Übersichtsarbeiten - OUP 02/2013

Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nach Schulterarthroskopie
Ein systematischer Review A systematic review

Didden et al. [7] veröffentlichten 2010 eine retrospektive Studie (Level IV), bei der anhand von letztendlich 93 Patienten untersucht wurde, inwieweit das 3-stufige Kompensationssystem in Belgien einen Einfluss auf die Abwesenheitszeit vom Arbeitsplatz hat. In allen Fällen wurde eine Rotatorenmanschettennaht durchgeführt. In 34 Fällen wurde eine offene Operation, in 39 Fällen eine arthroskopische Operation durchgeführt. Das belgische Versicherungssystem beinhaltet die höchsten Kompensationszahlungen für Arbeitsunfälle, den zweithöchsten Kompensationsgrad für private Unfälle oder chronische Rotatorenmanschettenrisse. Selbstständige erhalten die geringste Kompensation. Es wurde eine signifikant längere Zeit der Abwesenheit vom Arbeitsplatz für die höchste Kompensationsgruppe mit 7 Monaten gegenüber der geringsten Kompensationsgruppe mit 2,5 Monaten festgestellt. Die Zeit der Abwesenheit vom Arbeitsplatz war bei höhergradigen Rissen der Rotatorenmanschette signifikant verlängert.

Bhatia et al. [6] veröffentlichten 2010 eine retrospektive Studie (Level IV) über 78 konsekutive Patienten mit Arbeitsunfällen und nachfolgender arthroskopischer Rotatorenmanschettennaht. In 88,5 % der Fälle verrichteten die Patienten nach mittleren 7,6 ± 2,6 Monaten ihre berufliche Tätigkeit auf dem gleichen Level wie präoperativ. Patienten, bei denen neben der arthroskopischen Rotatorenmanschettennaht auch eine offene Bizepstenodese durchgeführt wurde, zeigten ein verlängerten Heilverlauf. Regelmäßiger Alkoholkonsum war ein negativer prognostischer Faktor hinsichtlich Erreichen des gleichen Levels der beruflichen Tätigkeit und hinsichtlich eines schlechten Operationsergebnisses.

McClelland et al. [5] veröffentlichten 2005 eine Kohortenstudie (Level IV) von Patienten, bei denen in arthroskopischer Technik eine subacromiale Dekompression mit/ohne arthroskopische Resektion des Acromioclavicular-Gelenks durchgeführt wurde. Die Patienten wurden 3 Wochen postoperativ und 3 Monate postoperativ gesehen. Es wurde u.a. erfasst, wann die Patienten wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehrten und wann sie wieder fahrtüchtig waren. Die nicht körperlich schwer arbeitenden Patienten kehrten im Schnitt nach 27 Tagen (4 bis 90 Tage) an ihren Arbeitsplatz zurück. Lediglich ein nicht körperlich schwer arbeitender Patient kehrte nicht innerhalb von 6 Wochen an seinen Arbeitsplatz zurück. Von den körperlich schwer arbeitenden Patienten kehrten 85 % innerhalb von 3 Monaten an ihren Arbeitsplatz zurück. 3 körperlich schwer arbeitende Patienten kehrten gar nicht an ihren Arbeitsplatz zurück und wechselten aus medizinischen Gründen in den Frühruhestand. Der Unterschied der Rückkehr an den Arbeitsplatz zwischen körperlich schwer arbeitenden und körperlich nicht schwer arbeitenden Patienten war signifikant (P = 0,036).

Nicholson et al. [3] berichteten 2003 über eine prospektive, prognostische Studie (Level 1) von 106 Patienten mit arthroskopischer Acromioplastik, deren Ergebnisse hinsichtlich ihres Status Arbeitsunfall bzw. berufsbedingte Erkrankung und nicht berufsbedingte Erkrankung bzw. kein Arbeitsunfall verglichen wurden. Das durchschnittliche Alter aller Patienten lag bei 44,7 Jahren (20 bis 70 Jahre). Das Alter der Patienten mit berufsbedingten Erkrankungen lag im Durchschnitt bei 41,7 Jahren, das Alter der Patienten mit nicht berufsbedingten Erkrankungen lag im Durchschnitt bei 46,5 Jahren. Alle Patienten wurden wieder arbeitsfähig, teilweise aber auf einem niedrigeren Level. Für die Gruppe aller Patienten zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Schulterscores postoperativ. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen der Gruppe mit berufsbedingten Erkrankungen und der Gruppe mit nicht berufsbedingten Erkrankungen. Ebenso zeigte sich kein signifikanter Unterschied für Patienten mit körperlich schwerer Tätigkeit und nicht körperlich schwerer Tätigkeit. Es zeigte sich allerdings ein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Diese lag bei Patienten mit berufsbedingten Erkrankungen und entsprechenden Kompensationszahlungen bei 13,7 Wochen und bei Patienten mit nicht berufsbedingten Erkrankungen bei 9,1 Wochen (P = 0,0001). Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Gruppe mit berufsbedingten Erkrankungen häufiger körperlich schwere Tätigkeiten zu verrichten hatte. Zusätzliche intraartikuläre pathologische Befunde beeinflussten nicht das Endergebnis, allerdings verlängerten intraartikuläre pathologische Befunde die Zeit der Arbeitsunfähigkeit (P = 0,04).

Kinnard et al. [4] führten in der Anfangszeit der arthroskopischen Acromioplastik eine vergleichende retrospektive Studie (Level IV) zwischen offener und arthroskopischer Acromioplastik mit jeweils exzellentem Ergebnis durch. Eine offene Acromioplastik wurde in 18 Fällen, eine arthroskopische Acromioplastik in 20 Fällen durchgeführt. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit nach arthroskopischer Acromioplastik lag bei 144 Tagen (60 bis 544 Tage).

Diskussion

Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nach Schulteroperation ist trotz arthroskopischer Technik relativ lang. Bei starken interindividuellen Schwankungen sollten Patienten vor der Operation darauf hingewiesen werden, dass die durchschnittliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zu 3 Monate nach arthroskopischer Acromioplastik beträgt. Nach arthroskopischer Rotatorenmanschettennaht beträgt die durchschnittliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zu 9 Monate.

Interessanterweise konnte durch die PubMed Recherche keine Studie aus Deutschland identifiziert werden. Da die 7 analysierten Studien auch aus Nachbarländern wie Belgien und Frankreich mit hoch entwickelten sozialstaatlichen Strukturen stammen, ist aber davon auszugehen, dass in Deutschland wahrscheinlich keine wesentlich kürzeren systembedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten nach schulterarthroskopischen Eingriffen zu erwarten sind. Zudem war die Arbeitsunfähigkeit in einer Studie aus den USA mit mittleren 7,6 Monaten relativ lang [6].

Einzelverläufe mit deutlich längerer Arbeitsunfähigkeit können vorkommen. Eine längere Arbeitsunfähigkeit nach arthroskopischer Acromioplastik ist u.a. mit einer körperlich schweren Tätigkeit, einer gleichzeitigen arthroskopischen Resektion des Acromiclaviculargelenks und einem erhöhten Body-Mass-Index [8] sowie mit begleitenden intraarticulären pathologischen Befunden [3] assoziiert.

Eine längere Arbeitsunfähigkeit nach arthroskopischer Rotatorenmanschettennaht ist u.a. mit einer körperlich schweren Tätigkeit, dem Vorliegen von mehr als einem Sehnenriss [9], einer höheren Kompensationszahlung für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit [7] und dem Status als berufsbedingte Erkrankung mit entsprechender Kompensationszahlung assoziiert [3].

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