Übersichtsarbeiten - OUP 05/2014

Die distale Radiusfraktur – ein Update der Behandlungsmethoden

Damit wird eine sehr hohe Stabilität der Frakturversorgung erreicht, die auch einen osteoporotischen Knochen sicher fixiert. Bei korrekter Plattenlage ist eine Metallentfernung nur indiziert, wenn durch die Platte Komplikationen entstehen, z.B. ein Engegefühl, Schmerzen oder Schwellungen im Bereich der Sehnen dorsal wie auch palmar.

Bei einer sehr weit distal gelegenen Fraktur kann eine Plattenlage distal der Watershedline notwendig werden, dann auch mit nur einer Schraubenreihe. Hierbei sollte aber beachtet werden, dass eine frühzeitige Metallentfernung unbedingt empfohlen werden muss, um Beugesehnenschäden zu vermeiden, die sonst nahezu vorprogrammiert sind.

Auch die dorsale Verplattung hat bei korrekter Anwendung ihre Berechtigung. Mittlerweile sind auch diese Platten winkelstabil. Man hat einen sehr guten Überblick über die Gelenkfläche und kann gleichzeitig intraoperativ Begleitverletzungen sicher ausschließen bzw. korrigieren. Mit dem Retinaculum gelingt es, das Implantat zu decken und somit die Strecksehnen zu schonen. Mit der Subkutanverlagerung der langen Daumenstrecksehne verringert man das Risiko der Ruptur.

Die Erhaltung des Tuberculum Listeri ist mit dem neuen Plattendesign möglich und erhält somit die Stabilität der Fraktur. Diese operative Versorgung stützt sich auf das 3-Säulen-Prinzip. Eine Plattenentfernung ist nach einem halben Jahr zu empfehlen, um einer Ruptur der Strecksehnen vorzubeugen (Abb. 15–16).

Fixateur externe

Der Fixateur (Abb. 17–18) bleibt den offenen und den C3-Frakturen vorbehalten. Er nutzt die Ligamentotaxis zur Frakturreposition und letztlich zur Retention. Der Zug sollte aber spätestens nach 3 Wochen reduziert werden (Dynamisierung des Fixateurs), wenn dies nicht bereits nach der Reposition möglich ist. Bei Anwendung des Fixateurs muss oft eine Komplementärosteosynthese angewandt werden.

C3-Frakturen

Die Versorgung der C3-Frakturen stellt nach wie vor eine Herausforderung der Frakturversorgung dar. Nicht nur wegen der hohen Rate der Begleitverletzungen von bis zu 80 % [4, 7, 8, 13], auch wegen der oftmals scheinbaren Unmöglichkeit der Wiederherstellung einer akzeptablen Gelenkfunktion. Hierzu sind neben einem kombinierten Zugang auch oft alternative Maßnahmen bis zu Teilarthrodese nötig.

Wegen der Komplexität der Versorgung bleibt diese Versorgung oft dem stationären Bereich vorbehalten. Oft ist aber trotz aller Bemühungen keine Restitutio ad integrum möglich (Abb. 19).

Begleitverletzungen

Je höhergradiger eine Radiusfraktur ist, umso häufiger ist mit einer Begleitverletzung zu rechnen. Es sind vor allen die Verletzungen des Discus triangularis und die Ruptur des interossären Bands zwischen Skaphoid und Lunatum. Auf deren Versorgung wollen wir aber nicht weiter eingehen und auf die einschlägige Literatur verweisen [7]. Sie erfordert aber vom Operateur große Erfahrung auf dem Gebiet der Handchirurgie, denn ein palmarer Zugang erschwert das Erkennen solcher Begleitverletzungen, da bei diesem Zugang kein Einblick in das Gelenk gegeben ist. So ist intraoperativ eine Kinematografie unter dem Bildwandler dringend erforderlich.

