens dafür vorgesehenen Meißel durchtrennt und der Nucleus danach mit dem vorhandenen Ausschlaginstrumentarium entfernt werden kann. Somit sollten Probleme der Implantatentfernung sowie Knochenverluste minimiert sein.

Die Kopfimplantate aus Chrom-Kobalt sind in 9 Größen, verschiedenen Dicken und Durchmessern von Größe 39–52 mm verfügbar. Alle Köpfe sind mit einem Außenkonus versehen, werden zentriert auf den Nucleus aufgebracht und sind von der Geometrie her so konzipiert, dass sie mit dem anatomischen „Aequalis-Glenoid“ kompatibel sind.

Operationstechnik

Der Patient wird standardmäßig in Beach-chair-Position gelagert. Die Exposition des Gelenkes erfolgt über einen deltoideopectoralen Zugang. Nach Tenodese der langen Bicepssehne wird der Subscapularis mit Haltefäden armiert und medial der langen Bizepssehne abgelöst. Wichtig ist ein ausreichendes Release nach inferior (in der Regel bis zur Höhe der M. pectoralis major-Sehne), um inferiore, sog. „Capital drop“-Osteophyten ausreichend zu exponieren und abzutragen. Nach Darstellung der ursprünglichen Kopfkalotte und des anatomischen Halses kann die Resektion in anatomischer Inklination und Retroversion erfolgen. Um den korrekten Resektionswinkel zu finden, ist ein auf dem Instrumentarium erhältlicher Inklinationsmesser hilfreich (Abb. 2).

Nach Resektion der Kopfkalotte wird der Arm in Außenrotation überführt und der Humeruskopf mit entsprechenden Hohmannhebeln exponiert. Ggfs. vorhandene dorsale Osteophy-
ten sollten sorgfältig abgetragen werden. Die resezierte Humeruskopfkalotte wird mit einer Schieblehre vermessen, um einen Eindruck von der späteren Größe der Kopfkalotte zu gewinnen. Dabei ist zu beachten, dass der resezierte Humeruskopf häufig deutlich deformiert ist und nicht mehr der anatomischen Größe entspricht. Bei star-
ken Verformungen kann ein Vergleich mit der gesunden Gegenseite hilfreich sein.

Nicht selten resultiert nach Resektion der Humeruskopfkalotte eine leicht ovale Resektionsfläche, da der anteroposteriore Durchmesser des Humeruskopfes ca. 8 % kleiner als der mediolaterale Durchmesser ist [27], so dass der Eintrittspunkt für die Implantation der Simpliciti-Prothese etwas vermittelt werden muss. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Kalottenkomponente die Knochengrenze nicht überragt und die Höhe des Kopfes die Relation zum Tuberculum majus wahrt.

Die Größe des Nukleus wird mit sog. „Sizern“ (Größe 1–3) anhand der Resektionsfläche bestimmt. Gewählt wird der Sizer mit der größtmöglichen Abdeckung der Resektionsfläche. Alle folgenden Instrumente sind hinsichtlich der gewählten Größe farbkodiert. Im Anschluss wird ein Führungspin mittig durch den Sizer bis in die Gegenkortikalis verankert (Abb. 3). Alle weiteren humeralen Resektionsschritte laufen dann über diesen Führungspin. Falls erforderlich, kann die Resektionsfläche mit entsprechenden Fräsen plangefräst werden. Für die Aufnahme des Nucleus wird dann ein zentrales Bohrloch gesetzt. Anschließend wird bereits der „Probenucleus“ implantiert, der gleichzeitig die Finnen für das Originalimplantat ausstanzt. Dabei ist darauf zu achten, dass die Finnen in Regionen der größtmöglichen Knochendichte zu verankern sind. Eine erste Proberepositon kann nun mit dem gewählten Humeruskopf erfolgen. Nach Entfernung des Probekopfes ist für jeden Nucleus eine Abdeckplatte vorhanden, die die metaphysäre Resektionsfläche komplett bedeckt und so einen wirksamen Schutz gegen Deformierungen bei der Glenoidpräparation bietet. Nach zirkumferentieller Präparation des Glenoides kann – falls erforderlich – die Implantation eines Aequalis-Glenoids erfolgen (Abb. 4). Nachfolgend kann der Resektionsschutz entfernt und erneut eine Probereposition mit dem ausgewählten Humeruskopf erfolgen.

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