Originalarbeiten - OUP 05/2012

Der SL-Plus-MIA-Schaft –
Ergebnisse nach 1000 Implantationen
The SL-Plus-Mia-stem – Results after 1000 implantations

J. E. Brandenberg1, U. Steiger2

Zusammenfassung: Die Erfordernisse der minimal-invasiven Zugänge veranlasste eine Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit der Herstellerfirma, den SL-Standard-Schaft nach Zweymüller zu modifizieren. Das Schulterprofil im Trochanterbereich wurde reduziert unter Beibehaltung der seit über 30 Jahren bewährten diaphysären Verankerung. Ein weiterentwickeltes Instrumentarium erlaubt die Operation durch einen minimal-invasiven antero-lateralen oder direkt anterioren Zugang. Die Raspelführung und die Implantation des Schaftes erfolgt über eine neu definierte Einführungskurve. Die ersten Implantationen erfolgten im Dezember 2005. Seit Januar 2008 steht ein lateralisierender und seit Januar 2009 ein proximal HA-beschichtetet Schaft zur Verfügung.

Die Schweizer Mitglieder der Arbeitsgruppe haben die ersten 1000 Implantate drei Monate bis fünf Jahre nachkontrolliert. 509 w, 454 m, 37 Patienten wurden beidseits in einer Sitzung operiert.

In 968 Fällen war der klinische Verlauf unauffällig. Die Patienten waren nach drei Monaten schmerz- und hinkfrei gehfähig. Die Röntgenbilder zeigen eine gute ossäre Integration des Schaftes in 993 Fällen. Vier Infekte führten in drei Fällen zum Schaftwechsel. Ein Infekt mit Staph. epidermidis heilte nach zweimaligem Débridement und drei Monate antibiotischer Behandlung ohne Implantatlockerung aus. Bei zwei Patienten kam es zur einmaligen Dislokation. Zwei Prothesen-luxationen führten zum Pfannenwechsel. In drei Fällen wurden Fissuren des Femurschaftes festgestellt. Bei drei Patienten kam es nach einem Jahr zur aseptischen Lockerung des Schaftes. Trochanteravulsionen konnten elfmal beobachtet werden. In drei Fällen war eine Osteosynthese notwendig

Der SL-PLUS-MIA-Schaft als Modifikation des SL-Schaftes nach Zweymüller erleichtert die minimal-invasive Implantationstechnik und schont die Trochanterstrukturen. Die erfolgreiche diaphysäre Verankerung führt zu Resultaten, die mit dem SL-Schaft, aber auch mit Implantaten mit anderen Verankerungskonzepten vergleichbar sind. Komplikationen, die für das neue Implantat spezifisch wären, sind nicht aufgetreten.

Schlüsselwörter: SL-Plus-MIA-Schaft, Zweymüller-Schaft, MIS-Hüfte; Diaphysäre Verankerung

Abstract: The requirements for minimal-invasive accesses prompted a study group, in close collaboration with the manufacturing company, to modify the Zweymueller-SL-Standard-stem. The shoulder-profile in the trochanter-area has been reduced under perpetuation of its – since 30 years – well established diaphysaeric anchorage. Specially developed instruments allow that the operation can be accomplished with an either minimal invasive antero-lateral or a direct lateral access. The rasp guidance and the implantation of the stem is to be carried out by a newly defined entering guidance. The first implantations have taken place in December 2005. Since January 2008, we have a lateralized, and since January 2009 a proximal HA-surfaced stem at our disposition.

The Swiss members of the study group have controlled the first 1000 implants from three months to five years. 509 females, 454 males 37 patients have been operated on both sides in one session.

In 968 cases, the clinical process has been inconspicuous. After three months, the patients were without pain and able to walk without limping. In 993 cases, the X-rays show a well integrated bone anchorage of the stem. Out of four cases with infection, three have undergone a change of the stem. An infection with Staph.epidermidis has healed after dual debridement and three months of antibiotic treatment without implant loosening. With two patients there was a one-time dislocation. Two prostheses luxations led to a changing of the cups. In three cases, fissures in the femur shaft have been observed. Three patients suffered from an aseptic loosening of the stem, one year after the operation.

Trochanter avulsions have been observed in eleven cases. In three cases an osteosynthesis was necessary.