Komplikationen

Trotz der modernen Implantate kommt es mit der zunehmenden Anzahl der operativen Radiusfrakturversorgungen immer noch zu postoperativ auftretenden Komplikationen. Es handelt sich um Rupturen der Streck- und Beugesehnen, v.a. beim Daumen. Diese Komplikationen sind jedoch nicht schicksalhaft und können durch einen erfahrenen Handchirurgen vermieden oder korrigiert werden, allerdings ist dazu eine erneute Operation notwendig.

Es kommt auch zu Plattenbrüchen und zu Redislokationen dieser Frakturen (Abb. 20), auch das Durchschneiden der Schrauben und Dislokation ins Gelenk werden beschrieben [10]. Es wird zwar propagiert, dass eine Spongiosaplastik nicht mehr erforderlich ist [2, 4, 10, 12, 21], aber sekundäre Redislokationen nach Plattenosteosynthesen stellen diese Meinung infrage. Leider kann man präoperativ nicht sicher bestimmen, welche Frakturen eine solche Spongiosaplastik benötigen.

Bemerkungen

Die Notfallversorgung einer Radiusfraktur ist nur bei Durchblutungs- oder Nervenverletzungen notwendig, sonst kann diese Fraktur durchaus verzögert versorgt werden. Nach Abschwellung der Weichteile, die eine Gipsruhigstellung erfordert, ist eine geplante operative Versorgung unter optimalen Bedingungen innerhalb einer Woche möglich.

Bei schweren Gelenkfrakturen ist zur Vordiagnostik eine Computertomografie zur Operationsplanung zu empfehlen. Sie erleichtert die Rekonstruktion der Gelenkflächen.

Eine arthroskopische Abklärung der Radiusfrakturen zur zusätzlichen Diagnostik insbesondere von Begleitverletzungen ist zwar möglich, aber logistisch selten durchführbar. Dies benötigt neben zusätzlicher Operationszeit einen erfahrenen Handgelenkarthroskopiker.

Beim palmaren Zugang ist eine zusätzliche Spaltung des Karpalkanals nicht immer erforderlich, sondern nur wenn präoperativ eine periphere Medianuskompression vorliegt, auf die immer zu achten ist. Man sollte den Medianus auch nicht intraoperativ darstellen, um eventuelle Verwachsungen mit der Umgebung zu vermeiden, die dann zu einer postoperativen Medianusstörung führen können.

Weil eine Plattenosteosynthese eine gemeinhin als vorteilhaft beschriebene frühfunktionelle Nachbehandlung ermöglicht, verzichten viele Operateure zunehmend auf eine postoperative Ruhigstellung. Untersuchungen aus den USA zeigen aber keinen Unterschied in der Funktion des Handgelenks und im DASH-Score nach einer operativen Radiusfrakturversorgung im Vergleich ohne und mit einer 4-wöchigen Gipsruhigstellung.

Vor allem in den ersten postoperativen Tagen bietet der Gips eine sehr gute Schmerz- und Ödemprophylaxe. Auch ist nicht bekannt, wie viele Begleitverletzungen durch die Gipsruhigstellung ausheilen. Wir empfehlen daher, niedriggradige Frakturen für 14 Tage und höhergradige Frakturen für 4 Wochen mit einem Gips postoperativ ruhig zu stellen.

Eine physiotherapeutische Nachbehandlung ist vom Befund und von der Mitarbeit des Patienten abhängig.

Häufig werden Patienten unter der Diagnose Morbus Sudeck physiotherapeutisch mit eingeschränktem Erfolg behandelt. In solchen Fällen ist differenzialdiagnostisch an ein dekompensiertes Karpaltunnelsyndrom zu denken. Bei unseren Patienten haben wir sehr gute Erfahrungen mit der Spaltung des Retinaculum flexorum bei lang dauernden schmerzhaften Bewegungsstörungen gemacht. Die Aussage: „In einen Morbus Sudeck darf man nicht hinein schneiden“, sollte der Vergangenheit angehören.

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