Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016

Der Tennisellenbogen – Diagnose oder Symptom bei Instabilität?

Das Wichtigste ist aber die Aufklärung der Patienten darüber, dass die Erkrankung i.d.R. mindestens 6–9 Monate dauert und es so lange dauert, bis eine relevante Schmerzlinderung eintritt, und dass übertriebener Aktionismus in dieser Zeit keinen entscheidenden Effekt hat. Die Patienten sollten in der Schmerzphase akute Maximalbelastungen vermeiden, aber trotzdem eine Grundaktivität beibehalten. Absolute Schonungen oder gar Gipsruhigstellungen sind für den Heilungsverlauf nicht förderlich. Die Extensorensehne benötigt für eine zielgerichtete Heilung bzw. Schmerzadaptation, wie andere Sehnen in unserem Körper auch, eine moderate angepasste Belastung mit unterstützenden exzentrischen Übungen zur Ausrichtung und Anpassung des Kollagenbindegewebes.

Nicht zu empfehlen ist der regelmäßige Einsatz von Kortisoninjektionen an den lateralen Kondylus [1]. In den Leitlinien wird eine Anwendung bis zu maximal 2 Injektionen empfohlen. In der Realität sehen wir jedoch viele Patienten, die Dutzende von Kortisoninjektionen erhalten haben und dementsprechend nicht nur an den sehr häufigen subkutanen Fettgewebsnekrosen mit Atrophie der Haut leiden, sondern vor allem an einer massiven Schädigung der Extensorensehne und des lateralen Seitenbandapparats. Wir denken, dass viele der Patienten, die schlussendlich nach einem frustranen konservativen Therapieversuch operiert werden müssen, auf den übermäßigen Einsatz von Kortisoninjektionen zurückzuführen sind.

OP-Indikationen sollten erst nach zeitlich (Minimum 6 Monate, besser 9 Monate) und inhaltlich ausgeschöpfter konservativer Therapie gestellt werden. Der Leidensdruck der Patienten sollte so groß sein, dass der Patient selbst auch bereit ist, den Eingriff und vor allem die langwierige Nachbehandlung mit einzugehen. Zu erwarten ist eine Rehabilitationszeit bis zur vollen Belastbarkeit von mindestens 3 Monaten. Diese lange Nachbehandlungszeit schreckt viele Patienten ab, ist aber offen und ehrlich im Vorfeld zu kommunizieren, da eine zu frühe Aufnahme der Belastung immer wieder unnötige Entzündungs- und Schmerzphasen sowie Einheilungsstörungen der Extensoren zur Folge haben kann.

Etwas anders ist der Umgang mit Patienten, die bereits eine OP hinter sich haben und seither keine Schmerzlinderung oder sogar eine Verschlechterung erlitten haben. In der Regel sind es Patienten mit einer offenen Hohmann-OP, die mit diesen Problemen zu uns kommen. In den letzten Jahren haben wir etwa 150 Patienten nach einer auswärtigen Hohmann-OP revidiert. Dies soll nicht bedeuten, dass die Hohmann-OP per se schlechte Ergebnisse liefert. Aus der Literatur ist ganz klar zu erkennen, dass die Hohmann-OP Erfolgsraten mit guten und sehr guten Ergebnissen von 75–91 % [5, 7, 9] liefert. Hat ein Patient nach der OP aber weiterhin Schmerzen oder sogar eine Intensivierung der Schmerzen, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein strukturelles Problem. Bei allen Patienten, die wir revidierten, lag eine Einheilungsstörung der Extensoren mit Substanzdefekt vor in Kombination mit einer mäßig bis extrem ausgeprägten posterolateralen Rotationsinstabilität durch eine zusätzliche Schädigung des lateralen Seitenbandkomplexes am lateralen Kondylus.

Das Gelenk war in allen Fällen durch den Kapsel-Banddefekt eröffnet und die Gelenkflüssigkeit bildete unter den Extensoren im Bereich des eigentlichen Footprint eine Kaverne mit synovialem Überzug. In manchen Fällen reichte bei einem zusätzlichen Defekt der Fascie die synoviale Auskleidung bis unter die Haut. Dies waren sicherlich alles Patienten, die postoperativ ein subkutanes Serom hatten.

Bei dieser Patientengruppe ist somit nach MRT-Abklärung die Revisions-OP indiziert, um oben genanntes Problem zu korrigieren. Intensivierte konservative Maßnahmen sind hier nicht mehr angebracht.

Diagnostik

Ist die Indikation zur OP aufgrund des klinischen Verlaufs gestellt, empfehlen wir die Vervollständigung der Diagnostik, sofern dies nicht schon im Verlauf der Erkrankung erfolgte. Zwingend erforderlich ist unserer Ansicht nach ein konventionelles Röntgenbild in 2 Ebenen zur Darstellung knöcherner Begleitverletzungen, Verkalkungen in der Kapsel oder den Extensoren, dem Nachweis von sekundären Osteophyten, einer Gelenkspaltverschmälerung oder -asymmetrien bzw. Instabilitätszeichen, freien Gelenkkörpern, Deformitäten und des Arthrosegrads.

Optional ist die Sonografie. Sie dient zur Darstellung des Extensorenursprungs und dessen Integrität. Defekte lassen sich gut darstellen. Hinweise auf Begleitpathologien ergeben sich ebenfalls aus der sonografischen Untersuchung, wie z.B. ein übermäßiger Gelenkerguss oder freie Gelenkkörper. In der postoperativen Phase kann der Heilungsverlauf der Extensoren sonografisch einfach und kostengünstig kontrolliert werden.

Unserer Meinung nach sollte präoperativ eine MRT-Untersuchung des Ellenbogens in voller Streckstellung durchgeführt werden. Das MRT ist mit Abstand das sensitivste diagnostische Verfahren und dient nicht nur der Beurteilung des Extensorendefekts und struktureller Veränderungen des lateralen Seitenbandapparats; sondern es ermöglicht auch eine direkte und indirekte Einschätzung der Gelenkstabilität sowie die Abklärung weiterer pathologischer Veränderungen des Gelenks (degenerative Veränderungen, Knorpelschäden, freie Gelenkkörper oder synovitische Veränderungen). Durch die Stellung des Ellenbogens in voller Streckung lassen sich MRT-Kriterien anlegen, die zur Einschätzung der Gelenkstabilität dienen [6]. Hierzu gehören Asymmetrien des Gelenkspalts in der Frontalebene sowie Subluxationsstellungen in der sagittalen und in der axialen Ebene.

Die Extensorenläsion wird im MRT – angelehnt an Walz et al. [14] – in 4 Grade unterteilt:

  • Grad 1: Tendinose/beginnende Partialruptur ,
  • Grad 2: intermediäre Rissform, Partialruptur ,
  • Grad 3: hochgradige Partialruptur ,
  • Grad 4: Komplettruptur.

Operative Therapie

Ist die Entscheidung zur OP gefallen, klären wir unsere Patienten nach erfolgter Diagnostik und Eingrenzung der Pathologie über folgenden Eingriff auf:

Diagnostische Arthroskopie mit partieller Synovektomie und Plicaresektion,

Bestandsaufnahme der Instabilität und ggf. vorliegender Gelenkpathologien,

Knorpeltherapie je nach Befund,

offenes Debridement der Extensoren und des lateralen Kondylus mit Rekonstruktion der Weichteile,

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5