The SL-Plus-Mia-stem as a modification of the SL-stem by Zweymüller facilitates the minimal-invasive implantation technique and preserves the trochanter structures. The successful diaphysaeric anchorage leads to results comparable to the ones of the SL-stem as well as to implants with different anchorage-concepts. So far, no specific complications as to this new implant have arised.

Keywords: SL-Plus-MIA-Stem, Zweymüller-Stem, MIS hip replacement, diaphysaeric anchorage

Einleitung

Mit der Verbreitung der minimal-invasiven Zugänge stieg das Bedürfnis nach geeigneten Implantaten. Das distal-kortikale Verankerungsprinzip des SL-Plus-Schaftes nach Zweymüller [1] hat sich seit Jahrzehnten bewährt [2]. 2005 hat eine Arbeitsgruppe mit der Modifikation des SL-Plus-Schaftes begonnen. Am 12. Dezember 2005 wurden die ersten SL-Plus-MIA-Schäfte zeitgleich in Wien, Steyr, Zürich und Luzern implantiert. In der Zwischenzeit findet der MIA-Schaft in vielen Kliniken breite Anwendung. Die Frage stellt sich, ob mit dem modifizierten Schaft gleich gute Resultate wie mit dem klassischen SL-Schaft erzielt werden.

Material und Methode

Von 2006 bis Ende 2010 haben die Schweizer Mitglieder der Arbeitsgruppe insgesamt 1000 MIA-Schäfte eingesetzt. Jeder der beiden Operateure implantierte in dieser Beobachtungsperiode je 500 Schäfte bei 487 Patienten in Zürich und 488 Patienten in Luzern. 13 Patienten, respektive 12 wurden beidseitig in der gleichen Sitzung operiert. Es wurden 506 Frauen und 469 Männer operiert. Der Altersdurchschnitt betrug 68,5 Jahre (23–96 Jahre). Mehrheitliche Indikation für die Implantation waren idiopathische Coxarthrosen (N=861), gefolgt von 62 Femurkopfnekrosen. Die anderen Fälle verteilten sich auf chronische Polyarthritis, posttraumatische Arthrosen, M. Perthes und andere. Beide Autoren verwenden dieselben OP-Techniken. In 738 Fällen wurde über den antero-lateralen MIS-Zugang [3], in 262 über den transglutealen Zugang operiert. Es kamen 832 Standard- und 168 Off-Set-Schäfte zur Implantation. Seit 2009 wurde der MIA-Schaft mit HA-Beschichtung eingesetzt. Beide Autoren führen klinische und radiologische Nachkontrollen nach drei, sechs und zwölf Monaten durch.

Ergebnisse

In 46 Fällen (4,6%) waren Komplikationen zu beobachten, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Schaftimplantat stehen (Tab. 1). Die 18 Komplikationen in direktem Zusammenhang mit der Schaftimplantation sind in Tabelle 2 dargestellt. Die Schaftfrakturen wurden erst im postoperativen Verlauf diagnostiziert. Sie heilten alle unter Entlastung an Stöcken innerhalb von 10 Wochen. In zwei Fällen war ein Absinken des Schaftes um rund 5 mm zu beobachten.

27-mal war eine Re-Operation notwendig (Tab. 3), 19-mal wegen anderen Komplikationen, 8-mal wegen spezifischen Schaftproblemen: 4 Schaftwechsel wegen aseptischer Lockerung, 4
Osteosynthesen des Trochanters.

In 24 Fällen wurde eine Malposition des Schaftes beobachtet, 23-mal eine Varus-Fehlstellung, eine Valgusposition. In 6 Fällen scheint das Schaftimplantat zu klein gewählt zu sein. Alle diese 30 Fälle sind ohne Re-Operation problemlos geheilt und ab drittem postoperativem Monat voll belastbar.

In 54 Fällen fanden sich Radio Lucent Lines (Abb. 1) im proximalen Schaftbereich (Gruen Zone 1). Diese sind deutlich seltener bei den HA-beschichteten Schäften (N=5) als bei Schäften ohne Beschichtung (N=49). Eine klinische Relevanz konnte nicht festgestellt werden.

In der Beobachtungszeit zwischen vier Monate bis fünf Jahre sind 989 MIA-Schäfte radiologisch eingeheilt. Elf Schäfte mussten wegen aseptischer Lockerung (N=4) oder wegen Infekt (N=7) gewechselt werden. 977 Patienten sind schmerzfrei. 982 sind auch hinkfrei und stockfrei gehfähig und haben ihren gewohnten Sport wieder aufgenommen.

Diskussion

Anhand von 1000 Fällen zweier Operateure kann gezeigt werden, dass der SL-Plus-MIA-Schaft trotz der Modifikation, aber unter Beibehaltung des bewährten Verankerungsprinzips des SL-Schaftes [4, 5] sehr gute Resultate zeigt. Die allgemeinen Komplikationen, wie Infekt, Prothesendislokation etc. bewegen sich im Rahmen der Angaben in der Literatur [6]. Typische Schaft assoziierte Probleme sind durch Beachtung der korrekten OP-Technik zu beherrschen.

Trochanterfrakturen können einerseits durch einen mangelhaften Release der Kapsel verursacht werden. Im Zusammenhang mit dem MIA-Schaft ist zusätzlich auf die für dieses Implantat spezifische Raspelkurve aufmerksam zu machen, anders als beim SL- oder beim SLR-Schaft, wo ein gerades Einführen in der Verlängerung des Markraums erforderlich ist. Trochanterfrakturen können vermieden werden, wenn diese Kurve beim Einführen der MIA-Raspel, aber auch beim Entfernen derselben beachtet wird (Abb. 2).

Das Auftreten der drei beobachteten Schaftfrakturen/-fissuren ist nicht geklärt. Schaftsprengungen sind bei allen zementfreien Implantaten beschrieben. Die Modifikation stellt keine spezifische Prädisposition für Schaftfrakturen dar.

Malpositionen sind dem minimalen Zugang und nicht dem Implantat anzulasten. Mit geeignetem MIS-Instrumentarium und allenfalls unter Einsatz der Navigation lassen sie sich vermeiden. Weicht die zu implantierende Schaft-größe mehr als eine Nummer von der geplanten Größe ab, ist eine intraoperative Röntgenkontrolle angezeigt.

Das Auftreten von Radio Lucent Lines hauptsächlich in der Zone 1 ist in unserer Beobachtung ohne klinische Relevanz und deutlich geringer bei der HA-Beschichtung als bei unbeschichteten Implantaten.

Zusammenfassung

Anhand von 1000 Fällen zweier Operateure sind im Follow-up zwischen vier Monaten und fünf Jahren gute klinische und radiologische Resultate mit geringer Komplikationsrate zu beobachten. Der SL-Plus-MIA-Schaft hat sich bewährt. Die Modifikation zwecks Verwendung bei MIS-Zugängen unter Beibehaltung des distal-kortikalen Verankerungsprinzips hat keine Nachteile gebracht. Auf die OP-Technik, insbesondere die Einhaltung der Raspel-Einführkurve muss besonderen Wert gelegt werden.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Josef E. Brandenberg

Orthopädische Klinik Luzern OKL

St. Annastrasse 32

CH- 6006 Luzern, Schweiz

E-Mail: Josef.brandenberg@hin.ch

Literatur

1. Zweymüller KA, Lintner FK, Semlitsch MF: Biological fixation of a press-fit titanium hip joint endoprosthesis. Clin Orthop 1988; 235:195–206

2. Janda W, Hübl M, Stöckl B, Thaler M, Labek G: Performance of the Zweymüller total hip arthroplasty system: a literature review including arthroplasty register data. EUR Orthop Traumatol DOI 10, 1007/s12570–101– 0004-z

3. Pflüger G, Junk-Jantsch S, Schöll V: Minimally invasive total hip replacement via the anterolateral approach in the supine position. Int Orthop 2007; 31 Suppl 1: 7–11

4. Zweymüller KA, Semlitsch MF: Concept and material properties of cementless hip prosthesis system with AL2=3 ceramic ball heads and wrought Ti-6A1–4V stems. Arch Orthop Trauma Surg 1982; 100: 229–236

5. Lintner F, Zweymüller KA, Brand G: Tissue Reaction to Titanium Endoprosthesis. Autopsy studies in four cases. J Arthroplasty 1986; 11: 83–195

6. Ochsner PE (Herausgeber). Die Hüfttotalprothese. Implantationstechnik und lokale Komplikationen. Springer. Berlin, Heidelberg. 2003

Fussnoten

1 Orthopädische Klinik Luzern OKL, Schweiz

2 Endoclinic Zürich, Schweiz

DOI 10.3238/oup.2012.0208-0211

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